Zur Ausgabe
Artikel 43 / 100

Studie: Die Franzosen kommen nicht mit

*
aus DER SPIEGEL 6/1987

Wenn Außenminister Hans-Dietrich Genscher am Freitag nach Paris fliegt, trägt er schwere Ware im Gepäck: eine undiplomatisch harte Analyse der französischen Wirtschaft. Die Studie wurde Genscher am 19. Januar telegraphisch von der deutschen Botschaft in Paris übermittelt. »Noch sind in Frankreich die Voraussetzungen für eine Wettbewerbsgesellschaft nicht voll gegeben«, heißt es in dem Telegramm. Herablassend stellen die Botschaftsexperten fest, für den Einsatz des Kapitals im industriellen Bereich« fehle den Franzosen »immer noch die psychologisch-intellektuelle Prädisposition«. Beklagenswert sei auch, daß der Gewinn - »Nachklang des mittelalterlichen Raubgedankens« - im Partnerland nimmer noch als ungerechtfertigte Bereicherung angesehen« werde. Grund: »Der Umstand, daß im Frühkapitalismus der Staat bestimmten Privaten, vor allem Adeligen industrielle Monopole und damit bis heute erhaltene Riesenvermögen zuschob, hat diese Vorstellung insbesondere in der Arbeiterklasse festgeschrieben.« Den französischen Unternehmen, monieren die Diplomaten, fehle der lange Atem, sich gegen die Konkurrenz aus anderen Industrieländern zu behaupten, »nachdem die Kolonien bzw. die Frankophonie weitgehend als Abnehmer vornehmlich qualitativ nicht anspruchsvoller Waren ausgefallen sind«. Und weiter: »Kalkulieren im industriellen Bereich ist ein Problem, an dem viele ihre Grenzen finden«. Fazit der deutschen Diplomaten: Frankreich habe »noch keinen gesicherten Platz im Spitzenpeloton« der Industrienationen.

Zur Ausgabe
Artikel 43 / 100
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten