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BUNDESBANK Tüchtig verschaukelt

Finanzminister Helmut Schmidt will die Autonomie der Bundesbank beschneiden. Doch die Frankfurter Wahrungshüter haben unerwartet einen Verbündeten gefunden: Wirtschaftsminister Hans Friderichs.
aus DER SPIEGEL 34/1973

Bundesbankpräsident Karl Klasen war ganz sicher, einen tollen Coup gelandet zu haben.

Hoffnungsfroh hatte der Notenbanker im vergangenen Herbst Finanzminister Helmut Schmidt eine Wunschliste überreicht. Inhalt: detaillierte Vorschläge zur Erweiterung der Bundesbank-Instrumente, um künftig die Konjunktur besser steuern zu können. Sein Freund Helmut, so kalkulierte der politisch eher unerfahrene Bundesbankier, werde ihm die erbetene Kompetenz-Ausweitung gewiß nicht ausschlagen.

Doch Karl Klasen hatte sich verschätzt. Zwar fand der Banker, als er vergangene Woche Schmidts Entwurf zur Änderung des Bundesbank-Gesetzes studierte, darin die ausbedungenen neuen Instrumente zur besseren Geld- und Kreditregulierung -- vor allem die sogenannte

* Aktivzuwachsreserve, wonach die Banken bald gezwungen werden könnten, nicht nur wie bisher einen Teil ihrer Einlagen (wie Sparguthaben) bei der Bundesbank als zinslose Reserven zu hinterlegen, sondern künftig auch einen Teil der von ihnen zusätzlich ausgegebenen Kredite in Frankfurt stillzulegen, und die

* Kreditplafondierung, wonach die Bundesbank jedem Kreditinstitut künftig vorschreiben könnte, wieviel Geld es ausleihen darf. Im Extremfall könnten die Notenbanker sogar einen totalen Stopp für zusätzliche Kredite verordnen.

Aber über beide Steuerungsmittel sollen Klasen und seine Direktoren nicht selbständig gebieten -- ausdrücklich verlangt Schmidts Gesetzentwurf die »Zustimmung des zuständigen Bundesministers«. mithin die des Helmut Schmidt. Ein Schmidt-Helfer: »Da hat sich der Klasen tüchtig verschaukelt.«

In seinem Drang nach mehr Macht im Geldwesen und mehr Einfluß auf die Konjunktur setzte der Bundesbankpräsident unfreiwillig aufs Spiel, was die Nation noch immer als hohes Gut schätzt: die Unabhängigkeit der Notenbank gegenüber Bonn.

Denn würde der Entwurf des Finanzministers Gesetz, müßten die bislang autonomen Notenbanker in Frankfurt erstmals einen Teil ihrer kreditpolititischen Beschlüsse in Bonn absegnen lassen. Klagte Bundesbankdirektor Heinrich Innler in der vergangenen Woche: »Daß es Leute gibt, denen die Autonomie nicht gefällt, ist bekannt.«

Daß vor allem dem amtierenden Finanzminister die Macht der Bundesbank zu weit geht, hätten die Staatsbankiers freilich wissen müssen. Allzu sehr fürchtet der Bonner Macht-Pragmatiker, die zuoberst einem stabilen Geldwert verpflichteten Bundesbankiers könnten die Wirtschaft durch drastische Geldverknappung zum falschen Zeitpunkt in eine tiefe Rezession führen -- so wie sie es schon 1966/67 vorexerzierten.

Weil ihm der Kabinetts-Novize Friderichs als zu schwächlich erschien, »um den Herren in Frankfurt auf die Finger zu klopfen«, hatte sich Schmidt nach der vergangenen Bundestagswahl die für die Notenbank zuständige Abteilung »Geld und Kredit« ins Finanzministerium gezogen. Und vor Monaten schon verbreitete er intern: »Auf keinen Fall wird die Bundesbank, die politisch keinem verantwortlich ist. mehr Kompetenzen erhalten.« Die neuen Instrumente, nur in der Hand der Banker, würden tatsächlich die Macht der Frankfurter über Gebühr verstärken: Schneller und direkter könnten sie mit dem zusätzlichen Arsenal, das anders als die bisherigen Steuerungsmittel unmittelbar auf die Kreditmenge von Banken und Sparkassen wirkt, die Konjunkturentwicklung beeinflussen. Bundesbankdirektor Helmut Schlesinger frohlockt: »Der Bremsweg kann damit verkürzt werden.«

Ganz so kurz, wie von Schmidt geplant, sollen die Bremsspuren freilich auch wieder nicht werden. Denn schon formiert sich in Bonn ernst zu nehmender Widerstand gegen ein Kernstück der Schmidt-Novelle: die Kreditplafondierung.

Der bislang ganz auf Harmonie mit Schmidt eingestellte Wirtschaftsminister Hans Friderichs (der Freidemokrat über den Sozialdemokraten: »Der Herr Oberkollege") will die Bundesbanknovelle zum Anlaß nehmen, erstmals den Konflikt mit dem großen Bruder zu wagen.

Als Finanz-Staatssekretär Karl Otto Pöhl dem Wirtschaftsminister vorletzte Woche Schmidts Referenten-Entwurf präsentierte, blockte Friderichs sogleich überraschend unkonziliant ab: »Sie müssen«, beschied er den verdutzten Pöhl, »mit dem Widerstand der FDP und des Wirtschaftsministeriums rechnen.«

Hans Friderichs, der sich gern als erster Gralshüter der reinen Marktwirtschaftslehre sähe, hält die Kreditplafondierung für ein dirigistisches Instrument und wittert dahinter eine Attacke wider den freien Wettbewerb. Otto Graf Lambsdorff, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, assistiert: »Da wird doch gemogelt und geschoben. Und wieder ist ein Stück Freiheit genommen.«

Der Wirtschaftsminister stemmt sich allerdings nicht nur gegen die Kreditplafondierung -- auch das geplante Mitspracherecht Bonns will der kecke Liberale nicht dulden. »Wir dürfen«, so Friderichs, »die Autonomie der Notenbank nicht antasten.«

Froh, gegen Schmidts Angriff auf ihre geheiligte Autonomie einen gewichtigen Verbündeten in Bonn gefunden zu haben, schwenkten die Frankfurter Bundesbanker denn auch sogleich auf die FDP-Linie ein. Diskret ließen sie Bonner Journalisten wissen, daß die noch im vergangenen Herbst von ihnen geforderte Kreditplafondierung nicht so wichtig sei, die Aktivzuwachsreserve reiche schließlich auch.

Helmut Schmidt signalisiert unterdes bereits, daß er wegen des Bundesbank-Gesetzes keinen Koalitionsstreit riskieren will. Schmidts Ministerialdirektor Dieter Hiß: »Das ist doch kein Anlaß für Religionskriege.«

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