Streit um Spekulanten Briten und Amerikaner bremsen bei Hedgefonds-Kontrolle
Berlin Ein Fahrplan für die Zukunft mehr nicht. In der von Deutschland angestoßenen Debatte um mehr Kontrolle über die Geschäfte von Hedgefonds wird es wohl keine schnelle Verständigung geben, sondern nur Absichtserklärungen und Termine für weitere Gespräche. Das sagte heute der Finanzstaatssekretär Thomas Mirow, der damit die Erwartungen an den bevorstehenden G7-Gipfel in Essen dämpfte.
In Essen seien "keine vertieften Schlussfolgerungen" zum Thema Hedgefonds zu erwarten, sagte Mirow. Es handele sich um einen "kontinuierlichen Prozess".
Dass die Finanzminister der führenden sieben Industriestaaten am Samstag bei ihrem Treffen in der Essener "Villa Hügel" überhaupt über Hedgefonds reden, ist eine Premiere. Bisher debattierten vor allem Universitätsexperten und Notenbanker über das Thema. Doch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und seine Leute haben sich mächtig ins Zeug gelegt, um die Frage beim Essener Gipfel auf die Agenda zu heben.
Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich als Anhängerin einer Hedgefonds-Aufsicht zu erkennen gegeben. Sie hatte erst jüngst bei der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos angekündigt, im Rahmen der laufenden deutschen G8-Präsidentschaft die Transparenz auf den internationalen Finanzmärkten erhöhen zu wollen.
"Das Thema ist sexy" aber politisch sensibel
Das Thema hat in Deutschland Prominenz - spätestens seit der damalige SPD-Chef Franz Müntefering internationale Finanzakteure als "Heuschrecken" brandmarkte. "Das Thema ist sexy", sagt ein Experte. Aber es ist auch politisch sensibel und bisher haben die Finanzminister Großbritanniens und der USA ihre schützende Hand über die Fonds gehalten. Auch jetzt heißt es, dass die Finanzminister Gordon Brown und Henry Paulson eine strenge Regulierung ablehnen - - auch wenn zumindest US-Minister Paulson zuletzt selbst vor wachsenden Risiken warnte. Typischerweise werden die Geschäfte der Hedgefonds über die Finanzmärkte London und New York abgewickelt, auch wenn viele ihren offiziellen Sitz in Steueroasen angemeldet haben. So haben auf den Cayman Inseln 1051 Hedgefonds ihren Sitz - in Deutschland sitzt keiner.
Man wolle "so schnell wie möglich" vorankommen, sich aber "so viel Zeit wie nötig nehmen, um alle an Bord zu haben", sagte Mirow mit Blick auf die Widerstände aus den USA und Großbritannien.
Steinbrück favorisiert daher eine vorsichtige, indirekte Lösung. Wie der SPIEGEL bereits am Wochenende berichtete, sollen vor allem die Banken, die Geld an Hedgefonds ausleihen, für mehr Transparenz sorgen. Die Institute sollen den staatlichen Bankenaufsichten offenbaren, wie viel Geld sie an welche Hedgefonds ausgeliehen haben. Dadurch verspricht sich Steinbrück Auskünfte über die Risikostreuung der Fonds.
Die Hedgefonds selbst sollten aufgefordert werden, ihre Informationspolitik gegenüber Banken, Anlegern und Öffentlichkeit zu überdenken. Als Ziel strebt Berlin an, dass sich die bislang weitgehend unregulierten Fonds einem freiwilligen Verhaltenskodex unterwerfen. Auch könnte sich die Branche von unabhängigen Rating-Agenturen durchleuchten lassen, um dann eine Art Gütesiegel für ihre Arbeit zu bekommen.
Gefahr von Großbränden
In der Debatte geht es um Fonds, die inzwischen für einen erheblichen Teil der Geschäfte an den Aktien- und Bond-Märkten in der Welt verantwortlich sind, die Beteiligungen rund um den Erdball erwerben und wieder aussteigen, die Einfluss auf Firmen nehmen und sich auch vermehrt im Mittelstand einkaufen. Befürworter betonen, dass die Fonds durchaus eine positive Rolle spielen, etwa als Kapitalgeber für unterkapitalisierte oder expansionswillige Unternehmen.
Kritiker beschwören hingegen das Bild von einer 1,4-Billionen-Dollar-Industrie herauf, die mit gewagten Strategien auf den Weltfinanzmärkten zockt. Anders als Banken agieren die Fonds praktisch im Verborgenen, kaum reguliert oder beaufsichtigt. Wenn sie sich verspekulieren, könnte das die Märkte gehörig in Turbulenzen stürzen und sogar die Stabilität von Banken gefährden.
Zentrales Anliegen der Hedgefonds ist eine stabil hohe Rendite auf das eingesetzte Kapital - auch dann, wenn die Kurse fallen. Erreicht werden kann das mit Hilfe von Optionen und Terminkontrakten, von Wetten auf künftige Kurse von Devisen, Rohstoffen und Wertpapieren. Das alles ist riskant - umso mehr, als die Fonds sich dafür auch kräftig verschulden. Gehen solche Großspekulationen daneben, kann das Flächenbrände im weltweiten Finanzsystem auslösen. So manövrierte sich 1998 der US-Fonds Long Term Capital Management (LTCM) so nah an den Rand des Zusammenbruchs, dass die amerikanische Notenbank einschreiten und führende Banken zu einer eiligen Rettungsaktion mobilisieren musste.
Dass man von amerikanischer und britischer Seite überhaupt bereit ist, über Regeln für Hedgefonds zu sprechen, sehen die Deutschen schon als Riesenerfolg. Auch die Angelsachsen haben erkannt, dass der Kollaps eines größeren Hedgefonds zu schwer kontrollierbaren Kettenreaktionen führen könnte. Aber man weiß in Berlin, dass alles, was in Richtung einer "harten Regulierung" der Fonds ginge, das Ende der Diskussion mit den Amerikanern und Briten bedeuten würde.
Das Zauberwort, das Steinbrück vor dem Essener Treffen immer wieder anspricht, heißt daher "Transparenz" mehr nicht.
itz/dpa/Reuters/ddp