Blockade im Suezkanal Großreedereien schicken Frachter auf den Umweg

Kurs aufs Kap der Guten Hoffnung: Reedereien schicken ihre Schiffe nun auf den 5500 Kilometer langen Umweg um die Südspitze Afrikas. Damit ist das Chaos programmiert.
Mehr als 300 Schiffe stauen sich bereits am Suezkanal

Mehr als 300 Schiffe stauen sich bereits am Suezkanal

Foto: KHAL ED ELFIQI / EPA

Nachdem die Bergung des gestrandeten Containerschiffs »Ever Given« im Suezkanal mehrmals gescheitert ist, lenken internationale Reedereien ihre Frachter nun um. Der Weltmarktführer Maersk aus Dänemark gab am Samstag bekannt, dass 14 seiner Schiffe statt durch den blockierten Kanal dann rund um Afrika herum fahren. Auch große Wettbewerber wie Hyundai aus Korea, Yang Ming aus China und One aus Singapur haben mehrere Schiffe auf die Route entlang des Kaps der Guten Hoffnung beordert.

Deutschlands größte Containerreederei Hapag-Lloyd steht nach eigenen Angaben ebenfalls kurz vor diesem Schritt. Acht Hapag-Lloyd-Schiffe stecken vor den beiden Kanaleinfahrten in einem Stau von insgesamt mehr als 300 Schiffen.

Damit ist wochenlanges Chaos im internationalen Güterverkehr programmiert. Der Umweg über das Kap an der Südspitze Afrikas dauert auf der Route Westeuropa-Ostasien laut Maersk zwischen fünf und acht Tage und ist rund 3000 Seemeilen lang (gut 5500 Kilometer).

Container werden zur Mangelware

Zwar dürften die zusätzlichen Kosten für die Reeder noch halbwegs verschmerzbar sein, da die Treibstoffmehrkosten ähnlich hoch sind wie die Kanalgebühren. Doch die gesamten, fein austarierten Zeitpläne der Flotten und Häfen geraten nun komplett aus dem Takt. In vielen Zielhäfen drohen weitere Verstopfungen, wenn die verspäteten Frachter vom Suezkanal und pünktliche Schiffe anderer Herkunft gleichzeitig eintreffen. Auch die Rücktransporte verspäten sich – besonders die von Leercontainern, die in vielen asiatischen Häfen schon seit Monaten knapp sind. Wenn es dort keine Behältnisse für die Waren mehr gibt, sind weitere Verzögerungen programmiert. Oder gar komplette Lieferausfälle.

Der seit Dienstag anhaltende Stau im Suezkanal wird von Tag zu Tag mehr zum Problem für die Weltwirtschaft. Laut einer Schätzung der Branchenexperten von Lloyd's List werden an normalen Tagen Waren im Wert von etwa 9,6 Milliarden US-Dollar (rund 8 Milliarden Euro) durch den Kanal transportiert: langlebige Konsumgüter wie Möbel, Unterhaltungselektronik, Fitnessgeräte – aber auch Bauteile für Autos oder chemische Produkte, deren Fehlen die Produktion von Industriebetrieben in Europa oder Asien zum Stillstand bringen könnte.

Freilegung schreitet in kleinen Schritten voran

Am Suezkanal schreitet die erhoffte Freilegung der »Ever Given« laut Beteiligten in kleinen Schritten voran. Die Kanalbehörde wollte am Samstag keinen Zeitrahmen nennen. Das Bergungsunternehmen Smit Salvage äußerte sich dagegen optimistischer.

Schon vor dem Unglück war die Lage im weltweiten Containerverkehr angespannt. Viele Schiffe in Richtung Westen sind randvoll, weil die Nachfrage in Europa und Asien nach Ware aus Fernost zurzeit extrem groß ist. Reservekapazitäten lassen sich kaum mobilisieren. Und da nicht abzusehen ist, wann sich die »Ever Given« befreien lässt, gehen viele Reedereien nun auf Nummer sicher und nehmen die Verspätung auf der Kap-Route in Kauf.

Nach Berechnungen des Kopenhagener Analysehauses Sea Intelligence reduziert sich die gesamte weltweite Frachtkapazität allein durch diese Umwege um sechs Prozent, da die Schiffe erst später für die nächste Tour zur Verfügung stehen. Dies werde »globale Konsequenzen« haben und zu »ernsten Kapazitätsknappheiten« führen, prophezeit Sea Intelligence in einer E-Mail an den SPIEGEL.

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