Teurer Strom Kirchen steigen ins Energiegeschäft ein
Ravensburg/Feldheim in Brandenburg - Der Winter kennt keine Nächstenliebe: Bei Dauertemperaturen unter null Grad gefriert selbst das Weihwasser im Kölner Dom; Deutschlands berühmteste Kathedrale anständig zu heizen, wäre für die Gemeinde wohl auch unbezahlbar. Nun versuchen die Kirchen, ihr Kostenproblem auf eigene Faust zu lösen. Zum Schrecken der etablierten Energiekonzerne.
Die katholische Erzdiözese Freiburg und die Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie die evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg haben ihren bisherigen Strom- und Gasliefervertrag mit Deutschlands viertgrößtem Stromunternehmen Energie Baden-Württemberg (EnBW ) gekündigt. Seit Anfang 2009 ist eine eigene Gesellschaft zur Energieversorgung der Kirchen und sozialen Einrichtungen (KSE) dafür zuständig, dass in den Gotteshäusern weder das Licht ausgeht, noch wie im Kölner Dom gefroren werden muss.
"Die gleichen Preissteigerungen wie in den vergangenen vier, fünf Jahren hätten wir nicht noch einmal verkraften können. Deswegen organisieren wir unsere Energieversorgung seit Jahresbeginn selbst", sagt KSE-Geschäftsführer Albert-Maria Drexler.
Ersparnis von zehn Prozent
Seine Gesellschaft wird künftig die Stromrechnungen an 25.000 christliche Gebäudebesitzer versenden, dazu die Gasrechnungen für etwa 5500 katholische und evangelische Häuser in Süddeutschland: an Kirchen und Pfarreien, Caritas- und Diakonie-Stationen sowie Altenheime und vor allem an die Krankenhäuser der beiden Amtskirchen mit ihrem immensen Energiebedarf. All diese kirchlichen Kunden beliefert künftig indirekt die KSE anstelle von EnBW und zwar zum eigenen Großkundenbeschaffungspreis. "Wir arbeiten nicht einmal gewinnorientiert", sagt Drexler.
Unter dem Strich benötigen die vier Kirchenkörperschaften Jahr für Jahr etwa eine Terawattstunde Gas und 400 Gigawattstunden Strom. Das entspricht ungefähr dem Energieumsatz eines kleineren deutschen Stadtwerks.
Solch eigenständige Energiebeschaffung bereitet den etablierten Energiekonzernen entsprechendes Unwohlsein. Sie verlieren erneut einen Großkunden an alternative Anbieter - in diesem Fall an ein spezialisiertes Tochterunternehmen der Freiburger Badenova. Nach Informationen von manager-magazin.de schlug allein die Gasrechnung der vier süddeutschen Kirchenkörperschaften bisher mit 50 Millionen Euro zu Buche. "Weil wir ab jetzt die letzte Handelsstufe sparen, hoffen wir, künftig zehn Prozent billiger als die Energiekonzerne zu sein", sagt Drexler.
Verluste bei der Kirchensteuer
Gebrauchen können die Gemeinden das Geld dringend. Denn nicht nur ihre Ausgaben steigen unter anderem wegen der hohen Energiepreise. Gleichzeitig drohen ihnen, in den kommenden Monaten auch noch Millioneneinnahmen wegzubrechen. Und dafür sorgt indirekt die Finanzkrise.
Weil die Bundesregierung heute entschieden hat, die Einkommensteuer zu senken, um die deutsche Wirtschaft in der Krise anzukurbeln, dürften den Kirchen Millionensummen durch die Lappen gehen. Ihre Einnahmen sind schließlich als eine Art Zuschlagsteuer von dem jeweils gültigen Einkommensteuersatz abhängig. Sollte der nun wirklich wie über Nacht beschlossen gesenkt werden, würden automatisch auch die Abgaben an die Amtskirchen sinken.
"Dieses Huckepacksystem hat tatsächlich die Konsequenz, dass das Steueraufkommen der Kirchensteuer letztlich von der finanzpolitischen Gestaltung der Einkommensteuer durch den Staat bestimmt wird", bestätigt der Frankfurter Professor Hermann Weber.
Die vier großen deutschen etablierten Energiekonzerne EnBW , Eon , RWE und Vattenfall Europe betrachten den Einfallsreichtum ihrer Kundschaft mittlerweile mit ein wenig Sorge. Zwar fällt die Zahl der aufmüpfigen Abnehmer noch kaum ins Gewicht. Aber es hat sich ein kleiner Trend etabliert: Allein im vergangenen Jahr schnellte beispielsweise die Zahl der Energiegenossenschaften, die ihre Strom- und Gasbeschaffung wie die vier süddeutschen Kirchen künftig selbst in die Hand nehmen wollen, von zuvor einigen wenigen auf mehr als hundert in die Höhe. Und jetzt wagt sogar die erste Gemeinde Deutschlands den totalen Bruch mit der Energieversorgung von außen.
Die Einwohner des Dorfes Feldheim in Brandenburg wollen künftig ihren Strom und die benötigte Wärme komplett selbst produzieren - und das zu günstigen Preisen. Dank einer Biogasanlage und eines geplanten Holzschnitzelkraftwerks sollen die Feldheimer künftig nur 16,6 Cent für eine Kilowattstunde Strom zahlen müssen. Das wäre in etwa 20 Prozent weniger als der bisherige örtliche Versorger Eon Edis günstigstenfalls verlangt. Prompt machen bisher 43 der 45 möglichen Grundstückseigentümer in Feldheim bei der neuen Projektgesellschaft mit.