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UNTERNEHMEN Tanzen wie Bären

Der Oberhausener Maschinenbau-Konzern Babcock hat sich im Auslandsgeschäft verrechnet; Millionenverluste sind die Folge.
aus DER SPIEGEL 26/1980

Der Spitzenmann des Krupp-Konzerns wollte ihn zu seinem Generaldirektor machen. »Er ist«, meinte Berthold Beitz, »einer der Besten an der Ruhr.« Auch Flick-Gesellschafter Eberhard von Brauchitsch war voll des Lobes: »Er führt seinen Konzern glänzend.«

So gute Beurteilungen dürfte Hans Lorenz Ewaldsen, Generaldirektor der Maschinen- und Anlagengruppe Deutsche Babcock, derzeit wohl seltener hören. Denn seinem Oberhausener Konzern (Umsatz: 4,4 Milliarden Mark) drohen im laufenden Geschäftsjahr dreistellige Millionen-Verluste aus ausländischen Großprojekten.

Seit der Kraftwerkbau stockt, muß Babcock zudem in wichtigen Inlandssparten mit roten Zahlen rechnen. So verdankt es Ewaldsen nur den Gewinnen vergangener Boomjahre, daß sein Konzern nicht in Schwierigkeiten gerät.

Es war wohl nicht nur Pech: Zum erstenmal in seinen dreizehn Jahren an der Babcock-Spitze muß sich der Vorstandschef jetzt vor seinen Aufsichtsräten für gravierende Managementfehler rechtfertigen.

Die größte Fehlkalkulation unterlief ihm bei einem 500-Millionen-Mark-Projekt in Kuweit. Die Folge sind Verluste von rund 120 Millionen Mark.

Den Auftrag über acht Dampferzeuger für das Ölkraftwerk Doha-West hatten neben den Deutschen auch Japaner holen wollen. Um die Konkurrenten auszubooten, reichten die Babcock-Manager ein Angebot ein, mit dem kaum Gewinn zu machen war.

Rund 100 Millionen Mark Verluste muß »der schnelle Ewald« (hausinterner Spitzname) nach Schätzungen seiner Finanzexperten im Iran abschreiben. Obwohl sich die Perser noch während des Schah-Regimes mit knapp über 25 Prozent an dem Ruhrkonzern beteiligt hatten, gehen seit dem Umsturz in Oberhausen kaum noch Aufträge aus Nachforderungen ein. Babcock ist nur noch mit letzten Feinarbeiten am Ölkraftwerk Neka beschäftigt.

Auch in Algerien, so fürchten Insider, werden nach der Endabrechnung nur Verluste bleiben. Die Oberhausener ließen sich von ihren Geschäftspartnern Vertragsklauseln aufzwingen, die ihnen unerwartete Zusatzkosten bescheren.

Die Nordafrikaner verlangten von Babcock die schlüsselfertige Übergabe von vier Textilfabriken zu einem festen Termin. Als Generalunternehmer müssen die Deutschen selbst für Schlampereien bei der algerischen Zollabfertigung und für Mängel von einheimischen Subunternehmern einstehen.

Ärger hat Ewaldsen auch in Libyen. Dort hatte er selbst seinem Unternehmen einen 1,3-Milliarden-Mark-Auftrag für ein Kraftwerk und fünf Krankenhäuser beschafft. Eine Schmiergeldaffäre hat die Geschäftsbeziehungen zwischenzeitlich arg getrübt.

Ewaldsen wird sich schwertun, seinen Aktionären die Serie von Fehlschlägen zu erklären. Allenfalls das Desaster im Iran läßt sich leicht entschuldigen.

Gerade mit dem Verkauf von kompletten Anlagen im Ausland hatte Ewaldsen das große Geld machen wollen. Knapp 60 Prozent des Babcock-Umsatzes kamen im vergangenen Geschäftsjahr von jenseits der Grenze.

Um seine einstige Kessel- und Schornsteinfabrik krisenfest zu machen, hatte Ewaldsen seit Anfang der siebziger Jahre seinen Konzern hauptsächlich im Maschinen- und Anlagenbau ausgebaut. Von Oberhausen aus werden inzwischen 73 Tochtergesellschaften und Beteiligungsfirmen dirigiert.

Zehn verschiedene Produktgruppen, von der Umwelttechnik über den Industriebau bis hin zur Lüftungs- und Klimatechnik, gehören heute zum Babcock-Programm. Der Konzern verkauft Meerwasserentsalzungs-Anlagen, Kraftwerke, Müllverbrennungsanlagen und Zellstoffabriken.

»Mit unserem früheren Produktionsprogramm«, meint Ewaldsen, »wären wir nach dem Kraftwerksbau-Stopp der letzten Jahre heute mit Sicherheit pleite.«

Diese Einsicht hinderte ihn nicht, die überwiegend vom Kraftwerksbau abhängige Konzernsparte Rohrleitungstechnik so auszubauen, daß Babcock schließlich dicht zum Marktführer Mannesmann aufrückte. Die Quittung folgt in diesem Geschäftsjahr: ein Minus von 60 Millionen Mark.

Auch ein Ausflug in den Einzelhandel ging daneben. Bereits ein Jahr nach dem Kauf einer Verbrauchermarktkette mußte Ewaldsen sie wieder abstoßen. Verluste handelte er sich dann auch ein, als er Anfang der siebziger Jahre in das Kunststoffmaschinen-Geschäft einstieg.

Solche Fehlinvestitionen plagen den für seine einsamen und schnellen Entschlüsse bekannten Babcock-Chef indes wenig: »Ruckzuck« (Ewaldsen) trennt er sich wieder von seinen unrentablen Neuerwerbungen.

Im gleichen Stil geht Ewaldsen auch vor, wenn Fabriken stillzulegen und Leute zu entlassen sind. Während in anderen Firmen die zuständigen Spartenchefs und der Personalvorstand Sozialpläne aushandeln, macht das bei Babcock der Chef alles selbst.

Dabei zeigt er sich dann oft gar nicht kleinlich. Um keinen Dauerkrach zu riskieren, zahlt Ewaldsen den Arbeitern seiner Oberhausener Gießerei, die dieser Tage entlassen werden, bis zu 16 000 Mark Abfindung. Wenn sie in einen anderen Babcock-Betrieb wechseln, bekommen sie etwas draufgezahlt.

Die Babcock-Manager allerdings kennen einen anderen Ewaldsen. Sein ruppiger Umgang ist revier-berüchtigt.

Die Kollegen im Konzernvorstand konfrontiert der Babcock-Chef meist mit fertigen Beschlüssen. Damit die Vorstandsvorsitzenden seiner Tochterfirmen nicht zu eigenmächtig werden, S.41 schickt er, ohne Konsultation, neue Manager in die Vorstände. Wer nicht spurt, darf gehen. Ewaldsens Devise: »Einer muß das Sagen haben.«

So wandern viele Babcock-Manager zur Konkurrenz ab. Karl Franzmann, jahrelang Chef der Berliner Tochter Borsig, ging Anfang Februar zum Stahlkonzern Salzgitter. Nach kurzem Gastspiel in Babcocks Klimatechnik-Firma Balcke-Dürr zog es Ernest Volckmar zum Aachener Unternehmen Krantz. Dem Schweden Olof Enmark reichten zwei Jahre bei Babcock; er ging zur AEG.

»Der läßt«, mokiert sich ein Aufsichtsrat über Ewaldsens Personalführung, »seine Leute tanzen wie Bären.«

Da könnte bald wieder einer dran sein: Der Chef macht seinen Vorstandskollegen Eberhard Bitterlich für die teure Panne in Kuweit verantwortlich.

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