Überhöhte Strompreise Politiker wollen alle Energiekonzerne überprüfen

Die Abmahnung des Energiekonzerns RWE durch das Bundeskartellamt wegen überhöhter Strompreise stößt in Politik und Wirtschaft auf Zustimmung. Von einem "wichtigen Signal" und einer "Ohrfeige" für die Stromerzeuger ist die Rede. Jetzt fordern Politiker weitere Überprüfungen.

Berlin - Nach der Abmahnung des Energiekonzerns RWE   durch das Bundeskartellamt wegen überhöhter Strompreise für Industriekunden wird in der Regierungskoalition der Ruf nach einer grundsätzlichen Überprüfung der Preispolitik der Stromanbieter laut. "Es wäre gut, wenn das Bundeskartellamt das Preisgebaren aller Stromkonzerne jetzt grundsätzlich unter die Lupe nehmen würde", sagte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller (SPD), der "Berliner Zeitung".

Auf Dauer könne es nicht sein, dass die Verbrauchspreise für Haushaltskunden im Schnitt doppelt so hoch seien wie die für Industriekunden, sagte Müller. Und selbst die seien laut Bundeskartellamt schon zu hoch. "Auch die Privatkunden müssen beim Strompreis jetzt entlastet werden", forderte der Staatssekretär.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Ulrich Kelber, sprach sich nach Angaben der Zeitung dafür aus, die durch die überhöhten Preise zusätzlich erzielten Gewinne der Konzerne abzuschöpfen. "Man könnte dann einen Teil des Geldes an die Verbraucher zurückgeben", sagte Kelber. Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Edda Müller, warnte die Privatkunden jedoch vor zu großen Hoffnungen auf Rückerstattungen. Dazu müsse erst ein gesondertes Verfahren eingeleitet werden, sagte sie der "Frankfurter Rundschau".

Zuvor hatte das Bundeskartellamt den zweitgrößten deutschen Energiekonzern RWE abgemahnt, weil dieser die vom Staat kostenlos erhaltenen Verschmutzungsrechte auf den Strompreis geschlagen und diesen so in die Höhe getrieben hatte. Das Verfahren betraf allerdings nur den Strompreis für Industriekunden und nicht für Privatkunden. Auch gegen den größten deutschen Stromkonzern E.on   werde ermittelt, erklärte die Behörde. Zudem sei eine Ausweitung der Untersuchungen auf die beiden anderen großen deutschen Anbieter Vattenfall   und EnBW   möglich.

Glos setzt auf Novelle des Kartellgesetzes

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte, das Kartellamt zeige, dass es seine Aufgabe ernst nehme. Er wolle es dem Amt künftig leichter machen, gegen ungerechtfertigte Preiserhöhungen vorzugehen, solange nicht genügend Wettbewerb auf den Energiemärkten in Deutschland herrsche. Er rechne damit, dass die dafür geplante Novelle des Kartellgesetzes noch im ersten Halbjahr 2007 in Kraft trete, sagte er der "Rheinischen Post". Dann könne auch die Strompreisgestaltung für Privatkunden effizienter untersucht werden.

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, warf den vier großen Energiekonzernen in Deutschland vor, sich wie Besatzungsmächte aufzuführen. Ihre Stellvertreterin Bärbel Höhn nannte die Abmahnung eine "schallende Ohrfeige für die Energiekonzerne". Jahrelang hätten "RWE und Co. den Verbrauchern Milliarden für Emissionszertifikate in Rechnung gestellt, die sie selbst nicht einen Cent gekostet haben", sagte sie der "Frankfurter Rundschau". Insgesamt seien Privathaushalte und Betriebe um rund fünf Milliarden Euro pro Jahr geprellt worden. Die Energiekonzerne seien jetzt in der Pflicht, diese "Unrechtsgewinne" auf Heller und Pfennig zurückzuzahlen. "Wenn die Energieriesen das nicht freiwillig tun, muss der Gesetzgeber sie dazu zwingen", sagte Höhn.

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) begrüßte die Abmahnung von RWE durch das Bundeskartellamt. "Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagte DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert den "Ruhr Nachrichten" in Dortmund. Die Preisgestaltung der großen Energiekonzerne müsse besser kontrolliert werden. Zwar sei die Einpreisung von Emissionsrechten nicht illegal, doch fehle dabei die nötige Transparenz. "Die Verschmutzungszertifikate sollten deshalb künftig versteigert und den Konzernen nicht wie bisher einfach umsonst überlassen werden", forderte sie. "Es muss auf Sonderregelungen für die großen Stromkonzerne verzichtet werden."

kaz/AP/ddp

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