Städte mit dem dichtesten Verkehr Europas Metropolen des Stillstands
Seit der Pferdekutschen-Ära hat sich vieles verbessert - oder doch nicht? Das Durchschnittstempo des Verkehrs in Städten wie London zumindest hat sich kaum beschleunigt: Der Stau auf den Straßen ist einfach zu dicht. Im London des 19. Jahrhunderts bewegten sich die altmodischen Pferdekutschen mit einer Schneckengeschwindigkeit von zehn Stundenkilometern quietschend auf den gepflasterten Straßen voran. Heute liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit, mit der Autos in London unterwegs sind, bei gerade mal 19 Stundenkilometern.
Damit sind die Londoner noch um einiges langsamer als die Autofahrer in Berlin (24,2 km/h) und Warschau (26 km/h). Diese drei Städte erreichen in einer Rangliste der "langsamsten" europäischen Städte die ersten, unrühmlichen Plätze.
"Das überrascht mich nicht", kommentiert Justin Simon, 35, Fahrer eines der berühmten schwarzen Londoner Taxis, die Plazierung. Mit welchem Wort er den Verkehr in der Hauptstadt Großbritanniens beschreiben würde? Er zögert nicht: "Entsetzlich".
"Dichter Verkehr" lässt sich auf unterschiedliche Weise definieren. In diesem Fall wurde die Durchschnittsgeschwindigkeit als zentrales Kriterium gewählt. Sie wurde von Verkehrsexperten der Website www.keepmoving.co.uk ermittelt. Diese Site wird von einem international aktiven Anbieter für Verkehrsinformationstechnologie betrieben, den ITIS Holdings. Die Studie basiert auf der Analyse der Autogeschwindigkeit innerhalb eines knapp 16 Quadratkilometer großen Gebiets im Zentrum der Städte. Untersucht wurden die 30 bedeutendsten Städte Europas anhand von GPS-Daten, die zwischen Juni und September 2007 erhoben wurden.
Besonders düster ist das Bild für Großbritanniens Autofahrer. Sechs Städte des Landes gehören zu den Top Ten der langsamsten Metropolen. Mit dabei: Manchester, Edinburgh und Glasgow, die in der Rangliste kurz hinter London folgen.
Warum aber staut sich der Verkehr so stark? Es gibt viele Theorien, die den Verkehrsfluss behandeln - und mögliche finanzielle Anreize, die zu einem Umsteigen auf andere Verkehrsträger führen könnten. Die wachsende Einwohnerzahl der Stadt spielt eine Rolle, ist aber nicht allein entscheidend. So ist die durchschnittliche Fahrtgeschwindigkeit in London um 40 Prozent geringer als in Paris, das erst auf Rang neun der Liste landet. Manchester belegt zwar den vierten Platz in der Rangliste, hat aber nur 450.000 Einwohner.
Hamburg kommt an letzter Stelle der Liste - und ist mit einer durchschnittlichen Fahrtgeschwindigkeit von 84 Stundenkilometern eine der "schnellsten" Städte Europas. Ein Grund: Den Einwohnern steht ein effizienter öffentlicher Nahverkehr zur Verfügung. Die Fahrpläne von Bus und Bahn sind aufeinander abgestimmt und erleichtern Pendlern die Entscheidung, vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. Darüber hinaus verfügt Hamburg über mehr Schnellstraßen als viele andere europäische Großstädte.
Streit um Lösungsmöglichkeiten
"Die Infrastruktur von London ist sehr alt und es gibt keine Schnellstraßen, die in die Innenstadt führen", sagt dagegen Alex Petrie, Geschäftsführer von Keepmoving. Die kurvigen Straßen der britischen Hauptstadt sind vielleicht bei Touristen und England-Fans beliebt - für Autofahrer stellen sie ein Ärgernis dar. "In Städten, in denen mehrspurige Schnellstraßen ins Zentrum führen, können viel höhere Geschwindigkeiten erreicht werden. Hamburg ist die schnellste Stadt, da ein Großteil der überwachten Fahrzeuge auf Schnellstraßen unterwegs war."
Die europäischen Städte gehen das Verkehrsproblem auf sehr unterschiedliche Art und Weise an - und mit unterschiedlichem Erfolg. London und Mailand (Platz 23) nutzen ein Mautsystem für die Innenstadt. Autofahrer in London müssen eine Gebühr von acht Pfund entrichten, um zwischen 7 und 18 Uhr die offizielle Mautzone zu befahren. In Mailand - der Stadt mit den meisten Autobesitzern und einer der Städte Europas mit der größten Umweltverschmutzung - wird ebenfalls eine Gebühr von zehn Euro erhoben. Die Mautzone von London umfasst circa 13 Quadratkilometer der Innenstadt, die von Mailand circa fünf Quadratkilometer.
Doch nicht alle sind davon überzeugt, dass die Einführung von Mautgebühren die Lösung ist. In London ist kurz vor den Bürgermeisterwahlen ein heißer Streit über das Thema entbrannt. Der derzeit amtierende Bürgermeister, Ken Livingstone, war für die Einführung des Systems in London verantwortlich - und hat sich viele Feinde unter den Anwohnern gemacht. Gegner halten die Mautgebühr für zu hoch. Sie trage auch weniger zum Umweltschutz bei als ursprünglich gedacht. Malcolm Murray-Clarke, Leiter der Mautzentrale in London, gibt jedoch an, dass der Verkehr in der Hauptstadt seit Einführung des Systems im Februar 2003 um zwanzig Prozent gesunken ist.
"Es hat etwas bewirkt", stimmt Alex Petrie von Keepmoving zu. "London gehört zu den Städten, bei denen akuter Handlungsbedarf bestand."
Der Verkehr ist für diejenigen, die sich die Mautgebühr leisten können, und für Taxis und Busse, ruhiger geworden. Der öffentliche Nahverkehr zeigt laut Petrie aber kaum Verbesserungen. "Es ist immer noch schwer, in der Innenstadt von A nach B zu kommen. Für den durchschnittlichen Londoner hat die Mautgebühr daher meiner Meinung nach keine Vorteile."