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WERTPAPIERE Ticker läuft

Eine Münchner Anlageberater-Firma, der schon seit Jahren der Aktienhandel verboten ist, läßt nicht ab vom Handel mit bedrucktern Papier.
aus DER SPIEGEL 42/1978

Der Personalbedarf des Unternehmens scheint beträchtlich und schwer zu befriedigen. Regelmäßig am Mittwoch und Sonnabend sucht die Firma per Inserat in der »Süddeutschen Zeitung« »Betriebswirte oder Mitarbeiter mit fundierten wirtschaftlichen Kenntnissen«.

Allzu hoch sind die Ansprüche an die Bewerber dann wohl doch nicht. »Wenn Sie verstehen«, so der weitere Anzeigentext, »worin sich Aktienanlagen von übrigen Kapitalanlagen unterscheiden, erhalten Sie bei uns einen lukrativen, sicheren Arbeitsplatz.«

Den wesentlichen Unterschied hat zumindest der Firmenchef Dieter W. Zuidinga, einst Verkäufer bei Bernie Cornfelds IOS, begriffen. Die schön bedruckten Wertpapiere lassen sich unschwer verkaufen, auch wenn sie wenig wert sind.

Innerhalb von vier Jahren brachte Zuidingas Münchner »Wirtschaftsticker GmbH & Co. KG« Aktien im Nennwert von über zehn Millionen Mark unter -- Wertpapiere, für die Börsenprofis anscheinend wenig übrig haben. »Die Banken lachen ja bloß«, klagt einer der geschädigten Aktienkäufer, »wenn man die wieder verkaufen will.«

Bei einer vertrauensseligen Klientel aus Professoren, Ärzten und sonstigen Freiberuflern fanden Zuidingas Angebote, die er in einem Tipdienst ("Der einzige Börsenbrief mit ständiger Kontrolle") anpries, freundliche Aufnahme. Zunächst schwatzten die kenntnisreichen Ticker-Mitarbeiter rund 450 Anlegern »Zwischenscheine für Inhaberaktien« einer »Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft Hohe AG für Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen« auf. Über drei Millionen Mark kamen zusammen.

Im September 1977 war es perdu. Die Hohe AG, an der ursprünglich Arbeiter und Angestellte der Automobilteile-Fabrik Hohe KG aus Collenberg in Franken beteiligt waren, mußte Konkurs anmelden.

Doch Zuidingas Ticker lief weiter auf Hochtouren. Für eine »Trans form AG«, die im saarländischen Bous Stanzpressen produziert, sammelte er bisher rund sieben Millionen Mark ein.

An Westdeutschlands Börsen allerdings finden sich kaum Interessenten, wenn hellhörig gewordene Wirtschaftsticker-Kunden ihre Transform-Aktien wieder loswerden wollen.

Auch Anlage-Berater Zuidinga scheint die von ihm empfohlenen Aktien nicht für sonderlich attraktiv zu halten. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls meint, Zuidinga habe seinen Kunden eine Rücknahme der weithin unbekannten Aktien zum Ausgabekurs garantiert, diese Garantie aber nicht immer eingelöst.

Das ist nett gesagt. Tatsächlich hätte die Firma überhaupt keine Aktien verkaufen dürfen. Denn schon vor drei Jahren untersagte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in Berlin »dem ältesten privaten Emissionshaus in Deutschland« (Wirtschaftsticker-Anzeige) den Effektenhandel.

Die Münchner Wirtschaftsfachleute wußten sich schon damals schnell zu helfen. Fortan wickelten sie ihren Postverkehr über eine Liechtensteiner Briefkastenfirma, die Wirtschaftsticker AG in Nendeln, ab. Verwaltung und Verkäufer der Wirtschaftsticker GmbH residierten weiter in mehreren Stockwerken eines Bürohauses an der Gabelsbergerstraße 51, 8000 München 2.

Der Wirtschaftsticker komplettierte sein Angebot mit Aktien kanadischen Ursprungs ("Perry River«, »Savanna"), bei denen den Kunden Hoffnungen auf reichhaltige Rohstoffunde gemacht wurden.

Zumindest Zuidinga wurde wieder fündig. Er verkaufte die Aktien zehn bis fünfzehn Prozent über den amerikanischen Börsennotierungen -- ein Aufschlag, den er mit den Eigenarten des Wertpapier-Geschäfts erklärt.

Vor sechs Wochen nahm der vielgeschäftige Zuidinga bei einer ausgedehnten Reise durch die USA schon mal das Gelände in Augenschein, in dem die Hoffnungen seiner Kunden begraben liegen. Seit sich die Klagen geschädigter Wirtschaftsticker-Kunden häufen, könnte der Anlage-Berater, das jedenfalls fürchten manche seiner Kunden, auf immer in die Ferne ziehen.

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