Streit über Opel-Rettung Guttenberg erteilt Steinmeier Nachhilfe in Insolvenzrecht

Das Hickhack um Opel geht weiter: Außenminister Steinmeier schaltet sich in die Gespräche mit GM ein und kritisiert das "Insolvenz-Gerede" von Wirtschaftsminister Guttenberg. Der Gescholtene keilt zurück - und lässt den Kollegen wissen: "Bei einer Insolvenz ist das Unternehmen nicht verloren."

Berlin - Die Rüge war deutlich, das lässt der Wirtschaftsminister nicht auf sich sitzen: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat die Kritik von Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) an seiner Äußerung zu einer möglichen Insolvenz des Autobauers Opel zurückgewiesen. "Bei einer geordneten Insolvenz ist ein Unternehmen ja nicht zwingend verloren", sagte er am Sonntag in Berlin. Es gehe dabei gerade nicht um eine Pleite oder eine Liquidation. "Man kann in einer geordneten Insolvenz ein Unternehmen auch weiterführen. Man kann weiterhin Verhandlungen führen, man kann aus einer anderen Verhandlungsposition heraus mit entsprechenden Interessenten arbeiten."

Wirtschaftsminister Guttenberg: Nachhilfe in Sachen Opel-Insolvenz

Wirtschaftsminister Guttenberg: Nachhilfe in Sachen Opel-Insolvenz

Foto: DDP

Steinmeier hatte zuvor Äußerungen von Guttenberg kritisiert, in denen sich der Wirtschaftsminister skeptisch gegenüber den bisherigen Angeboten für den angeschlagenen Autobauer Opel gezeigt und im SPIEGEL eine geordnete Insolvenz als beste Möglichkeit bezeichnet hatte. "Ich rate allen, endlich mit dem Gerede über eine Insolvenz von Opel aufzuhören", sagte Steinmeier. Die Bundesregierung müsse ihre ganze Energie darauf richten, möglichst viele Arbeitsplätze bei dem Autobauer zu retten, "statt ständig mit neuen Schreckgespenstern zu hantieren".

Gleichzeitig hat sich der SPD-Kanzlerkandidat selbst in die Verhandlungen eingeschaltet: Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE telefonierte der Minister am Samstagabend "ausführlich" mit dem Chef des Opel-Mutterkonzerns General Motors (GM)  , Fritz Henderson, und besprach mit ihm die vorliegenden Konzepte. Steinmeier drückt bei den Verhandlungen aufs Tempo, nach Informationen von SPIEGEL ONLINE setzt er den Wirtschaftsminister unter Druck, endlich das Modell der staatlichen Brückenfinanzierung fest zu klopfen. "Irgendwann muss der Sack zugemacht werden", heißt es im Steinmeier-Lager. Es komme vor allem darauf an, Arbeitsplätze langfristig zu sichern.

Besser beim Beschreiben der Risiken denn der Lösungen

Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck kritisierte den Wirtschaftsminister. Wenn Guttenberg von Insolvenz rede, suggeriere er, dass Opel nicht mehr zu retten sei, sagte Struck im ARD-Fernsehen. Die Konzepte der drei Anbieter müssten sorgfältig geprüft werden. Oberstes Ziel müsse bleiben, die Arbeitsplätze bei allen vier deutschen Opelwerken zu retten.

Aus Berliner Regierungskreisen verlautete dazu, das Kanzleramt habe sich nicht umsonst selbst in die Opel-Verhandlungen eingeschaltet. Guttenberg sei "von Beginn an besser darin gewesen, die Risiken zu beschreiben als Lösungswege aufzuzeigen und zielstrebig an ihrer Umsetzung zu arbeiten". Dadurch sei in den vergangenen Wochen wertvolle Zeit verschwendet worden, hieß es.

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wies allerdings den Vorwurf zurück, dass das Kanzleramt unzufrieden mit dem Wirtschaftsministerium sei. "Die Entscheidung zu Opel ist von großer Tragweite. Deshalb ist es selbstverständlich, dass sich außer dem federführenden Bundeswirtschaftsministerium auch das Kanzleramt um die Thematik kümmert", sagte er der dpa in Berlin. Dabei gebe es zwischen Kanzleramt und Ministerium eine enge Zusammenarbeit.

Gewerkschaften kritisieren "Lottospiel"

Auch auf Seiten der Gewerkschaften stößt die Haltung des Wirtschaftsministers auf wenig Gegenliebe: "Es ist unverständlich und völlig kontraproduktiv, wie der Minister jetzt von Insolvenz reden kann", sagte der Opel-Betriebsratsvorsitzende Klaus Franz der "Bild"-Zeitung. "Es gibt schließlich von mehreren Seiten hartes Interesse an Opel."

Franz kritisierte gleichzeitig den Unterbietungswettbewerb im Kampf um den Autobauer: "Man muss aufpassen, dass man sich nicht wie beim Lotteriespiel mit immer neuen Zahlen unterbietet", sagte er und reagierte damit auf Meldungen, wonach die Interessenten Fiat und Magna ihre Konzepte beim geplanten Stellenabbau und Staatsgarantien nachgebessert haben. Aussagen zu Arbeitsplätzen müssten "garantiert und festgeschrieben sein und über mehrere Jahre Bestand haben - nicht nur für zwei Tage", sagte der Betriebsratschef weiter. "Es geht um das Beste für die Beschäftigten und die Marke Opel in Europa." Das Konzept müsse ermöglichen, dass Opel erhaltene Kredite in zwei bis drei Jahren wieder zurückzahlen könne, damit am Ende nicht der Steuerzahler belastet werde.

Fiat hatte am Samstag überraschend mitgeteilt, sein Konzept nachbessern zu wollen. Laut "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" steht in dem nachgebesserten Konzept, dass Fiat mögliche Staatsbürgschaften bis 2013 zurückzahlen wolle. Wörtlich heiße es: "Sechs Milliarden Euro benötigte Staatsbürgschaften, garantierte Rückzahlung binnen vier Jahren." Damit hätte Fiat den zunächst verlangten staatlichen Beitrag um eine Milliarde Euro reduziert.

Laut Guttenberg gebe es aber auch bei den anderen Bietern Bewegung. "Wir spüren Verhandlungsbereitschaft an allen Stellen", sagte der Minister. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung hat sich die Bundesregierung unmittelbar vor Beratungen am Montag erneut mit dem Management des österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna getroffen. An dem Gespräch am Sonntagabend im Kanzleramt habe neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Magna-Spitze auch Guttenberg teilgenommen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise. Demnach sollte bei dem Treffen ausgelotet werden, ob Magna zu weiteren Zugeständnissen für einen Einstieg beim angeschlagenen Autobauer bereit ist.

Koch fordert mehr Einsatz der Bieter

Im Rennen um die Tochter des angeschlagenen US-Autokonzerns GM haben Fiat   , der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna   und der US-Finanzinvestor RHJ International der Bundesregierung am Mittwoch ihre Konzepte für eine Opel-Übernahme vorgelegt. Als aussichtsreichster Kandidat gilt derzeit Magna. Bis Ende kommender Woche soll eine Grundsatzentscheidung fallen. Favorit Magna macht sein Angebot nach SPIEGEL-Informationen davon abhängig, ob die Bundesregierung Pensionsverpflichtungen in Höhe von drei Milliarden Euro übernimmt. Fiat erklärte dagegen, in seinem Konzept seien Pensionsverpflichtungen von vier Milliarden Euro eingerechnet.

So richtig scheint allerdings keines der drei vorgelegten Rettungskonzepte zu überzeugen. Das liegt auch am Einsatz, zu dem die Bieter bei Opel bereit sind - und der für erste Kritik sorgt: "Es kann nicht sein, dass alle Risiken vom Staat abgedeckt werden. Wir wollen motivierte Unternehmer als neue Eigentümer haben, die wissen, dass sie über viel Steuerzahlergeld entscheiden, wenn sie die Firma gut oder schlecht führen", sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch dem "Handelsblatt". Der beste Weg diese Motivation zu zeigen sei, dass man selbst etwas riskiere. Dass die, die Opel in Zukunft führen wollten, dabei auch über eigenes Geld entscheiden.

Koch machte klar, dass seine Forderung auch gegenüber dem Favoriten Magna gilt: "Auch beim präferierten Bieter Magna gibt es noch viele offene Fragen: die Lastenverteilung mit dem Problem am Standort Bochum ist davon eine hoffentlich lösbare." Eine wichtigere sei, dass man jetzt von jedem einzelnen Bieter in einem Vergleich sehen wolle, was denn eigentlich das eigene Risiko sei, das er übernehme.

vme/sam/ore/AP/Reuters/dpa/AFP
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