Riskante Zockerei Klick it like Hoeneß

Der Fall Hoeneß sollte Investoren eine Mahnung sein. Das Zocken mit Währungskonten, Finanzwetten, Differenzkontrakten oder sonstigen Hebelprodukten birgt hohe Suchtgefahren. Am Ende gilt: Hin und her macht Taschen leer.
Von Christian Kirchner
Uli Hoeneß: Hin und her macht Taschen leer

Uli Hoeneß: Hin und her macht Taschen leer

Foto: GLYN KIRK/ AFP

In diesem Land gibt es zwei Gruppen von Menschen, die vermutlich recht gut nachfühlen können, wie Uli Hoeneß seine Freiheit und seine Karriere verzocken konnte. Da wären zum einen jene, die das vor Gericht dokumentierte Schicksal von Hoeneß kennen: Steuern zahlen zu müssen auf Kapitalerträge, obwohl mittlerweile nichts mehr von den einstigen Millionengewinnen übrig geblieben ist.

Es gibt noch eine zweite Gruppe, die Hoeneß' Schilderungen gut nachvollziehen können. Jene Anleger, die der Illusion erlegen sind, an den Kapitalmärkten könne man mit allerlei technischem Schnickschnack wie Computeranalysen, Live-Kursen, der ständigen Marktbeobachtung und häufigen Transaktionen den Anlageerfolg dauerhaft steigern.

Genau diese Illusion verkaufen hierzulande Dutzende Anbieter von Währungskonten, Finanzwetten, Differenzkontrakten und sonstigen Hebelprodukten. Um es auf den Punkt zu bringen: In 99 Prozent der Fälle werden Privatanleger mit diesen Produkten ihren Einsatz verspielen, weshalb sie tunlichst die Finger davon lassen sollten.

Dass die Guthaben ihrer Kunden fast immer in Rauch aufgehen, wissen auch die Anbieter der entsprechenden Produkte. Weshalb sie permanent auf der Suche nach neuen Kunden sind, denen man in Seminaren, pseudowissenschaftlichen Chartanalysen, Level-Irgendwas-Trading und profunden Handelssystemen näherbringen will, wie man sein Glück selbst in die Hand nehmen kann.

Selbstbetrug erster Güte

Das Zocken verbindet alle Risiken klassischer Spielsüchte mit den Psycho-Fallen, die das Handeln an den Finanzmärkten mit sich bringt - etwa die Illusion, mehr zu wissen als andere Marktteilnehmer und die volle Kontrolle zu haben. Bunt blinkende Computerfenster aktivieren die gleichen Reize und Belohnungssysteme wie der klassische Daddelautomat. Hinzu kommt ein bei vielen Anfängern am Finanzmarkt verbreiteter Glauben, allein schon die Nutzung von Echtzeitkursen in Verbindung mit der kontinuierlichen Beobachtung der Nachrichtenlage sei ein Quasi-Garant für Gewinne oder wenigstens der Verlustvermeidung.

Das tägliche Hin und Her der Kapitalmärkte öffnet die Türen für einen Selbstbetrug erster Güte: Liegt man mit seiner Spekulation richtig, schreibt man dies gern den eigenen Fähigkeiten zu, Marktbewegungen zu antizipieren. Liegt man daneben, hat eine unvorhersehbare Nachricht die Spekulation zerschossen (was ja niemand ahnen konnte!), oder der Markt ist schlicht irrational.

Und so ist die Zockerkarriere meist programmiert: Anfängliche Erfolge führen dazu, dass Spekulanten überschnappen. Anfängliche Misserfolge provozieren den Wunsch, sich die Verluste "zurückholen" zu wollen. Mit der Transaktionshäufigkeit steigt aber auch die Gefahr, bereits bei einer 50-Prozent-Trefferquote von den Gebühren der Anbieter aufgefressen zu werden. Und wie so oft sollten sich Hobbyspekulanten die Frage stellen, wieso angebliche "Handelsprofis" Seminare geben und Vorträge halten, statt ihr heißes Wissen selbst gewinnbringend einzusetzen?

Nun gibt es sie aber fraglos dennoch: Jene Menschen, die mit Zocken nicht nur ihren Lebensunterhalt bestreiten können, sondern auch enorm hohe Gewinne erwirtschaften. Auf eigene Rechnung oder für eine Bank, und das dauerhaft. Wer tatsächlich glaubt, er gehöre zu jener mikroskopisch kleinen Minderheit aller Anleger, dem seien die beiden Interview-Bücher "Magier der Märkte I & II"  des US-Autors Jack Schwager empfohlen, ehe er oder sie loslegt.

Die Bücher haben zwar bereits über zwei Jahrzehnte auf dem Buckel und wirken in der Post-Lehman-Ära wie aus der Zeit gefallen, aber von ihrer Aktualität haben sie nichts eingebüßt. Der Autor befragt Dutzende der erfolgreichsten Händler der Welt ausführlich zu ihren Biografien, Strategien und Erfahrungen. Am Ende sind es die vermeintlich feigen, streng rationalen und vor allem stets selbstkritischen Anleger, die ihre Nischen suchen und es - meist geläutert von einigen Totalverlusten - zu einem großen Vermögen gebracht haben. Vor Selbst- und Sendungbewusstsein nur so strotzende Akteure mit zehntausenden Transaktionen sind nicht darunter.

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