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Tinder-Manager über das Geschäft mit der Liebe »Für die Deutschen ist die beliebteste Zeit montags 20 Uhr«

Europachef Lennart Schirmer erklärt, was die Dating-App Tinder über ihre Nutzer weiß.
aus DER SPIEGEL 38/2019
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HERMANN BREDEHORST / DER SPIEGEL

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Tinder wurde 2012 in Los Angeles gegründet, heute kann man die Kuppel-App in 190 Ländern herunterladen. Der Datingdienst gehört dem börsennotierten US-Konzern Match Group. Wie viele Menschen tindern, verrät das Unternehmen nicht, doch weltweit zahlen 5,2 Millionen Kunden für Zusatzfunktionen bei Tinder. Schirmer, 34, leitete erst das Deutschlandgeschäft, seit Anfang 2019 ist er Europachef.


SPIEGEL: Herr Schirmer, Ihr Unternehmen hat die Welt nicht gerade besser gemacht: Soziologen sagen, die enorme Zahl möglicher Partner beim Onlinedating führe zu emotionaler Abstumpfung.

Schirmer: Das Gegenteil ist der Fall. Tinder wurde von der Generation Z inspiriert, den 18- bis 25-Jährigen. Sie machen die Hälfte unserer Nutzer aus. Diese Generation ist mit sozialen Netzwerken aufgewachsen. Sie kommuniziert visueller, kürzer und flüchtiger als die 40-Jährigen, aber sie ist offener und toleranter.

SPIEGEL: Und sie selektiert härter: wisch und weg?

Schirmer: Das kann man so nicht sagen. Einer Studie zufolge hat der Anteil interkultureller Ehen zugenommen, seit es Onlinedating gibt. 50 Prozent der Homosexuellen in Deutschland outen sich zuerst online. Für die Generation Z spielen Geschlecht, Schönheitsideale oder Religionszugehörigkeit kaum noch eine Rolle.

SPIEGEL: Laut einer US-Studie lernen sich heute 40 Prozent aller heterosexuellen Paare online kennen, bei gleichgeschlechtlichen sogar zwei Drittel. Es verlieben sich mehr Menschen online als in Job, Schule oder Freundeskreis. Was läuft da falsch?

Schirmer: Die Gen Z findet die Vorstellung, jemanden anzusprechen, den sie nicht kennt, offenbar komisch.

SPIEGEL: Sind wir die letzte Generation, die sich noch real kennenlernt?

Schirmer: Ich wäre ohne Tinder nie mit meiner Freundin zusammengekommen. Wir hatten ein Match und haben festgestellt, dass wir gerade auf derselben Messe in Frankfurt sind. Ich wäre dort nicht rumgelaufen und hätte Frauen gefragt, ob sie mit mir zu Abend essen wollen.

SPIEGEL: Um den Ruf von Tinder steht es nicht gut: Ihre App gilt als Marktplatz für One-Night-Stands und Seitensprünge.

Schirmer: Das ist das Bild, das Medien von uns zeichnen. Aber es stimmt nicht.

SPIEGEL: Laut einer Studie von Global Webindex sollen etwa 40 Prozent der Tinder-Nutzer in einer festen Beziehung sein. Was machen die dort, wenn sie nicht nach einer Affäre suchen?

Schirmer: Das deckt sich nicht mit unseren Zahlen. Tinder ist für Singles.

SPIEGEL: Für Paarberater Eric Hegmann sind Dating-Apps schuld daran, dass Menschen sich häufiger trennen als früher.

Schirmer: Diese Entwicklung hat lange begonnen, bevor es Tinder gab. Die Generation meiner Großeltern hat die meisten goldenen Hochzeiten gefeiert. Die Generation X, zu der meine Eltern zählen und die ohne Onlinedating groß geworden ist, hat schon eine höhere Scheidungsquote. Heute gibt es offene Beziehungen, Polyamorie und Patchworkfamilien. Tinder kam einfach zur richtigen Zeit.

SPIEGEL: Wenn heute eine Beziehung scheitert, gibt es immer noch Tinder. Womöglich kämpft man deshalb weniger für deren Erhalt.

Schirmer: Früher blieben Menschen auch mangels Alternative zusammen. Nehmen Sie das Dorf, aus dem ich komme, Bokeloh in Niedersachsen, 2500 Einwohner. Wenn da eine Beziehung zerbrach, konnte man nicht sofort etwas mit jemand Neuem aus dem Ort anfangen, man musste bedenken, was die Leute sagen.

SPIEGEL: Auf Tinder sortiert man Menschen einfach aus, wenn sie einen langweilen. So würde man in der echten Welt nicht miteinander umgehen.

Schirmer: Jedenfalls nicht in dörflichen Strukturen. Weil man weiß, den Menschen sehe ich noch die nächsten 50 Jahre. Auf Tinder gibt es die Möglichkeit, den Kontakt abzubrechen, ohne Erklärung. Warum auch nicht? Im Geschäftsleben bekomme ich auch ständig etwas angeboten und traue mich, es abzulehnen.

SPIEGEL: Tinder hat aus der Liebe ein Handyspiel gemacht. Wer richtig wischt, gewinnt ein Date.

Schirmer: Menschen kennenzulernen ist doch kein Spiel!

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