Trick wegen Sanktionen Türkei tauscht iranisches Gas gegen Gold

Not macht erfinderisch: Die internationalen Sanktionen haben Iran praktisch vom internationalen Finanzsystem abgeschnitten. Deshalb lässt sich Teheran seine Erdgaslieferungen in die Türkei jetzt in Gold bezahlen.
Von Joe Parkinson und Emre Peker
Iranisches Gasfeld: Starke Handelsbeziehung zwischen Türkei und Iran

Iranisches Gasfeld: Starke Handelsbeziehung zwischen Türkei und Iran

Foto: ATTA KENARE/ AFP

Die Türkei hat eingeräumt, dass ein plötzlicher Anstieg seiner Goldexporte in diesem Jahr auf die Finanzierung der Erdgaslieferungen an den Iran zurückzuführen ist. Entsprechende Angaben machte der stellvertretende Regierungschef des Landes, Ali Babacan, auf Nachfragen von Abgeordneten des Haushaltsausschusses im Parlament.

Der Fall zeigt, wie kreativ die Regierung in Teheran ist, die wegen seines Atomprogramms verhängten Sanktionen von Europa und den USA zu umgehen. Faktisch hat dies nämlich dazu geführt, dass der Iran vom internationalen Finanzsystem ausgeschlossen ist.

Die Türkei bezieht 18 Prozent ihres Erdgases und 51 Prozent ihres Erdöls aus dem Iran. Seit die Vereinigten Staaten auf der einen Seite und die Europäer auf der anderen Seite es nicht mehr erlauben, Teheran in Dollar oder Euro zu bezahlen, entlohnt Ankara das Land in türkischer Lira für seine Gaslieferungen. Zwar ist die Währung auf den internationalen Märkten nur von begrenztem Wert, doch zum Kauf von Gold in der Türkei ist sie gut geeignet.

"Im Wesentlichen dienen unsere Goldexporte [in den Iran] der Bezahlung unserer Erdgaslieferungen", sagte Babacan am Freitag den Abgeordneten auf eine entsprechende Anfrage. "Die Türkei deponiert das Geld für das Gas, was wir aus dem Iran geliefert bekommen, auf dem Konto der iranischen Regierung in der Türkei. ... Ich weiß nicht genau, wie sie es danach übertragen", sagte der Minister. Wie die Türkei den Iran für seine Öllieferungen bezahlt, dazu äußerte er sich jedoch nicht.

Wo genau das Gold im Iran landet, ist nicht bekannt, doch, so sagen Experten, deuteten der Umfang und die dramatische Ausweitung der Ausfuhren darauf hin, dass die iranische Regierung dabei eine Schlüsselrolle spiele.

In der Türkei ist das staatliche Kreditinstitut Turkiye Halk Bankasi für die Zahlungsabwicklung im Handel mit dem Iran zuständig, seit die USA im Januar Maßnahmen ergriffen haben, die alle Banken vom amerikanischen Finanzsystem ausschließen, die weiterhin mit der iranischen Zentralbank kooperieren. Seither können private Geldinstitute keinen Zahlungsverkehr mehr mit dem östlich gelegenen Nachbarland abwickeln.

Die Bemerkungen des Vizepremiers vom Freitag klären einen Aspekt der türkischen Handelspolitik, um den es erhebliche Spekulationen gegeben hatte, nachdem im März ungewöhnlich hohe Ausfuhren in den Iran aufgefallen waren. Das war der Monat, in dem der Iran effektiv vom weltweiten Zahlungssystem Swift abgeklemmt wurde. Seitdem kann das Land international keine finanziellen Transaktionen mehr vornehmen.

Suche nach alternativen Formen der Zahlung

Nun sucht das Land nach alternativen Formen der Zahlung für seine Energielieferungen, die die wesentliche ausländische Geldquelle darstellen, quasi die ökonomische Lebensader. Mit Lieferungen gegen chinesische Renmimbi, indische Rupien, aber auch in Gold versucht das Land, die internationalen Sanktionen zu umgehen und die steigenden Versorgungskosten für die Bevölkerung zu decken.

Experten weisen darauf hin, dass Ankara die Details ihrer Beziehungen zum Iran nur ungern öffentlich nennt, obwohl der Handel an sich nicht illegal ist. Man fürchte, den Zorn aus Washington auf sich zu ziehen, heißt es, weil die USA der wesentliche Akteur bei den Sanktionen ist. Die richten sich gegen das Atomprogramm des Landes, wobei der Westen Teheran vorwirft, insgeheim an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten, während die Regierung dies bestreitet und erklärt, das Programm diene ausschließlich friedlichen Zwecken, darunter auch medizinischen.

In den ersten neun Monaten des Jahres hat die Türkei nach offiziellen Daten für 6,4 Milliarden US-Dollar Gold in den Iran geliefert nach lediglich 54 Millionen im Jahr 2011. Damit ist die Handelsbilanz nahezu ausgeglichen, die lange dramatisch zugunsten des Irans ausschlug. Auf den Iran entfielen 60 Prozent der Goldausfuhren der Türkei, weitere 30 Prozent gingen in die Vereinigten Arabischen Emirate.

Die Goldgeschäfte hilft der Türkei, ihr Haushaltsdefizit auf 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu senken; noch zum Jahresende hatte die Lücke bei langfristig untragbaren 10 Prozent gelegen. Der kurzfristige Finanzbedarf aus dem Ausland sank ebenfalls und trug entscheidend dazu bei, dass das Land erstmals in fast zwanzig Jahren wieder ein Investment-Grade-Rating bekam und damit eine Kreditwürdigkeit, die dem Land die Refinanzierung weitaus leichter macht als bisher.

Starke Handelsbeziehung zwischen beiden Ländern

Der florierende Goldhandel mit dem Iran wird flankiert von einer ohnehin starken Handelsbeziehung zwischen beiden Ländern. Allen Sanktionen zum Trotz stieg der Warenaustausch zwischen Türkei und Iran im vergangenen Jahr um 50 Prozent auf ein Rekordvolumen von 16 Milliarden Dollar. Und in diesem Jahr werden es noch mehr sein. Allein in den ersten neun Monaten kam der bilaterale Handel auf ein Volumen von rund 18,8 Milliarden Dollar, wobei sich Exporte und Importe die Waage hielten.

Während die Goldlieferungen der Türkei in den Iran ihren Höhepunkt erreichten, als die Sanktionen der USA und der Europäischen Union in Kraft traten, gingen sie im August und September erheblich zurück, wobei in beiden Monaten auffällig hohe Lieferungen in die Emirate verzeichnet wurden, so dass spekuliert wurde, dass das Edelmetall mittlerweile seinen Weg über die Golfregion nimmt.

"Historisch gesehen ist die Türkei eigentlich ein Goldimporteur, der seine Schmuckindustrie versorgen muss", sagte Tim Ash, der Chef für die Analyse zu Schwellenmärkten bei der Standard Bank in London. "Allerdings scheint es jetzt, als wenn das Gold genutzt wird, um die Nachfrage im Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu decken." Es gebe einige Befürchtungen, dass die Zahlen illegalen Handelstätigkeiten mit dem Iran widerspiegelten.

Händler auf dem Großen Basar in Istanbul, die noch immer einen nicht geringen Teil des Goldhandels der Türkei abwickeln, spekulierten seit Monaten, dass der Iran hinter der goldenen Einkaufstour steht, weil es keine erkennbar anziehende Nachfrage bei traditionellen iranischen Kunden oder Touristen gibt.

Die türkische Regierung hat einen direkten Zusammenhang zwischen steigenden Goldverkäufen und dem Einkauf von Energie immer bestritten. Der türkische Energieminister Taner Yildiz sagte im Juli, türkische Importeure zahlten für Öl und Gas in Dollar und Lira je nach Vereinbarung.

Originalartikel auf Wall Street Journal Deutschland 

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten