Überwachungsskandal Telekom-Spitzel spähte auch für die Bahn

Die Spionage-Affäre bekommt eine ganz neue Dimension: Laut "Handelsblatt" arbeitete die von der Telekom beauftragte Spitzel-Firma auch für die Deutsche Bahn. "Es ging um Telefonverbindungen, Bankdaten und die Durchleuchtung von Zielpersonen", sagt ein Insider. Die Bahn dementiert eine unzulässige Überwachung.

Düsseldorf - Die Spitzelaffäre der Deutschen Telekom   weitet sich auf ein zweites Bundesunternehmen aus. Die Deutsche Bahn hat nach Informationen des "Handelsblatts" Aufträge an dieselbe Firma vergeben, die für die Telekom Aufsichtsräte und Journalisten ausspähte. Ein Bahn-Sprecher bestätigte der Zeitung, dass es eine Geschäftsbeziehung zwischen der Bahn und der Network Deutschland GmbH gab. Deren Geschäftsführer Ralph Kühn hatte vergangene Woche zugegeben, im Telekom-Auftrag illegal beschaffte Telefondaten ausgewertet zu haben.

Bahn-Zentrale in Berlin: "Externen Sachverstand in Anspruch genommen"

Bahn-Zentrale in Berlin: "Externen Sachverstand in Anspruch genommen"

Foto: REUTERS

Der Bahn-Sprecher betonte aber, es gebe bei der Bahn "keine unzulässige Überwachung von Mitarbeitern oder externen Personen". Dass die Bahn jedoch externe Dienstleister mit Recherchen betraute, räumte er ein: "Im Rahmen unserer Korruptionsbekämpfung, die wir seit Jahren streng durchführen, haben wir in Einzelfällen im Rahmen des rechtlich Zulässigen auch externen Sachverstand in Anspruch genommen."

Die Frage, warum die Bahn für solche Nachforschungen ausgerechnet Network Deutschland engagiert hat, wollte der Sprecher laut "Handelsblatt" nicht beantworten. Auch zur Dauer der Geschäftsbeziehung, zum Auftragsvolumen sowie zur Formulierung der Aufträge habe die Bahn keine Angaben gemacht. Network-Chef Kühn war dem Bericht zufolge nicht erreichbar. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE gab die Bahn zunächst keine Stellungnahme ab.

Nach Angaben eines Subunternehmers von Kühn gleichen sich die Arbeiten, die für Telekom und Bahn ausgeführt wurden, bis ins Detail. "Es ging um die Ausforschung von Telefonverbindungen, Bankdaten und die komplette Durchleuchtung von Zielpersonen", zitiert die Zeitung den Computerexperten. Sogar Steuererklärungen seien beschafft worden. Ziele seien Mitarbeiter der Bahn und Personen im Umfeld des Konzerns gewesen.

Zwei weitere Informanten bestätigten dem "Handelsblatt", dass die Bahn gezielt an den Network-Chef Kühn herangetreten sei. "In der Branche ist bekannt, wann man Kühn holen muss", zitiert das Blatt einen Sicherheitsexperten. Kühn "besorgt Daten, die man eigentlich gar nicht legal besorgen kann".

In der vergangenen Woche hatte SPIEGEL TV Magazin bereits berichtet, dass der Spionage-Skandal weitere Großunternehmen betreffen könnte. Ex-Telekom-Sicherheitschef Hans-Jürgen Knoke sagte SPIEGEL TV Magazin, die Telekom sei mit ihren Überwachungsmaßnahmen kein Einzelfall.

Auch bei anderen großen deutschen Konzernen würden Journalisten ausspioniert. "Schauen Sie mal in andere Dax-Unternehmen. Das ist gang und gäbe. Da waren wir nicht die einzigen." Namen von Unternehmen wollte Knoke aber nicht nennen.

Angesichts der Spitzelaffäre hat der Chef der Polizeigewerkschaft GDP, Konrad Freiberg, harte Strafen gefordert. "Die Vorgänge bei der Telekom müssen mit aller Konsequenz aufgeklärt und verfolgt werden. Es geht hier um Rechtsbrüche, und die gilt es hart zu bestrafen", sagte er der "Neuen Presse". Sollte es sich bestätigen, dass es in dem Unternehmen zu Observationen gekommen sei und Bankdaten ausgeforscht worden seien, sei dies ein Skandal von einer nie dagewesenen Dimension. Freiberg forderte deshalb eine Prüfung der Gesetze. "Konzernherren benehmen sich so, als ob sie sich über den Rechtsstaat stellen wollen. Dieses Bewusstsein in den Unternehmen muss sich ändern", forderte der GDP-Chef.

Die Telekommunikationsbranche will sich nach Angaben des Branchenverbandes Bitkom für mehr Kontrollen durch den Bundesdatenschutzbeauftragten öffnen. "Wir wollen damit zeigen, dass wir in der Branche nichts zu verbergen haben", sagte Geschäftsführer Bernhard Rohleder im Deutschlandradio Kultur. Man sei sich mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten völlig einig, dass Datenmissbrauch härter bestraft werden müsse. Rohleder sprach sich allerdings gegen ein höheres Datenschutzniveau aus. Vielmehr müssten die bestehenden Regelungen konsequent durchgesetzt werden.

Bei einem Treffen im Bundesinnenministerium hatten am Montag Branchenvertreter mit Minister Wolfgang Schäuble (CDU) über mögliche Konsequenzen aus der Bespitzelungsaffäre gesprochen. Die Telekom hatte zugegeben, dass Verbindungsdaten von Aufsichtsräten und Journalisten ausgewertet wurden, um die Quelle weitergegebener vertraulicher Informationen aufzuspüren.

wal/dpa-AFX/AFP

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