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BANKEN Stählerne Kassierer

Die Verbraucherbank verzichtet konsequent auf üblichen Service. Der Kunde bedient sich selbst.
aus DER SPIEGEL 11/1979

Mit leisem Surren schluckt der chromblitzende Roboter ein Plastikkärtchen, fordert den Kunden auf, seinen Kode und die gewünschte Summe zu nennen. Dann spuckt er Bargeld aus.

Auch Deutschlands Banken werden bald nicht mehr sein, was sie einmal waren. Denn Automaten, die auch in der Bank die Selbstbedienung einführen, sind bereits im Einsatz.

»Die Kunden akzeptieren Dinge«, wundert sich Alfred Richter, 45, Vorstandssprecher der Verbraucherbank AG, »die wir nicht für möglich hielten.« In Richters Filialen haben Computer und Automaten nicht nur hinter den Kulissen, sondern auch im Kassenraum weitgehend die Arbeit der Bankangestellten übernommen.

Und Richter hat noch viel vor. Nach 18 Monaten Erfahrung mit der Selbstbedienung baut er auf die »Emanzipation der Kleinkundschaft«. Die Verbraucherbank, bislang mit einem Dutzend Filialen in Hamburg, Berlin, Bremen und im Rheinland vertreten, soll bald in allen deutschen Großstädten neue Zweigstellen öffnen.

Die Deutschen scheinen an der prompten, kühlen Bedienung Gefallen zu finden. Monat für Monat kann die Verbraucherbank, eine Tochter der Bayerischen Vereinsbank und der Württembergischen Kommunalen Landesbank, 600 bis 800 neue Girokonten eröffnen.

Fast zehntausend Kunden besitzen bereits die unscheinbaren Plastikkärtchen der Verbraucherbank, mit denen sie die stählernen Kassierer und stummen Kontoführer dirigieren.

Diese Kärtchen, die auf der Rückseite einen schmalen Magnetstreifen mit einem Kode enthalten, öffnen zu jeder Tages- und Nachtzeit die Türen der Bank; überdies werden mit ihrer Hilfe die Terminals der Computer -- Bildschirme und Tastaturen -- sowie die Bargeld-Automaten bedient.

Die Handhabung ist relativ einfach: Nachdem der Kunde seine Legitimationskarte in den Terminal gesteckt und auf der Tastatur eine sechsstellige Geheimzahl getippt hat, kann er auf der Mattscheibe Kontoauszüge einsehen, Daueraufträge (bis zu 88 Stück je Konto) einrichten oder löschen und Überweisungen schreiben. Auf dem Bildschirm erscheint dabei ein Formular, das der Kunde über die Tastatur ausfüllen muß. Innerhalb des eigenen Banknetzes sind die Überweisungen in 0,03 Sekunden auf dem Empfänger-Konto. Hat der Empfänger sein Konto bei einer anderen Bank dauert's 24 Stunden.

Ein Roboter, der -- rund um die Uhr -- auch Bargeld herausrückt, steht bisher nur in Berlin, in Bremen und in Köln. Leichtsinnig kann der Kunde allerdings nicht werden: Der Automat zahlt nur bis zu 8000 Mark aus -- vorausgesetzt das »SB-Konto« (Spar- und Girokonto sind eins) ist gedeckt.

Die vollelektronische Dienstleistung des Bankgewerbes, die in den Vereinigten Staaten und in Japan bereits erfolgreich getestet worden ist, scheint auch in Deutschland zu lohnen. Bei einer Bilanzsumme von 285 Millionen Mark konnte die Verbraucherbank ihren Eignern für das vergangene Jahr bereits einen Überschuß von 1,2 Millionen Mark überweisen.

Die Computer-Ausrüstung hat der Bank keine nennenswerten zusätzlichen Kosten gebracht, da das Gerät überwiegend bereits für den internen Gebrauch angeschafft war. Für einen Bildschirm mit Tastatur zahlt die Bank monatlich 300 Mark Miete, ein Bargeld-Automat kostet monatlich 2800 Mark.

Das aber kommt durch die Einsparungen beim Personal allemal wieder herein. In einer automatisierten Filiale ist nur die Hälfte des sonst üblichen Personals notwendig.

Nach Richters Ansicht ist der künftige Weg des Bankgewerbes bereits vorgezeichnet: Dem Zwang zur Rationalisierung könne niemand entgehen, »sonst gehen wir kaputt am Mengengeschäft«.

Der Chef der Verbraucherbank, der sich selbst gern als »Pionier der Selbstbedienung« in seiner Branche sieht, denkt längst auch schon über seine Geld-Roboter hinaus. Die Verbraucherbank soll schon bald, wenn die Bundespost erste Erfahrungen mit Bildschirmtexten gesammelt hat, einen neuen Sprung schaffen.

Mitte der 80er Jahre, schätzt Richter, werden seine Kunden sich nicht einmal mehr auf den Weg zur Bank machen müssen, sondern alles telephonisch regeln. Ihren Kontostand können sie dann selbst am Sonntagmorgen -- ehe sie Werner Höfers Frühschoppen einstellen -- am Bildschirm ablesen.

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