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Manager Tips für CIA

Mit geheimdienstähnlichen Methoden beherrscht der Amerikaner Michel Fribourg das wohl größte Getreidehandelsunternehmen der Welt.
aus DER SPIEGEL 17/1972

Tagelang kreuzten die Herren -- ein Russe und ein Amerikaner -- mit einer gecharterten Jacht im Mittelmeer. Eine Sturmbö vor Korsika hätte das geheime Treffen beinahe vorzeitig beendet. Doch als sich der Wind gelegt hatte, war ein Millionen-Handel perfekt: Michel Fribourg hatte von Nikolai Beloussow, Chef der Moskauer Getreide-Einkaufsgesellschaft Exportchleb, den Auftrag ergattert, 2,9 Millionen Tonnen Getreide im Wert von 137 Millionen Dollar (rund 441 Millionen Mark) in die Sowjet-Union zu liefern.

Wann immer irgendwo auf der Welt ein lukrativer Getreidehandel lockt, Michel Fribourg ist zumeist dabei. Denn mit geheimdienstlich anmutenden Methoden wie letzten Sommer beim Russen-Geschäft hat sich Fribourg zum bedeutendsten Getreidehändler der Welt hochgeschwungen.

Mit der Akribie eines Agenten sammelt Fribourg in der New Yorker Zentrale seiner Handelsfirma Continentai Grain Co. jede Information, die dem Geschäft mit Weizen, Hafer, Gerste, Roggen, Mais und Sojabohnen nützen kann.

Horchposten in den Anbauländern und Warenbörsen Südamerikas, Afrikas, des Mittleren Ostens und Europas versorgen das New Yorker Hauptquartier täglich mit über 5000 Meldungen -- vom Wetterbericht bis hin zu drohenden Revolutionen. »Continental Grain hat seine Drähte sogar zu den Regierungen nahezu aller größeren Länder«, ermittelte »Business Week«.

Fribourgs Nachrichtendienst arbeitet so gut, daß selbst die professionellen Geheimdienstier der amerikanischen CIA häufig mit Continental-Managern essen gehen, um deren Kenntnisse für ihre eigenen Zwecke auszubeuten.

Tatsächlich erspüren die Horchposten des Kornhändlers frühzeitig politische oder wirtschaftliche Trends. So kabelte beispielsweise Continentals Mann in Hongkong, schon eine Woche bevor Präsident Nixon eine Lockerung der Handelsrestriktionen mit China verkündete, nach New York: »Zum ersten Mal behandelten. sie mich als Vertreter einer amerikanischen Firma und sprachen über die Möglichkeit amerikanisch-chinesischer Handelsbeziehungen. Es scheint, daß sie Anweisung aus Peking haben, nach Nixons Peking-Besuch den Weg für alle Handelsmöglichkeiten zu ebnen.«

Auf seine umfassenden Kenntnisse führt Fribourg es denn auch zurück, daß er heute ein Viertel des internationalen Getreidehandels kontrolliert. Seinen Umsatz schätzen Experten auf mindestens 2,5 Milliarden Dollar (über acht Milliarden Mark).

*Mit Ehefrau Mary Arm.

In Boom-Zeiten kreuzen über 25 Frachter mit 500 000 Tonnen Continental-Getreide über die Weltmeere. Allein 20 Prozent aller US-Getreideexporte verschifft Fribourg.

Nur Fribourgs Konkurrent Cargill Grain Co. in Minneapolis kann sich mit dem Getreideriesen Continental Grain noch vergleichen. Mit nur 20 Prozent Anteil am Weltgetreidehandel müssen sich hingegen Bunge & Born in Buenos Aires begnügen. In ein weiteres Fünftel des internationalen Geschäfts teilen sich das US-Unternehmen Cook & Co. und Frankreichs Louis Dreyfus. Westdeutschlands größtem Getreidehändler Alfred C. Toepfer bleiben zusammen mit etwa einem Dutzend anderer Firmen lediglich zehn Prozent. »Wenn ein privates Unternehmen ein Viertel des Weltgetreidehandels abwickelt«, urteilt Fribourg, »dann muß es sein Risiko streuen.

Tatsächlich herrscht Fribourg, der als in Antwerpen geborener Jude 1940 von London aus seine Familie vom Kontinent in die Vereinigten Staaten in Sicherheit gebracht hatte, inzwischen über ein Imperium von über hundert Firmen.

Obwohl Fribourg sein Firmenreich mit 14000 Angestellten wie in einer »Oneman-show« ("Business Week") regiert, ähnelt er mehr einem adligen Bonvivant als einem smarten US- Manager. Sein Haus in Manhattan etwa hat er mit Louis-XV.- und

Louis-XVI.-Möbeln französisch hergerichtet. 1500 Flaschen liegen im Weinkeller, viele aus den unter Kennern besonders geschätzten Jahrgängen 1928 und 1929. Einige Etiketten tragen sogar die Bezeichnung Fribourg-Bourgogne -- Relikte der Vorkriegszeit, als der Fribourg-Familienclan Anteile an den berühmten Weinbergen von Clos Vougeot besaß.

Im Frühjahr residiert Fribourg mit seiner Familie gern in seiner Pariser Wohnung. Und wenn ihm Paris nicht länger gefällt, reist der naturalisierte Amerikaner in sein Domizil in Cranssur-Sierre in den Schweizer Alpen oder nach Castalaras an der Riviera.

Das Management im Getreidereich wird durch die Reiselust des Firmenchefs kaum erschwert. Denn ohnehin, so stichelte ein Continental-Manager in New York, »findet jedesmal eine Vorstandssitzung statt, wenn Michel Fribourg alleine ißt«.

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