Telekom-Affäre Obermann dementiert Überwachung von Bankdaten

Telefonverbindungen ja, Kontoverbindungen nein: Telekom-Chef Obermann bestreitet, dass der Konzern auch die Bankdaten von Journalisten und Aufsichtsräten überwacht hat. Die Staatsanwaltschaft geht allerdings den Aussagen eines Zeugen nach.

Bonn/Berlin - Es klingt wie in einem schlechten Krimi - aber es geht um die Deutsche Telekom: Der Konzern soll nicht nur Telefonverbindungen, sondern auch Kontodaten von Journalisten und Aufsichtsräten überwacht haben. Es gebe entsprechende Aussagen "eines Geschäftsführers einer GmbH", sagte Oberstaatsanwalt Fred Apostel am Freitag in Bonn. Er bestätigte damit in Teilen einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung". Er habe aber noch keinerlei Unterlagen gesehen, die diese Aussage belegten, sagte Apostel.

Telekom-Chef Obermann: "Muss alle Spekulationen zurückweisen"

Telekom-Chef Obermann: "Muss alle Spekulationen zurückweisen"

Foto: DPA

Die Telekom selbst will davon aber nichts wissen: Man habe keine Kenntnis von einer angeblichen Überwachung von Bankdaten. "An dieser Stelle muss ich alle Spekulationen zurückweisen", sagte Konzernchef René Obermann. Die Telekom habe die Staatsanwaltschaft bei ihren Untersuchungen unterstützt. "Alles wird sich im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Arbeit aufklären."

Bewegungsprofile einzelner Personen

Obermann reagierte damit auf einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung", demzufolge die Bespitzelung durch die Telekom "nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler" deutlich weiter gegangen sein soll als bislang bekannt. "So sollen nicht nur Telefonverbindungen, sondern auch Bankdaten von Journalisten und Aufsichtsräten ausgespäht worden sein", schreibt die Zeitung. "Zudem sollen mit einer speziellen Software Bewegungsprofile von einzelnen Personen erstellt worden sein."

Vor einer Woche hatte Obermann bereits einen Bericht des SPIEGEL bestätigt, wonach es 2005 und teilweise auch 2006 zu einem Datenmissbrauch bei der Telekom gekommen war. Ziel der Operation war es, undichte Stellen im Konzern aufzuspüren, über die interne Informationen an die Presse weitergegeben wurden. An diesem Donnerstag leitete die Staatsanwaltschaft deshalb ein formelles Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Konzernchef Kai-Uwe Ricke und den damaligen Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel ein.

Außerdem wurde das Büro des amtierenden Konzernchefs René Obermann durchsucht. Obermann selbst gilt aber nicht als Beschuldigter. Trotzdem muss er in der kommenden Woche zum Rapport nach Berlin: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will mit ihm über Datenschutz sprechen.

Damit bekommt der Skandal bei der Telekom auch eine politische Dimension - denn die Kritik an der Bundesregierung wächst: So gibt der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung dieser eine Mitschuld an der Affäre. "Die Regierung hat in den vergangenen Jahren den Datenschutz mit Füßen getreten und auf ein Minimum abgebaut", sagte ein Sprecher des Bündnisses. Dies habe Unternehmen anscheinend ermutigt, den Datenschutz weitgehend zu ignorieren und sogar ins Gegenteil zu verkehren. Bei der Telekom sei nun der "größte anzunehmende Unfall" eingetreten. Der Fall zeige, dass Daten über Bürger bei Unternehmen nicht sicher seien und zum Missbrauch verleiteten. "Gelegenheit macht Diebe", fügte er hinzu.

"Saustall Telekom muss ausgemistet werden"

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, hat Maßnahmen zur Kontrolle des Datenschutzes in der Wirtschaft gefordert. "Der Saustall Telekom muss ausgemistet werden", sagte der Politiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Die Vertraulichkeit der Daten sei die Grundlage eines Telekommunikationsunternehmens. "Was die gemacht haben, ist in etwa so, als würde ein Nahrungsmittelhersteller Gift in Nahrungsmittel geben. Das ist ein unglaublicher Vorgang", zitierte die Zeitung den Sozialdemokraten.

Die Bundesregierung sieht wegen der mutmaßlichen Bespitzelung von Journalisten und Aufsichtsräten durch die Deutsche Telekom vorerst allerdings keine Notwendigkeit für schärfere Datenschutzgesetze. Bei dem Treffen des Bundesinnenministeriums mit Unternehmen der Telekommunikationsindustrie wolle man die Branche dazu bewegen, die geltenden Bestimmungen konsequenter umzusetzen, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Das Gespräch diene aber "nicht" einer möglichen Gesetzesverschärfung, betonte sie.

Unterdessen wollen die Arbeitnehmervertreter im Telekom-Aufsichtsrat Strafanzeige erstatten. "Das hängt damit zusammen, dass bestimmte Delikte nach Datenschutzrecht nur verfolgt werden, wenn sie zur Anzeige gebracht werden", sagte Lothar Schröder, der Vertreter der Gewerkschaft Ver.di im Telekom-Aufsichtsrat, in der ARD. Am Donnerstag hatten schon die Gewerkschaften die Telekom angezeigt.

sam/Reuters/dpa-AFX/dpa/ddp

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