Streik im Öffentlichen Dienst SPD will Schlichter einsetzen
Stuttgart - SPD-Parteichef Matthias Platzeck hat genug von dem Zinnober: Nach den heftigen Streits in der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) und der massiven Kritik an Verhandlungsführer Hartmut Möllring (CDU) will er nun einen Schlichter für die festgefahrenen Verhandlungen mit Ver.di einsetzen. "Ich glaube, das ist ein Vorschlag, über den zu sprechen es sich lohnt", sagte Platzeck. Er spüre im Land den ausgeprägten Wunsch, dass der wochenlange Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst mit einer vernünftigen Lösung schnell beendet werden sollte.
Auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kurt Beck zog ein solches Vorgehen in Betracht: "Es gibt natürlich die Möglichkeit einer Schlichtung", sagt er. Darüber wolle er nun mit den Ministerpräsidenten der SPD sprechen. "Ich habe natürlich Namen im Hinterkopf", sagte Beck. Auch die SPD-Spitzenkandidatin im baden-württembergischen Landtagswahlkampf, Ute Vogt, sagte dem Berliner "Tagesspiegel": "Die Schlichtung wäre ein möglicher Weg."
Verhandlungsführer Möllring bezeichnete den Vorschlag dagegen als "abwegig". Es müsse versucht werden, eine Lösung am Verhandlungstisch zu erreichen, nicht über Dritte. Ein Kompromiss mit Ver.di, ohne Hilfe von außen, scheint allerdings in immer weitere Ferne zu rücken. Möllring schloss heute erneut ein Abgehen von der Forderung aus, die Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden in der Woche zu verlängern. Wer fünf Wochen Streik hinter sich habe, fühle sich veralbert, wenn die Gewerkschaft Ver.di 14 Minuten Mehrarbeit pro Woche anbiete. Außerdem stehen sich derzeit nicht nur Arbeitgeber und Gewerkschafter bei den Verhandlungen gegenüber. Stattdessen beharken sich auch die Mitglieder der Tarifgemeinschaft der Länder kräftig untereinander.
Stegner will kein "Verhandlungsweichei" sein
So erklärte Möllring im ZDF-Morgenmagazin, eine Einigung mit Ver.di sei durchaus möglich, derzeit würden aber die "eigenen Leute uns in den Rücken fallen." Der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse", sagte er außerdem, TdL-Vize Ralf Stegner (SPD) müsse sich überlegen, "ob er als Stellvertreter noch tragbar ist, wenn er das Gegenteil von dem vertritt, was in der TdL beschlossen worden ist". Stegner verhalte sich "schlicht illoyal" - seine Einschätzung, die Tarifgemeinschaft der Länder sei gefährdet, sei "völlig abwegig".
Stegner konterte in den "Kieler Nachrichten": "Die Tarifgemeinschaft der Länder ist in ihrem Bestand gefährdet, wenn sie von der Union als parteipolitischer Kampfverband missbraucht wird mit dem Ziel, Gewerkschaften in die Knie zu zwingen." Er sei "wirklich kein Verhandlungsweichei und Gewerkschaftsfreund": "Aber man kann nur zu einem Kompromiss kommen, wenn beide Seiten sich bewegen."
Der Fraktionschef von CDU/CSU im Bundestag, Volker Kauder, verteidigte Möllring dagegen und griff dafür Beck an, der ebenfalls Kritik an Möllring geübt hatte: "Wenn Herr Ministerpräsident Beck sich im Wahlkampf befindet, will ich ihn trotzdem davor warnen, dass er jetzt einseitig Partei ergreift", sagte er dem Sender N24. Es gehe um sehr viel - "ich würde dringend davor warnen, dass sich nun die Politik und die Parteien einschalten".
Die Streiks der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di gingen heute in die sechste Woche. Insgesamt werden nach Angaben der Gewerkschaft in zehn Bundesländern Universitätskliniken, Theater und Verwaltungsbehörden sowie Straßenmeistereien bestreikt. In Bremen seien sämtliche Kindertagesstätten betroffen. Außerdem seien Baden-Württemberg und Niedersachsen besondere Schwerpunkte der Protestaktionen.
Die Länder fordern die Verlängerung der Wochenarbeitszeit für die Arbeiter und Angestellten auf 40 von 38,5 Stunden. Ver.di lehnt das mit der Begründung ab, längere Arbeitszeiten würden Arbeitsplätze vernichten. Die Tarifverhandlungen waren am Samstag abgebrochen worden.
ase/afp/dpa/reuters