Teures Transportflugzeug Airbus-Projekt A400M steht auf der Kippe
Hamburg/Davos - Wenn das Gespräch auf den Militärtransporter A400M kommt, reagiert Thomas Enders wenig erfreut. "Wir wollen den Flieger bauen. Aber nicht um jeden Preis", bekannte der Airbus-Chef beim Weltwirtschaftsforums in Davos.

A-400M-Vorstellung in Sevilla: Lust-Verlust am Militärprojekt
Foto: APDas klingt nach einer Trendwende. Bisher hatten Airbus und der Mutterkonzern EADS Gerüchte, der Flugzeugbauer wolle unter Umständen aus dem Projekt aussteigen, stets dementiert. Doch die Querelen um das Transportflugzeug kosten offenbar derart viel Nerven, Geld und Zeit, dass Enders ernsthaft an den Ausstieg denkt. Es müsse für Airbus die Chance auf Erfolg bestehen, sagt er.
Nicht nur bei dem Flugzeugbauer verliert man die Lust am A400M. Auch im Bundesverteidigungsministerium ist man genervt. Offiziell will sich das Haus von Franz Josef Jung (CDU) zwar nicht äußern. Ein hochrangiger Luftwaffenoffizier erklärt jedoch SPIEGEL ONLINE: "Die Begeisterung über die Art und Weise, wie Airbus mit dem Problem umgeht, hält sich im Bundesverteidigungsministerium sehr in Grenzen."
Das Problem, von dem der Luftwaffenmann spricht: Die Entwicklung der neuen Militärmaschine ist ein Debakel, das unangenehme Erinnerungen an die Pannenserie beim A380 weckt. Es gibt Probleme bei der Triebwerkssoftware, bei der Flugzeugsteuerung, mit der Lautstärke des Propellerantriebs. Und vor allem ist die erste Maschine noch deutlich zu schwer, wie auch Enders offen zugibt. Beim Flugzeugbau sei der "Kampf" gegen das Übergewicht aber ein typisches Problem, fügt er hinzu. Laut "Süddeutsche Zeitung" geht es derzeit um satte zwölf Tonnen.
So verzögert sich die eigentlich für dieses Jahr angepeilte Erstauslieferung mehr und mehr. Der Inspekteur der deutschen Luftwaffe, Generalleutnant Klaus-Peter Stieglitz, fürchtet laut "Financial Times Deutschland" gar, der erste Flieger für Deutschland könnte bis 2014 auf sich warten lassen - damit läge Airbus vier Jahre über der Zeit. Eine "desaströse Entwicklung", sagt Stieglitz.
"Wir sind nicht mit Airbus verheiratet"
Im Bundesverteidigungsminister werden deshalb dem Vernehmen nach intern schon vorsichtig Alternativen zum A-400M-Kauf durchgespielt. "Wir sind nicht mit Airbus verheiratet", sagt der Luftwaffenoffizier, der namentlich nicht genannt werden will. Die Bundeswehr könne eine verspätete Auslieferung von "ein, zwei Jahren" überbrücken, "indem wir unsere alten Transportmaschinen vom Typ C-160 Transall weiterverwenden", sagt er. "Aber irgendwann müssen wir darüber nachdenken, was zu tun ist, wenn das Flugzeug von Airbus länger auf sich warten lässt."
Ein Ausstieg der Bundeswehr wäre wohl der Todesstoß für das Projekt. Die Luftwaffe ist bisher der größte Kunde: Sie hat 60 von insgesamt rund 190 Flugzeugen bestellt.
Problemfälle bei Airbus
Aber auch Airbus will an dem Projekt nicht mehr unter allen Umständen festhalten. "Auf der Schiene, auf der wir jetzt sind, hat es keinen Sinn weiterzumachen. Punkt", sagt Enders. Er will jetzt die Bedingungen mit der zuständigen Rüstungsagentur Occar neu verhandeln, zu der Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Belgien und Spanien gehören. Entsprechende Vorschläge lägen der Behörde bereits vor: "Ich hoffe, dass wir im März in Gespräche darüber eintreten können", sagt Enders.
Dann soll unter anderem über eine "nicht so lange Liste" technischer Spezifizierungen gesprochen werden, wo man "Abstriche" machen müsse, sagt Enders. Vor allem aber geht es ihm darum, einen neuen finanziellen Rahmen zu finden. Denn das Hauptproblem für Airbus sind die Fixpreise, die beim Start des Projekts festgelegt wurden - und die angesichts der auftretenden Probleme die Kosten kaum mehr decken können. "Wir waren so dämlich, das damals zu unterschreiben", sagt Enders offen. Schließlich berge ein Projekt in dieser Größenordnung immer Risiken.
Nun drohen neben dem Flugzeugbauer neben den aufgeblähten Entwicklungsinvestitionen noch hohe Vertragsstrafen wegen der verzögerten Lieferung. 1,7 Milliarden Euro hat die Airbus-Mutter EADS deswegen bereits zurückgestellt.
Airbus bereut, Verträge unterschrieben zu haben
Ein schlechtes Gewissen hat der Airbus-Chef wegen des Debakels bei der Entwicklung nicht, auch wenn der eigentlich für vergangenen Sommer angepeilte Erstflug auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste. Denn Enders sieht seinen Konzern nicht als Alleinschuldigen für das Desaster. "Wir hätten den Flieger im Oktober fliegen lassen können - wenn wir Triebwerke gehabt hätten", sagt er. Die aber werden von einem Konsortium der Hersteller SNECMA (Frankreich), Rolls-Royce (Großbritannien), ITP (Spanien) und der deutschen MTU Aero Engines entwickelt. "Das war nicht die Präferenz von Airbus", sagt Enders. Doch die Politik habe diese europäische Lösung gewollt, also habe das Unternehmen der "zusammengewürfelten" Herstellertruppe zugestimmt, trotz der Risiken.
Grundsätzlich, glaubt Enders trotzdem, seien die technischen Schwierigkeiten in den Griff zu kriegen. Wenn man vergleichbare Militär-Projekte heranziehe, stehe Airbus mit dem aktuellen Entwicklungsstand "nicht schlecht da". Der Flieger werde im Vergleich zu anderen Maschinen immer noch "ein guter Flieger" sein und "weit vor jedem vergleichbaren Modell". Probleme bei einem "Flugzeugprogramm in dieser Dimension" seien vollkommen normal.
Dieses Problem sieht man auch im Verteidigungsministerium. Dort betont man zwar ärgerlich, es gebe auch Alternativhersteller auf dem Markt, es kursieren Namen von amerikanischen und russischen Produzenten. "Die fangen mit Eingang einer Bestellung aber auch bei null an, die Maschinen zu bauen", gibt der Luftwaffen-Insider aus dem Ministerium zu bedenken.