SPANIEN Um jeden Preis
Jose Maria Ruiz-Mateos hat wohl immer geahnt, daß er seine ehrgeizigen Pläne nur mit Hilfe einer höheren Gewalt verwirklichen könnte. Der Unternehmer, Mitglied der katholischen Laienorganisation Opus Dei, unterbrach oft ganz abrupt wichtige Konferenzen, um in einem Nebenzimmer zu beten.
Doch die Macht der irdischen Autoritäten hat Ruiz-Mateos unterschätzt: Spaniens regierende Sozialisten nahmen ihm im Handstreich sein Lebenswerk - sie enteigneten Rumasa, den größten privaten Konzern des Landes.
»Dies ist ein echter Staatsstreich«, fand ein Rumasa-Manager, der noch in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag S.134 vergangener Woche in die Konzernzentrale geeilt war. Die Zeitung »El Pais« sah das auch so und schrieb vom »23. Februar des Jose Maria Ruiz-Mateos«. Genau vor zwei Jahren hatte eine Handvoll Putschisten das Parlament gestürmt, um die Regierung zu stürzen.
Mit der Rumasa-Enteignung hat die Regierung des Sozialistenchefs Felipe Gonzalez, kaum 100 Tage im Amt, ihre erste große Affäre. Oppositionspolitiker und Unternehmensführer argwöhnen, daß die Sozialisten nun doch mit der Verstaatlichung wichtiger Wirtschaftszweige beginnen könnten. Im Wahlprogramm sind solche Forderungen längst nicht mehr zu finden.
Eilig unterrichtete Ministerpräsident Gonzalez den spanischen König Juan Carlos. Mehrfach telephonierte er mit dem Unternehmerverbandspräsidenten Carlos Ferrer Salat, um ihm die Entscheidung seiner Regierung zu erläutern.
Auch Wirtschafts- und Finanzminister Miguel Boyer mühte sich, die Rumasa-Enteignung als ein notwendiges Übel darzustellen. Die Regierung, so der Minister in einer Pressekonferenz, »vertraut auf das Marktsystem«. Sie könne nicht zulassen, daß eine große Gruppe wie der Mischkonzern Rumasa »das System durcheinanderbringt«.
Nach Boyers Darstellung mußte der Staat eingreifen, um vor allem die 60 000 Arbeitsplätze im Konzern sowie die Kundeneinlagen bei den Rumasa-Banken zu sichern. Der Konzern sei überschuldet, allein der Staat habe bis 1980 noch 21 Milliarden Pesetas (gut 400 Millionen Mark) an Forderungen gehabt.
Ganz offensichtlich hat Ruiz-Mateos die Geduld der Regierung zu sehr strapaziert. Bereits seit 1978 versuchte die Staatsbank Banco de Espana, die Lage und Geschäftspolitik des Konzerns zu durchschauen. Ruiz-Mateos verweigerte alle Unterlagen.
Vorvergangene Woche hatte Wirtschaftsminister Boyer gedroht, er werde notfalls staatliche Prüfer schicken. Doch der Rumasa-Chef erklärte vor der Presse, seine Gruppe sei gesund, Boyer sei dabei, eine »beispiellose Katastrophe der spanischen Wirtschaft zu provozieren«.
Daraufhin beschloß das Kabinett in Madrid am Mittwochabend, unter Hinweis auf die Verfassung, »zum Nutzen der Allgemeinheit« Rumasa zu enteignen. Noch in der Nacht wurde die Konzernzentrale an Madrids Plaza Colon von Polizei umstellt. Die Börsen setzten den Handel mit Rumasa-Aktien aus, die Banken der Gruppe wurden zunächst geschlossen.
Ruiz-Mateos hat sich übernommen. Aus einem Familienunternehmen, das mit Sherry handelte, hatte er einen vielschichtigen Unternehmens-Koloß mit sieben Milliarden Mark Umsatz gebaut.
Unter dem Firmenzeichen der Biene in einer Wabe beherrschte Ruiz-Mateos schließlich 400 Unternehmen. Dazu gehören 18 Banken, darunter die Banco Atlantico und die Banco de Jerez, Weinkellereien bei Jerez (Williams & Humbert) und im Rioja-Gebiet (Paternina, Bodegas, Franco-Espanolas), Textilfabriken, Hotelketten, Versicherungsfirmen und Baugesellschaften.
»Wachstum um jeden Preis« war die Devise des ehrgeizigen Unternehmers aus Andalusien, der sich das Ziel gesetzt hatte, einmal wenigstens 100 000 Leute zu beschäftigen. So kaufte er, gegen den Rat der Banco de Espana, zu der Warenhausgruppe Galerias Preciados noch die schlecht laufenden Warenhäuser von Sears Espana dazu.
Ruiz-Mateos, so Minister Boyer, habe die Einlagen seiner Bankkunden vor allem für den Aufkauf immer neuer Firmen benutzt. Die Risiken seien ständig gewachsen.
In den Tagen vor der Enteignung wurde die Situation der Banken kritisch. Aufgeschreckt durch die Attacken des Wirtschaftsministers und die arrogante Verteidigung des Konzernchefs, zogen die Anleger ihr Geld ab.
Am Sonnabend der vorvergangenen Woche wurden umgerechnet rund 14 Millionen Mark abgehoben, am Montag darauf bereits 20 Millionen. Am Mittwoch schließlich, dem Tag vor der Enteignung, verloren die Rumasa-Banken 60 Millionen Mark an Einlagen. Andere Banken lehnten jede Hilfe ab.
Jetzt, so meint der Wirtschaftsminister, brauche sich niemand mehr um sein Geld, das er den Rumasa-Banken anvertraute, zu sorgen. Die Institute seien ja nun in den besten Händen, beim Staat.
Daß sie da bleiben, ist indes keineswegs ausgemacht. Im Gegenteil, die Regierung will Teile des enteigneten Konzerns wieder zum Kauf anbieten. Spanische Privatbanken haben bereits Interesse angemeldet.
In den Unternehmen der Gruppe wird, inzwischen unter staatlichen Managern, weitergearbeitet. Die Regierung hat zugesagt, daß alle Beschäftigten ihren Arbeitsplatz behalten.
Was dagegen aus Jose Maria Ruiz-Mateos wird, ist ungewiß. Er hat sich in sein Haus, zu seiner Frau und einigen seiner 13 Kinder, zurückgezogen und schweigt.
Der Staat will ihm für das requirierte Vermögen Entschädigung zahlen. Doch was der Konzern wirklich wert ist, weiß bislang niemand: Ruiz-Mateos sagt, er habe 1981 gut 120 Millionen Mark Gewinn gemacht, Minister Boyer spricht von 180 Millionen Verlust.