Umfrage Deutsche zweifeln an sozialer Marktwirtschaft

Gierige Manager, Massenentlassungen und die Kluft zwischen Arm und Reich rühren an den Grundfesten der Gesellschaft. Nun steht der Konsens auf der Kippe: Die Mehrheit der Deutschen hat einer Umfrage zufolge ihren Glauben an die soziale Marktwirtschaft verloren.

Düsseldorf - Die soziale Marktwirtschaft galt bislang als Garant für den allgemeinen Wohlstand in Deutschland - ein jahrzehntelang gepflegter Konsens, dem sich allein Extremisten verweigerten. Diese Übereinkunft hat inzwischen offensichtlich ihre Gültigkeit verloren. 38 Prozent der Bundesbürger haben "keine gute Meinung" von der deutschen Wirtschaftsordnung und nur noch 31 Prozent "eine gute Meinung", wie eine Allensbach-Umfrage nach einem Bericht der "Wirtschaftswoche" ergab. Noch zu Jahresbeginn hatten sich demnach 39 Prozent der Befragten positiv über die soziale Marktwirtschaft geäußert.

Ludwig Erhard: Der Erfinder der sozialen Marktwirtschaft verliert Anhänger

Ludwig Erhard: Der Erfinder der sozialen Marktwirtschaft verliert Anhänger

Foto: DPA

Besonders hoch ist der Ansehensverlust dem Blatt zufolge in Westdeutschland. Zum ersten Mal haben mehr Menschen (35 Prozent) eine schlechte als eine gute Meinung (34 Prozent) von ihrer Wirtschaftsordnung. 40 Prozent der Deutschen zweifeln, ob die soziale Marktwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung zeitgemäß ist. Weitere 35 Prozent sind in dieser Frage unsicher.

Eine Alternative zur marktwirtschaftlichen Ordnung sieht allerdings mit 14 Prozent nur eine kleine Minderheit. Knapp die Hälfte der gesamten deutschen Bevölkerung traut sich kein Urteil zu, ob die Marktwirtschaft das beste System ist oder eine andere Marktordnung. Die Umfrage wurde für die Bertelsmann-Stiftung durchgeführt.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos verteidigte das Modell der sozialen Marktwirtschaft. "Ohne die Überzeugung, dass freie Märkte und nicht staatliche Dekrete die Kräfte unseres Landes am besten zur Entfaltung bringen, hätten wir diesen historisch einmaligen Aufstieg wohl nie geschafft", sagte der CSU-Politiker dem Blatt.

Als Geburtsstunde der sozialen Marktwirtschaft gilt die Einführung der D-Mark am 20. Juni 1948 und die damit verbundene Aufhebung der staatlichen Preisbindung. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den Tag als "Ereignis von wegweisender Bedeutung". In ihrer jüngsten Video-Botschaft am Samstag hob sie den "mutigen Schritt" Ludwig Erhards hervor, der vor 60 Jahren als Direktor der Wirtschaftsbehörde der britisch-amerikanischen Zone eine Aufhebung der Preiskontrolle und die weitgehende Lockerung der Bewirtschaftung verkündete. Damals habe das Wirtschaftswunder begonnen, erinnerte Merkel.

"Und es war klar: Wenn genügend erwirtschaftet wird, dann kann diese Ordnung auch eine soziale Ordnung sein." Die Soziale Marktwirtschaft habe sich bewährt. Heute stehe sie aber vor "völlig neuen Herausforderungen", sagte Merkel. Der globale Wettbewerb sei sehr viel schärfer geworden. Deutschland müsse für seine Zukunft vorsorgen. "Deshalb sagen wir: Wir müssen ab 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt haben. Deshalb sagen wir: Wir brauchen Investitionen in die Zukunft zum Beispiel drei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung.

Deutschlands Zukunft liege in der Welt der Investitionen, der Forschung und der Kreativität. "Nur so können wir das Geld erwirtschaften, das wir für die soziale Absicherung der Zukunft brauchen", erklärte Merkel.

mik/AP/ddp

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