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REEDER Trockene Zunge

Deutsch, Banken, darunter die drei Großbanken, müssen um ihre Millionen bangen: Sie finanzierten den griechischen Großreeder Colocotronis, der in Not geriet.
aus DER SPIEGEL 3/1976

Mit Anmut ließ Else Beitz, Gattin des Krupp-Gewaltigen Berthold, die Champagner-Flasche gegen den Bug des Giganten knallen: »Vassiliki Colocotronis«, 175 Millionen Mark teuer, 370 Meter lang und 64 Meter breit, glitt -- es war der 1. März 1975 -von den Helgen der Krupp Werft AG Weser ins Fahrwasser.

Zehn Monate später war der Eigner des Supertankers dran. Minos Colocotronis, London-Grieche und Eigner der Vassiliki sowie des Schwesterschiffes »Joannis Colocotronis«, rutschte in die größte Tankerpleite der Nachkriegszeit.

Anfang Dezember begann der Geldfluß in seinem Schiffahrtsimperium zu stocken, Anfang der vergangenen Woche arbeiteten seine Gläubiger -- rund 70 Banken unter Federführung der Deutschen Schiffahrtsbank, Bremen -- an einem »rescue plan« (Schifffahrtsbank-Vorstand Walter Behrmann« um die angeschlagene Flotte des Griechen im Wasser zu halten. »Mir ist«, klagte Retter Behrmann, »die Zunge etwas trocken geworden«

Hektischer Einsatz war geboten. Denn etwa eine Milliarde Mark steckten die internationalen Rankkonsorten in die Armada des Griechen. Weil sie nach eigenem Urteil die »Sachverständigen mit dem meisten Fachwissen« (Behrmann) sind, avancierten die Deutschen rasch zu den Anführern der Hilfsaktion, die den Tanker-Tycoon doch noch vor dem Absacken retten soll.

Für ihre Rolle empfahlen sich die Deutschen überdies durch Finanzielles: Eine lange Geschäftsfreundschaft und hohe Schulden verbinden Colocotronis mit den Bremern. Schon Mitte der sechziger Jahre, als die Colocotronis-Sippe mit zwei gebrauchten Mini-Frachtern erstmals in See stach, stand die bremische Schiffahrtsbank, die im wesentlichen den drei deutschen Großbanken sowie der Staatlichen Kreditanstalt Oldenburg-Bremen gehört, dem unbekannten Griechen hilfreich zur Seite.

Die Partnerschaft bot sich an, weil die Dienste des Kreditsuchers gerade in Deutschland lebhaft gefragt waren: Zu guten Preisen kaufte Colocotronis deutschen Reedern ihre veralteten Frachter ab, ließ sie unter griechischer oder einer anderen Billig-Flagge neu registrieren, bemannte sie mit unterbezahlten Seeleuten und vercharterte sie anschließend zu günstigen Konditionen an die Verkäufer zurück.

Colocotronis kaufte und vermietete so geschickt, daß er bereits 1970 eine Flotte von 36 Tankern und 12 Trockenfrachtern dirigierte. Und obgleich er ausschließlich alte Kähne besaß, reihte sich der Neuling schon bald in die Glamour-Garde der griechischen Großreeder vom Schlage der Onassis und Niarchos, Lemos und Goulandris ein.

So erfolgreich bastelte Colocotronis sein Altwaren-Reich zusammen, daß er 1972 auf dem Höhepunkt des Tanker-Booms seinen hanseatischen Geschäftsfreunden für einen großen Coup mit neuen Schiffen der geeignete Mann schien. Auf dem Papier hatte damals die AG Weser, seit 1965 ständiger Geschäftspartner der Schiffahrtsbank, ihren »Europatanker« fertig. Was dringend fehlte, war ein Kunde für diesen ersten deutschen Supertanker.

Colocotronis griff zu. Seine erste Neubestellung lautete gleich auf vier Schiffe -- zwei der 175 Millionen Mark teuren Riesenpötte und zwei bescheidenere 40 000-Tonner. Die Deutsche Schiffahrtsbank übernahm die Finanzierung des Superauftrages großzügig, das Geschäft schien ihr sicher.

Doch wenige Monate nach der Ölkrise vom Herbst 1973 brach der Trend. Die westlichen Industrieländer drosselten ihren Verbrauch, und plötzlich waren die riesigen Tankerflotten der Griechen, Norweger und Hongkong-Chinesen ohne Beschäftigung. Mehr als 500 Tanker, darunter fünf Dutzend zum Teil nagelneue Großschiffe, dümpeln ohne Aussicht auf Einsatz in abgelegenen Buchten.

Um dem sicheren Ruin zu entgehen, forderten die Reeder von den Werften, die in den fetten Jahren großzügig vergebenen Neubauaufträge zu stornieren. Einige wie Niarchos oder der Norweger Hilmar Reksten, der von der Regierung in Oslo vor dem Bankrott gerettet werden mußte, verweigerten schlicht die Abnahme der bestellten Tanker.

Doch Colocotronis blieb hängen. Zwar erließen ihm die Werftherren die beiden kleineren Schiffe, die teuren Großtanker aber mußte er abnehmen. Colocotronis nach der Entscheidung: »Der Ölpreis muß fallen ... oder die Welt geht bankrott.«

Zum Verhängnis wurde dem Griechen schließlich eine kaufmännische Nachlässigkeit: Entgegen einer soliden Branchenregel hatte er bei Auftragsvergabe keine langfristigen Charterverträge für die ersten Dienstjahre seiner teuren Supertanker abgeschlossen.

Diesen Leichtsinn sucht Bankier Behrmann heute damit zu entschuldigen, daß als Sicherheit für die Bank »auch eine Kombination mit einer ertragsstarken Flotte« ausreichen könnte.

Doch damit war es bei Colocotronis nicht weit her. Auch der Verkauf mehrerer Frachtschiffe, laut Behrmann »Schiffe von hohem Substanzwert«, konnte nicht verhindern, daß der Kapitaldienst und die zusätzlichen Verluste aus dem Betrieb der Supertanker die Finanzen des Reeders aushöhlten.

Vor die Wahl gestellt, Colocotronis hängen zu lassen oder ihm mit Kreditstirndung und Barem über die Klemme zu helfen, entschieden sich die Bankiers für die Nothilfe -- nicht zuletzt deshalb, weil einer ihrer Aktionäre, die Deutsche Bank, bei Colocotronis doppelt engagiert ist. Sie ist sowohl in dem Kreditkonsortium der Schiffahrtsbank wie auch bei dem des zweiten Hauptfinanziers, der European-American Bank, prominent vertreten.

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