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Wirtschaft in Syrien: Kriegsgewinnler im Präsidentenpalast

Foto: Muhammed Muheisen/ AP

Stillstand und Schattenökonomie Wie der Krieg Syriens Wirtschaft zerstört

Lebensmittel werden rar, die Währung stürzt ab, ganzen Branchen droht der Stillstand. Syriens Wirtschaft leidet immer stärker unter dem Krieg. Das Ende der Kämpfe rückt durch den ökonomischen Niedergang dagegen kaum näher.

Der Geschäftsmann, nennen wir ihn Wissam, arbeitet in einer Branche, die eigentlich brummen müsste: Wissam, der seinen echten Namen nicht veröffentlicht sehen will, macht in Krankenhaus-Bedarf. Verbände, Einwegspritzen, Desinfektionsmittel: Produkte, für die es im immer blutiger werdenden syrischen Bürgerkrieg traurigerweise großen Bedarf gibt. Nur leider hat Wissam kaum noch Chancen, seine Produkte zu verkaufen.

"Mehr als 50 Prozent der Infrastruktur des Gesundheitssystems in Syrien ist zerstört", sagt der Mittvierziger. Von den 75 staatlichen Krankenhäusern seien nur noch weniger als 30 in Betrieb. In der stark umkämpften Stadt Homs sei nur noch eins von 20 Hospitälern geöffnet. Das Al-Kindi-Krankenhaus in Aleppo, einst mit 600 Betten eines der größten und modernsten Syriens, ist nur noch ein Haufen Schutt.

Wissam sagt das alles ganz sachlich: Dass die Zerstörung der Krankenhäuser allgegenwärtig ist. Dass verletzte oder kranke Syrer kaum noch ärztliche Hilfe bekommen. Dass das Geschäftsleben "eines langsamen Todes stirbt".

Während die Welt debattiert, wie sie auf den möglichen Einsatz von Giftgas in Syrien reagieren soll, während die USA bereits ihre Zerstörer vor der Küste des Landes in Position bringen, hat der seit zweieinhalb Jahren tobende Bürgerkrieg Syrien nicht nur eine humanitäre Katastrophe ausgelöst - sondern auch die Wirtschaft des Landes gelähmt. Wobei die Wirtschaftslage wiederum über den Ausgang des Bürgerkriegs mitentscheiden könnte.

Zahlen und Fakten zu den kriegsbedingten Problemen sind deshalb Staatsgeheimnisse. Doch gibt es Indizien, die zeigen, wie prekär die Lage ist. Indizien, zu denen auch der von Wissam beschriebene Zerfall der Gesundheitsbranche passt.

Krieg bedeutet Stillstand

Experten schätzen, dass in Syriens Wirtschaftsmetropole Aleppo inzwischen 75 Prozent der Produktionsstätten stillstehen. Einige Fabriken wurden von Geschossen getroffen; andere brannten nieder; wieder andere werden von Kämpfern als Stützpunkt benutzt. Und ein großer Teil der Produktionsstätten kann wegen der prekären Sicherheitslage gar nicht mehr angefahren werden.

Transportschwierigkeiten haben auch die syrische Landwirtschaft stark getroffen. Bauern können ihre Felder nicht mehr bestellen und ihre Produkte nicht mehr verkaufen. Lebensmittel werden knapp und immer teurer. Die Bevölkerung leidet. Wut und Verzweiflung wachsen. Das Regime in Damaskus versucht gegenzusteuern. Es importiert Getreide, Reis und Zucker.

Auch die unter anderem von der Europäischen Union verhängten Sanktionen haben Syrien hart getroffen. 95 Prozent des geförderten Öls wurde früher nach Europa verkauft; nun ist die Nachfrage eingebrochen. Nur noch wenige Staaten kaufen Damaskus (teils unter der Hand) Öl ab - zu deutlich niedrigeren Preisen.

Das syrische Pfund hat inzwischen ein Drittel seines Werts verloren - obwohl Länder wie Iran, China und Russland die Währung nach Angaben von Vizewirtschaftsminister Kadri Jamil stützen.

All das schadet der Konjunktur, auch wenn kaum einer weiß, wie schlecht es wirklich um Syriens Wirtschaft steht. Wie stark das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr geschrumpft ist - ob um zwei Prozent oder um zehn Prozent -, darüber gehen die Schätzungen auseinander.

Das Regime spart Geld

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters soll das Regime Vorstöße unternommen haben, an Guthaben auf Auslandskonten heranzukommen, die im Zuge der Sanktionen gegen Syrien eingefroren worden waren. Was ein Zeichen der Verzweiflung sein könnte.

Vor dem Bürgerkrieg hatte der Weltwährungsfond die syrischen Devisenreserven auf etwa 13,5 Milliarden Euro geschätzt. Ob das Geld nun aber wirklich zur Neige geht, ist unklar. Denn Gerüchten zufolge verfügt das Regime neben der offiziellen Reserve über weitere geheime Rücklagen in Milliardenhöhe. Kamil zufolge soll Teheran den syrischen Machthabern zudem unbegrenzt Kredit für Nahrungsmittel und Ölprodukte geben.

Zudem spart das Regime wohl zum Teil Kosten. Assads Regierung beschäftigt zwischen ein bis zwei Millionen Menschen im Staatsdienst. Deren Gehälter sind nun billiger geworden. Denn Öl wird traditionell in Dollar gehandelt; durch den Verfall des syrischen Pfunds muss die Regierung weniger davon verkaufen, um dieselben Einnahmen wie zuvor zu erzielen.

Auch spart der Staat einen Teil der sonst üblichen Subventionen: Vor dem Krieg hatte Damaskus für die Versorgung des Landes etwa sechs Milliarden Euro jährlich ausgegeben. Nun dürfte es weniger sein. Denn an die von Rebellen kontrollierten oder nicht zugänglichen Gebiete werden kaum subventionierte Güter wie Kochgas, Treibstoff oder Strom geliefert.

Dass die Sanktionen das Endes des Krieges beschleunigen könnten, wollen syrische Geschäftsleute deshalb nicht glauben. "In Irak haben Sanktionen 13 Jahre lang das Wirtschaftsleben zerstört", sagt Wissam. "Trotzdem hat sich Saddam Hussein an der Macht gehalten. Wir haben den Krieg noch nicht mal zur Hälfte hinter uns."

Die Profiteure der wirtschaftlichen Erosion sind indes meist Kriminelle. In den von Rebellen kontrollierten Gebieten ist eine Schattenwirtschaft entstanden. "Regime-Offiziere lassen sich dafür schmieren, dass sie bestimmte Stadtviertel oder Dörfer schützen", sagt Wissam. Netzwerke von Schmugglern würden durch den Verkauf von Lebensmitteln, Waffen und Treibstoff steinreich.

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