Übernahmekampf Fiat garantiert Erhalt aller Opel-Standorte
Die Fiat-Führung ist perplex. Die vielen negativen Reaktionen aus Deutschland sind ihr unbegreiflich. Sie fühlen sich falsch verstanden. Von den Gewerkschaften, von Ministerpräsident Roland Koch - und besonders von EU-Industriekommissar Günter Verheugen. Letzterer hatte öffentlich Zweifel an der Finanzkraft des italienischen Autobauers geäußert.
Diese Zweifel scheinen allerdings unbegründet.

Logos von Fiat und Opel: Übernahme-Initiative aus Detroit
Foto: Getty Images"Es wurde klargestellt, dass die Schulden der Fiat-Gruppe nicht mit in die Ehe eingebracht werden", sagte am Sonntag ein Insider in Turin, der unmittelbar mit der geplanten Übernahme von Opel vertraut ist. "Diese Altlasten werden das Projekt nicht gefährden. Auch der problematische Bereich Nutzfahrzeuge wird von den Verhandlungen ausgespart. Es geht allein um die Sparte Fiat-Auto."
Berichte, wonach bereits am Dienstag ein Memorandum, ein "Letter of Intent", zwischen Fiat und Opel unterschrieben werden würde, seien ebenfalls nicht zutreffend: "Ein solches Papier gibt es nicht. Es hat bisher auch keine Gespräche von Fiat mit Opel-Aktionären gegeben", sagte der Insider. Fiat-Chef Sergio Marchionne hatte bereits am Freitag gesagt, dass Fiat noch kein Angebot für einen Einstieg bei Opel vorgelegt habe.
Die Initiative zur Annäherung zwischen Fiat und Opel kam nicht aus Berlin, und auch nicht aus Turin oder Rüsselsheim - Detroit hatte die Idee: "Die Amerikaner sind auf Fiat zugekommen, und zwar noch zu Zeiten von GM-Boss Rick Wagoner", ist in Turin zu erfahren. "Sie präsentierten einen sehr einschneidenden Aktionsplan für Opel und suchten offenbar dringend nach einer Lösung für das Problem GM-Europe."
In Deutschland liefen bislang alle Kontakte über das Bundeswirtschaftsministerium. Fiat hat demnach die eigenen Vorstellungen über die Fusion mit Minister Karl-Theodor zu Guttenberg besprochen. Der habe seinen Gästen die soziale Komponente einer derartigen Kooperation von Anfang an deutlich vor Augen geführt. Fiat-Chef Sergio Marchionne habe versprochen, dass die Übernahme nach europäischen Maßstäben ablaufen werde.
Dabei habe Fiat die Existenz der vier Montagestandorte in Deutschland garantiert - was allerdings nicht bedeute, dass auch die jetzigen Kapazitäten der Werke in Deutschland garantiert werden könnten.
Das Vorbild ist Volkswagen: "Ferdinand Piëch hat gezeigt, dass unterschiedliche Marken wie VW, Audi, Skoda und Seat unter ein Dach gebracht werden können, zu gegenseitigem Nutzen", sagte eine Quelle aus Berlin. "In dem Plan der Fiat wird Opel seine Identität und seine Position auf dem deutschen Markt beibehalten. Es wird weitere gemeinsame Plattformen, aber eigenständige Architekturen geben."
Seit dem Kooperationsabkommen von 2000 mit GM entwickeln Fiat und Opel gemeinsam Dieselmotoren. "Im Segment B haben Corsa und der Fiat Punto bereits eine gemeinsame Architektur", hieß es. Opel habe deswegen nicht weniger Autos verkauft. Diese positive Erfahrung solle auch auf Benzinmotoren ausgeweitet werden. Es werde daran gedacht, auch im sogenannten "Segment C" eine gemeinsame Plattform von Ope Corsa und dem Fiat Bravo zu erarbeiten.
Die Italiener sind verärgert über den nationalen Zungenschlag, der sich in die Debatte um die Zukunft von Opel eingeschlichen hat. Sie verweisen darauf, dass bereits heute zwei von sieben Top-Positionen in Turin von Deutschen besetzt seien: Chefingenieur und Produktionschef.
Selbst beim Namen des möglichen neuen Superkonzerns zeigt sich Fiat offenbar äußerst kompromissbereit: "Das neue Unternehmen kann FiatOpel heißen oder OpelFiat, das ist nicht wichtig", war in Turin zu erfahren. Es geht nicht um nationale Eitelkeiten, sondern um ein Projekt intelligenter europäischer Industriepolitik. Jemand musste die Initiative ergreifen, im Interesse von allen."
Letztere Aussage deckt sich mit der Linie des Fiat-Chefs. Marchionne betont in seinen Gesprächen immer wieder, dass er als 14-Jähriger Italien verlassen und einen Großteil seines Lebens in Kanada und den USA verbracht hat. Ihm sei die Flagge, unter der ein europäisches Industrieprojekt firmiere, nebensächlich. Die Krise von Opel könnte eine Chance sein, endlich in Europa einen zukunftsfähigen Mega-Autokonzern zusammenzuschmieden.
Für Marchionne wäre es fahrlässig, eine solche Gelegenheit nicht zu ergreifen. Man würde andernfalls in der Zukunft einen hohen Preis zahlen müssen, so äußerte er sich am Wochenende.