Telekom-Affäre Obermann steht Schäuble Rede und Antwort

Obermann zum Rapport: Der Telekom-Chef ist in Berlin mit Bundesinnenminister Schäuble zusammengetroffen, um über Konsequenzen aus der Bespitzelung von Managern und Journalisten zu beraten. Zentrale Frage: Muss das Datenschutzgesetz verschärft werden?

Berlin - Die Öffentlichkeit darf bis zum Nachmittag gespannt sein - dann will das Ministerium über die Ergebnisse des Gesprächs zwischen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Telekom-Chef René Obermann und einer anschließenden Diskussionsrunde mit Branchenvertretern informieren. Die Hoffnung auf greifbare Ergebnisse hatte Schäuble schon im Vorfeld mit dem Hinweis auf die noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen gedämpft.

Telekom-Chef Obermann auf dem Weg ins Innenministerium: Rechtsexperten halten Modell der Selbstverpflichtung für ausgereizt

Telekom-Chef Obermann auf dem Weg ins Innenministerium: Rechtsexperten halten Modell der Selbstverpflichtung für ausgereizt

Foto: DPA

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm betonte am Montag noch einmal die Zurückhaltung der Regierung: "Bundesregierung und Telekom-Branche sehen keinen Grund, rasch mit Gesetzesänderungen auf den Bespitzelungsskandal bei der Deutschen Telekom zu reagieren." Es müsse sorgfältig und ohne Hektik überlegt werden, ob gesetzliche Folgerungen notwendig seien. Die schwerwiegenden Vorkommnisse bei der Telekom müssten umfassend aufgeklärt, die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen und eine Wiederholung vermieden werden.

Ganz anders denken nicht wenige Vertreter des Koalitionspartners. So hält der Rechtsexperte der Bundestagsfraktion, Klaus-Uwe Benneter, die Selbstverpflichtung der Unternehmen für ausgereizt. Bisher habe man es "für ausgeschlossen gehalten", dass Firmen aus eigenem Interesse den Datenschutz verletzen könnten, erklärte Benneter im RBB-Inforadio. Nun müsse eine ordnungsgemäße Kontrolle der Datenspeicherung durchgesetzt werden.

Der SPD-Abgeordnete und Innenausschussvorsitzende Sebastian Edathy forderte auf NDR-Info indirekt höhere Bußgelder: "Da gibt es bislang die Obergrenze von 300.000 Euro, da kann man sich schon darüber unterhalten, ob das ausreichend ist." Beim Datenschutz sollten zudem die Bestimmungen für öffentliche Stellen und Privatfirmen angeglichen werden. Die Forderung nach neuen Gesetzen wies er zurück: "Wo es kriminelle Energie gibt, können Sie die besten Gesetze machen - wenn der Wille vorhanden ist, dagegen zu verstoßen, dann wird das weiterhin passieren. Da hilft nur ein hoher Verfolgungsdruck."

Die Möglichkeit schärferer Gesetze hatte auch Schäuble schon am Sonntagabend im ZDF angedeutet. "Die Branche selbst hat das allergrößte Interesse, dass beschädigtes Vertrauen wiederhergestellt wird." Wenn der Gesetzgeber nicht davon überzeugt sei, dass die Wirtschaft aufgrund der bestehenden Gesetze in der Lage sei, den vertraulichen Umgang mit Daten sicherzustellen, "dann muss der Gesetzgeber überlegen, was er zusätzlich tun kann".

Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit meldete dagegen Bedenken gegen vorschnelle Gesetzesverschärfungen an. Was passiert sei, "verstößt schon heute gegen Gesetze", sagte er zu Beginn der SPD-Präsidiumssitzung in Berlin. Wowereit nannte die Affäre eine "Frage von Anstand und Unternehmenskultur".

Auch der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner sagte, dies sei in erster Linie eine Angelegenheit des Unternehmens. Stegner nannte die Vorfälle "bedenklich" und im Hinblick auf die Arbeitnehmerrechte "verwerflich". Er zeigte sich jedoch grundsätzlich offen für Gesetzesverschärfungen, falls sich Defizite in der Gesetzgebung zeigten. Dann müsse man schauen, ob man die Datenschutzbestimmungen verschärfe und die Arbeitnehmerrechte stärke.

Politiker der Oppositionsparteien stellen dagegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als Ganzes in Frage. Der ehemalige Bundesinnenminister, Gerhart Baum, sagte am Montag im Hörfunksender HR-Info: "Wir schützen die Telekom-Daten gegen den Staat - und müssen uns fragen, wer schützt uns eigentlich vor den Providern, also unter anderem vor der Telekom." Die Schutzrechte der Bürger müssten durch eine Reform des Datenschutzrechtes verstärkt werden, forderte Baum. Der FDP-Politiker vertritt Ver.di in der Spitzelaffäre gegen die Telekom.

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte im Südwestrundfunk, der Gesetzgeber müsse verhindern, dass riesige Datensammlungen mit persönlichen Daten überhaupt entstehen. Der Fall Telekom beweise, wie gefährlich und verfassungsrechtlich bedenklich die Vorratsdatenspeicherung sei. Das Gesetz schreibt den Telekommunikationsunternehmen vor, Telefonverbindungsdaten ein halbes Jahr zu speichern, um sie Behörden bei der Strafverfolgung unter Umständen geben zu können.

Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele bekräftigte derweil seine Forderung, den Datenschutz ins Grundgesetz aufzunehmen. Er betonte im HR-Info: "Es muss klar sein, dass es einen Kernbereich privater Lebensführung für alle Bürgerinnen und Bürger gibt, an die weder der Staat ran darf, noch die Unternehmen." Die Linke-Innenexpertin Petra Pau kritisierte: "Man sieht jetzt, wozu die Vorratsdatenspeicherung führt und welche Begehrlichkeiten offensichtlich auch in der Wirtschaft geweckt werden."

Zunächst aber, da sind sich alle Beteiligten einig, gilt es, den Sachverhalt vollständig aufzuklären. "Wir tun alles, um zu klären, was in diesem Fall wirklich passiert ist", sagte Telekom-Chef René Obermann. In der "Bild"-Zeitung bekräftigte er, Ziel sei, das Vertrauen der Kunden in das Unternehmen zu stärken. "Kundendaten sind unser höchstes Gut. Unsere Sicherheitskonzepte werden regelmäßig fortentwickelt, überprüft und mit den zuständigen Aufsichtsbehörden abgestimmt."

Der Branchenverband VATM sieht in der Telekom-Affäre auch eine Verantwortung der Bundesregierung. "Da hat die Überwachung durch den Staat möglicherweise versagt", sagte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner der "Frankfurter Rundschau". Deshalb sei der Telekom-Gipfel in Berlin auch Ausdruck "eines deutlichen Unwohlseins der Bundesregierung". Er warf der Telekom vor, der ganzen Branche geschadet zu haben. "Das Vertrauen ist erschüttert. Darunter leiden auch Unternehmen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen. Das ist katastrophal", sagte Grützner.

Bis wann die Affäre endgültig aufgeklärt ist, dazu wagen Beobachter keine Voraussagen. Am Vormittag stellte eine Sprecherin jedoch klar, dass derzeit nicht gegen den Konzernbetriebsratschef Wilhelm Wegner ermittelt wird. "Er gehört nicht zu den Beschuldigten." Ob sich das noch ändern könne, könne sie nicht sagen. Es werde ja umfassend ermittelt, sagte die Sprecherin.

Die "Süddeutsche Zeitung" hatte gemeldet, dass die Staatsanwaltschaft derzeit prüft, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen Wegner einleitet. Dem Aufsichtsratsmitglied könnte demnach der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Last gelegt werden. Die Telekom hatte Wegner nach Medieninformationen im Jahr 2005 ausgespäht und ihm einen Kontakt zu einem Journalisten nachgewiesen. Wegner soll, so lautete der Vorwurf, vertrauliche Informationen weitergegeben haben. Der Betriebsratschef bestreitet das.

mik/AP/dpa-AFX/ddp/AFP

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