»Storykillers«-Recherchen Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelte gegen Cybersöldnerchef »Jorge«

Cybersöldner Tal Hanan alias »Jorge«
[M] Lina Moreno / DER SPIEGEL; Fotos: Screenshot / Team Jorge Präsentation; Logo Factory / imagebroker / IMAGO; Anadolu Agency / Getty Images
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Gegen den Chef der Cybersöldnergruppe Team Jorge ist in der Schweiz bereits einmal wegen des Verdachts der Wirtschaftsspionage ermittelt worden. Eine internationale Recherche, an der auch der SPIEGEL, das ZDF und die Schweizer Tamedia-Gruppe beteiligt waren, hatte diese Woche enthüllt, dass der Israeli Tal Hanan alias »Jorge« und seine zuvor geheime Firma unter anderem Wahlmanipulationen als Dienstleistung anboten. Spuren führten etwa nach Kenia, Nigeria und auf den Balkan.
Jetzt zeigt sich: Auch der Schweizer Spion Daniel M. hatte Tal Hanan angeheuert, um Bankunterlagen des früheren deutschen Geheimdienstchefs August Hanning zu besorgen.
Verfahren wegen Wirtschaftsspionage
Daniel M., der bis 2010 für den Schweizer Nachrichtendienst aktiv war, hatte Tal Hanan demnach im Jahr 2014 beauftragt, um an angebliche Bankdaten von Ex-BND-Chef Hanning zu gelangen. Tal Hanan wiederum gab den Auftrag an einen IT-Spezialisten weiter, der angeblich im Darknet die erwünschten Bankinformationen besorgte. Hanan ließ Daniel M. sodann einen Bericht mit dem Titel »August Hanning – Confidential Report« und einen Kontobewegungsüberblick zukommen und bekam dafür mindestens 88.000 Dollar Entlohnung. Das geht aus Unterlagen hervor, die dem SPIEGEL vorliegen. Der Haken an der Sache: Die angeblichen Kontodaten Hannings waren gefälscht. Es handelte sich um »nicht existierende und somit fiktive Bankkundendaten«, wie die Schweizer Bundesanwaltschaft später feststellte.
Dort landete der Fall, weil Spion M. in eine Falle gelaufen war. Seine Gespräche wurden heimlich mit versteckter Kamera aufgezeichnet, und die Informationen landeten bei einer Schweizer Großbank.
Gegen Tal Hanan wurde zunächst ein Verfahren wegen des Verdachts auf »wirtschaftlichen Nachrichtendienst« – also Wirtschaftsspionage – eingeleitet. Das Verfahren wurde allerdings 2021 eingestellt. Zwar sah es die Bundesanwaltschaft als erwiesen an, dass Hanan die angeblich im Darknet beschafften Bankkontodaten verkauft hatte. Es habe ihm aber nicht nachgewiesen werden können, dass er gewusst habe, für welchen Zweck die Daten bestimmt gewesen seien. Vom Schweizer »Tages-Anzeiger« mit den Vorwürfen konfrontiert, erklärte Hanan 2017, er arbeite nach »höchsten ethischen und legalen Standards«, und zwar angeblich auch für eine renommierte Schweizer Bank.
Anzeige wegen Betrugs, Fälschung, Wahlmanipulation
Fünf Jahre später prahlte er vor Undercover-Journalisten, die sich als potenzielle Kunden ausgaben, sein Team könne in E-Mail- und Messengerdienstkonten eindringen, private Bankdaten besorgen und Wahlen manipulieren. Seine Leute seien auf der ganzen Welt tätig, 27 Wahlen habe er bereits im Sinne seiner Kunden beeinflusst. Auf Anfrage wies er jegliches Fehlverhalten zurück.
Erst am Mittwoch hat ein prominenter israelischer Anwalt Tal Hanan und seine Kollegen angezeigt und Israels Behörden um eine Anklage ersucht. Der Vorwurf: Betrug, Fälschung und Wahlmanipulation.