Start-up-Studie Gründer kämpfen mit rassistischen Erfahrungen

Deutschlands Start-up-Szene lebt zu einem beträchtlichen Teil von Unternehmern mit ausländischen Wurzeln. Doch im Umgang mit Behörden, Investoren und Banken klagen viele von ihnen über Diskriminierung.
Biontech-Mitgründer Uğur Şahin

Biontech-Mitgründer Uğur Şahin

Foto: Florian Gaertner / photothek / imago images

Wer in Deutschland eine Firma gründet, muss ohnehin nicht wenige Hürden überwinden. Zwischen Behördengängen und Finanzierungsrunden, Förderungsanträgen und Bürokratie ist der Start in die Selbstständigkeit nur etwas für besonders leidgeprüfte Unternehmer. Für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gilt das jedoch besonders.

Unter den jungen Unternehmern und Unternehmerinnen, die im Ausland geboren wurden, hat jeder Dritte im Zuge der Gründung rassistische Erfahrungen gemacht. Bei denen, die in einem anderen Land studierten, liegt der Anteil sogar noch höher: 51 Prozent klagen über Diskriminierung bei Behörden und Ämtern, Banken und Investoren, Vermietern und Kooperationspartnern. Das ergab eine Auswertung des Bundesverbands Deutsche Start-ups und der Friedrich-Naumann-Stiftung, die dem SPIEGEL vorliegt.

Innovativer und besser ausgebildet

Auch Gründer, die in erster oder zweiter Generation in Deutschland aufgewachsen sind, sprechen über Vorurteile: Jeweils 32 Prozent und 17 Prozent erlebten laut Umfrage während der Gründung ihrer Firma Momente, in denen sie aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert wurden – die meisten eingewanderten Gründerinnen und Gründer stammen aus Osteuropa (23 Prozent) und Asien (14 Prozent). Einziger Lichtblick: Der Umgang und Austausch mit anderen Start-ups scheint die jungen Unternehmer und Unternehmerinnen seltener vor derartige Probleme zu stellen.

Für den Start-up-Standort Deutschland sind diese Zahlen enttäuschend, lebt er doch zu einem beträchtlichen Teil von der Innovation seiner Gründer, die ihre Wurzeln teils im Ausland haben. Ohne sie gäbe es hierzulande kein unabhängiges akademisches Netzwerk (ResearchGate), keine Lebensmittellieferungen in unter zehn Minuten (Gorillas) und keinen deutschen Impfstoff aus der mRNA-Forschung (Biontech). »Fehlende Offenheit gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund, deren mangelhafte Netzwerke und unsere Bürokratie sind ein Problem für den Standort Deutschland«, sagt Gesa Miczaika vom Start-up-Verband.

Unzureichende Finanzierung

Das liegt auch an der Bedeutung, die diese Firmen in Deutschland erreicht haben: Unternehmer und Unternehmerinnen mit Migrationserfahrung gründen 22 Prozent der deutschen Start-ups, mehr als die Hälfte von ihnen sind im Ausland geboren. Mit einem Akademikeranteil von 91 Prozent sind vor allem Letztere besonders gut ausgebildet, der Großteil hat einen Abschluss im Bereich Wirtschaft oder einem der begehrten MINT-Fächer.

Dennoch zeigt sich eine große Diskrepanz beim Wettstreit um Kapital: Nur ein Drittel der nach Deutschland eingewanderten Gründer konnte nach eigenen Angaben bisher auf staatliche Fördermittel zurückgreifen – das sind zehn Prozentpunkte weniger als im allgemeinen Durchschnitt. Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei der Verteilung von Wagniskapital: Lediglich 15 Prozent der ausländischen Gründer haben bisher eine solche Finanzierung erhalten, gegenüber 20 Prozent im allgemeinen Start-up-Schnitt. Und das obwohl sie diese Form der Finanzierung häufiger anstreben.

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