Studie China wird für deutsche Firmen zum Minusgeschäft

Billig, billig, billig - das ist die Hoffnung deutscher Unternehmer, wenn sie in China einkaufen. Doch für viele geht die Rechnung nicht auf, zeigt eine aktuelle Studie, die SPIEGEL ONLINE vorliegt. Jede dritte Firma zahlt für Waren aus der Volksrepublik sogar mehr als für heimische.

Hamburg - An China kommt keiner vorbei. Ersatzteile, Vorprodukte, Dienstleistungen - fast alles beziehen deutsche Unternehmen mittlerweile aus Fernost. Mehr als zehn Prozent ihres gesamten Einkaufs wickeln die Firmen in China ab. Hauptargument: der niedrige Preis. Doch lohnt sich das Geschäft tatsächlich?

Nicht immer, sagt eine aktuelle Studie, die SPIEGEL ONLINE vorliegt. Erstellt wurde sie von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers (PwC) in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). Das bittere Resümee: Jedes dritte befragte Unternehmen kommt bei der Beschaffung in China teurer weg als in Deutschland.

Bisher ist man wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass Waren aus China günstiger seien als aus Deutschland. Viele Zulieferbetriebe in Deutschland mussten in den vergangenen Jahren sogar Mitarbeiter entlassen, weil sie sich gegen die chinesische Konkurrenz angeblich nicht mehr durchsetzen konnten. Diese Logik stellt die PwC-Studie nun auf den Kopf: "Unternehmen sind gut beraten, ihre Beschaffung in China kritisch zu prüfen", schreiben die Autoren.

Laut Untersuchung liegt der durchschnittliche Preisvorteil von chinesischen Produkten bei zehn Prozent. In ungünstigen Fällen zahlen die Firmen aber auch deutlich mehr.

Ursache sind oft Planungsfehler. Viele Unternehmen verkalkulieren sich bei den Transportkosten nach Deutschland, was vor allem bei steigenden Treibstoffpreisen teuer wird. Viele vernachlässigen auch die hohen Kosten für die Qualitätssicherung - in China hergestellte Produkte müssen oft aufwendig kontrolliert werden. Dies verursache "erhebliche Kosten", berichten rund vier von zehn Unternehmen. Nach dem reinen Frachtaufwand sind sie schon der zweitwichtigste Kostenblock.

Bis zu 30 Prozent höhere Preise

Das Absurde: Manche Großunternehmen entscheiden sich auch ganz bewusst für China, obwohl die Beschaffung in Deutschland günstiger wäre. Ausschlaggebend sind strategische Überlegungen. Frei nach dem Motto: In China muss man einfach dabei sein. Außerdem wollen es sich die Firmen mit den örtlichen Behörden nicht verderben - zu verlockend ist der Riesenmarkt. "Die chinesische Regierung achtet bei der Auftragsvergabe darauf, dass ein Teil der Wertschöpfung im Inland erfolgt", sagt PwC-Experte Harald Kayser.

Dazu passt der Bericht des Einkäufers eines großen Unternehmens aus der Automobilindustrie, den die Studie zitiert. Demnach habe der Vorstand die Maxime ausgegeben, es sei ein bestimmter, überdurchschnittlich hoher Anteil an Zulieferteilen aus China zu beschaffen. Wegen der hohen Nachfrage in der Volksrepublik führe dies aber dazu, dass gegenüber Deutschland bis zu 30 Prozent höhere Preise in Kauf genommen werden müssten.

Für die Studie wurden insgesamt 203 Unternehmen befragt, die in China Geschäfte machen, darunter viele Konzerne und große Mittelständler. Knapp ein Drittel der Firmen erzielt einen Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro.

Die Abhängigkeit von China wächst

Besonders brisant: Die meisten Unternehmen erwarten in China sogar noch weiter steigende Kosten. 94 Prozent gehen von höheren Lohnkosten aus, 93 Prozent erwarten starke Erhöhungen bei den Treibstoffkosten. "Unternehmen, deren Beschaffungskosten bereits jetzt hoch sind, werden es künftig noch schwerer haben, profitabel in China einzukaufen", heißt es in der Studie.

Trotzdem halten die Firmen an China fest. Drei Viertel der Befragten gaben an, dass das Land als Beschaffungsmarkt an Bedeutung für ihr Unternehmen gewinnen werde. Lediglich vier Prozent erklärten, die Bedeutung Chinas werde abnehmen. Für Deutschland sind die Erwartungen dagegen düster: 30 Prozent der Befragten wollen hierzulande weniger einkaufen. "Damit steigt die Abhängigkeit deutscher Unternehmen vom chinesischen Markt", schreiben die Studienautoren.

PwC-Experte Kayser warnt Entscheidungsträger bereits vor einer zu starken Fokussierung auf China. Die Firmen müssten ihr Kostenmanagement besser in den Griff bekommen, sie sollten unternehmensübergreifende Logistikkooperationen eingehen - und sie sollten in anderen Ländern einkaufen. "Erfolgreiche Unternehmen richten sich nicht einseitig auf China aus."

wal

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