Strommarkt Brüssel könnte Übergewinne dauerhaft abschöpfen

Windpark in Brandenburg: Die ausufernden Börsenstrompreise haben Erzeugern von Ökostrom sagenhafte Gewinne beschert. Staaten wie Deutschland schöpfen die Profite nun ab.
Foto: Patrick Pleul / dpaDie EU-Kommission erwägt, die Übergewinne von Atom-, Braunkohle- und Ökostromproduzenten dauerhaft abzuschöpfen. Dies geht aus einem Vorentwurf der Brüsseler Behörde zur Reform des EU-Strommarkts hervor, der dem SPIEGEL vorliegt.
Unter der Überschrift »Bessere Stärkung und Schutz der Verbraucher« berichtet die EU-Kommission von der seit Oktober bestehenden Erlösbegrenzung für Stromerzeuger mit niedrigen Erzeugungskosten, die von den extremen hohen Marktpreisen profitieren.
»Eine mögliche Option wäre, eine solche Erlösbegrenzung dauerhafter und harmonisierter anzuwenden oder gezielt in Krisensituationen zu aktivieren«, heißt es in dem Papier. Es lässt also offen, ob Brüssel die derzeit greifenden Notmaßnahmen generell verstetigen will oder nur feste Regeln für künftige Ausnahmesituationen plant.
Die derzeitige Erlösobergrenze wurde Ende September von den Energieministern der 27 EU-Mitgliedstaaten als befristete Maßnahme beschlossen. Sie sieht vor, dass Erzeuger von Strom mit geringeren variablen Kosten wie etwa Betreiber von Wind- und Solarparks, Braunkohle- oder Atomkraftwerken höchstens 180 Euro je Megawattstunde bekommen dürfen.
In den vergangenen Monaten waren die Börsenstrompreise zeitweise mehr als fünfmal so hoch, vor allem wegen ausufernder Brennstoffkosten für Gaskraftwerke. Denn bislang funktionieren Europas Strommärkte nach dem sogenannten Merit-Order-Modell. Der Preis der teuersten Erzeuger, dessen Elektrizität noch gebraucht wird, definiert den Börsenkurs für den gesamten dort gehandelten Strom.
Das Resultat waren sagenhafte Profite etwa für Betreiber von Wind- und Solarparks oder Braunkohlemeilern, die Elektrizität zu einem Bruchteil der Kosten generieren können.
Diese Übergewinne schöpfen Staaten wie Deutschland nun ab – unter anderem, um damit die neuen Strom- und Gaspreisbremsen für die Endverbraucher zu finanzieren. Das birgt auch Gefahren: etwa dass den Unternehmen Kapital fehlt, um in den Ausbau erneuerbarer Energien zu investieren.
Ob die Erlösobergrenze zur Dauerregelung wird, steht noch nicht fest. Der Vorentwurf der EU-Kommission, ein sogenanntes Non-Paper, hat keinen rechtsverbindlichen Charakter. Es dient als Grundlage für eine finale Beratungsrunde mit wesentlichen Interessengruppen im Strommarkt.
Bis März 2023 soll daraus der Entwurf für das neue Strommarktdesign entstehen – der dann im Rat der Staats- und Regierungschefs besprochen wird. Beschlossen wird das Marktdesign schließlich in Abstimmung mit dem Europaparlament.