Toll Collect Mautfirma stellte dem Bund 300 Millionen Euro zu viel in Rechnung

Mautbetreiber Toll Collect
Foto: Soeren Stache/ dpaDer Betreiber des Systems der Lkw-Maut Toll Collect hat dem Bund offenbar überhöhte Rechnungen gestellt. Zu diesem Ergebnis kommt ein geheimer Untersuchungsbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars, den der SPIEGEL einsehen konnte. Demnach hat das Konsortium um die Hauptgesellschafter Telekom und Daimler dem Bund mindestens 298 Millionen Euro berechnet, die "nicht vergütungsrelevant" waren.
Das brisante Gutachten wurde von einem privaten Schiedsgericht in Auftrag gegeben. Es versucht seit mehr als zehn Jahren, den Streit um die Finanzierung des milliardenschweren Mautsystems beizulegen.
Hintergrund der Auseinandersetzung: Die Regierung verweigert Toll Collect jedes Jahr die Vergütung von zahlreichen Einzelbeträgen, weil diese aus Sicht des Bundes entweder nicht belegt wurden oder nicht vom Betreibervertrag abgedeckt sind. Dieses Geld will Toll Collect vor Gericht erstreiten, das Konsortium fordert mittlerweile rund zwei Milliarden Euro. Auf der anderen Seite verlangt der Bund von Toll Collect etwa 7,5 Milliarden Euro Schadensersatz, weil das Mautsystem 2005 erst mit 16 Monaten Verspätung den Betrieb aufnahm .
Nur drei Geschäftsjahre geprüft
Der Untersuchungsbericht ist ein Rückschlag für das Betreiberkonsortium. Die Wirtschaftsprüfer kommen darin zu dem Schluss, dass allein im Geschäftsjahr 2004/2005 Leistungen in Höhe von 211 Millionen Euro falsch berechnet wurden. Dabei handelte es sich vor allem um IT-Kosten und Berateraufträge. Im Geschäftsjahr 2008/2009 stießen die Wirtschaftsprüfer auf ungerechtfertigte Forderungen von 83 Millionen Euro. 2012/2013 kamen vier Millionen Euro zusammen. Wie hoch der Schaden für den Steuerzahler insgesamt ist, lässt sich noch nicht beziffern. Die Wirtschaftsprüfer haben nur drei Geschäftsjahre durchleuchtet. Der 230 Seiten starke Report liegt seit Ende 2017 im Bundesverkehrsministerium.
Im August läuft der Vertrag mit dem Toll-Collect-Konsortium aus. Die Bundesregierung plant, den Mautbetreiber vorübergehend zu verstaatlichen. Auf diese Weise hätte der Bund die Chance, Einblick in die gesamten Abrechnungen zu erhalten, heißt es aus dem Ministerium. Nur so ließe sich feststellen, welcher Schaden durch die Öffentlich-Private Partnerschaft für den Bund entstanden ist. Ob dies gelingt, ist allerdings fraglich: Schon im kommenden Jahr will die Regierung den Mautbetreiber eigentlich wieder einem privaten Betreiber übertragen. Toll Collect und das Verkehrsministerium wollten sich auf Anfrage nicht zu dem Gutachten äußern.
Zuletzt war das Betreiberkonsortium bereits durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin gegen Manager von Toll Collect in die Schlagzeilen geraten. Die Ermittler werfen den Mitarbeitern gemeinschaftlich begangenen schweren Betrug bei der Ausweitung der Lkw-Maut auf 1100 Kilometern Bundesstraßen vor. Durch bewusst überhöhte Kalkulationen sollen die Verdächtigen den Bund um mindestens drei Millionen Euro geprellt haben.
Im Mai 2017 durchsuchten Ermittler die Firmenzentrale des Betreibers. Die Ermittlungen dauern an, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage.