UMTS vs. WLAN Das Verdrängungsduell fällt aus
Wien - In den letzten vier Jahren hat die deutsche Telekommunikationsbranche ein Wechselbad der Gefühle erlebt. Im Sommer 2000 hatten sechs Unternehmen noch absurd hohe Summen für das Recht geboten, bis 2020 in einem zwei mal zehn Megahertz großen Spektrum funken zu dürfen. Die Vision, die sie berauschte, heißt UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) oder 3G (dritte Mobilfunk-Generation). Grenzenloses Online-Vergnügen und Videotelefonie für alle, das war ihr Traum. Jeder der sechs stapelte pro Tag der Lizenzlaufzeit mehr als eine Million Euro auf den Tisch des Auktionators.
Schon zwei Jahre später war Ernüchterung eingekehrt. Weder Netze noch UMTS-Telefone waren in Sichtweite. Dafür schickten sich kleine Newcomer an, mit vergleichsweise preiswerten Geräten Daten noch vielfach schneller durch den Äther zu jagen. Ihre Zauberformel heißt Wireless Local Area Network (WLAN) - ohne Lizenzen und Gebühren. Journalisten und Analysten skizzierten schon den Verdrängungskrieg zwischen den lizenzlosen WLAN-Proletariern und den Kapitalisten mit 3G-Lizenz. Viele glauben bis heute, dass die Proletarier die Oberhand gewinnen und die UMTS-Konzerne blamieren werden.
Kein Recht auf ungestörtes Funkvergnügen
Tatsächlich liegt die Wahrheit in der Mitte - die WLAN-Hotspots werden UMTS nicht verdrängen, beide Angebote können koexistieren. Nach der UMTS-Ernüchterung klingt inzwischen auch der Hype um WLAN ab. Der Kauf der teueren Lizenzen, der Aufbau einer neuen Netz-Infrastruktur - all das könnte sich für T-Mobile, Vodafone und die anderen verbliebenen Lizenzinhaber zumindest aus technischer Sicht doch noch als sinnvoll entpuppen.
Denn WLAN ist keine Alternative zum Mobilfunk dritter Generation. Die versprochenen Spitzenwerte bei der Übertragungskapazität sind nur in der Theorie zu erreichen. Vor allem aber haben die Hotspots, die überall in Cafés auftauchen, an Flughäfen und sogar in Fast-Food-Lokalen einen großen Feind - den eigenen Erfolg. Der vermeintliche Vorteil des Funkstandards - seine Lizenzfreiheit - schlägt schnell in einen Nachteil um, wenn WLAN intensiv genutzt wird.
Je mehr Hotspots privat oder öffentlich betrieben werden, umso mehr Sender kommen sich gegenseitig in die Quere. Die Übertragungsgeschwindigkeiten sinken rapide, die Verbindungen werden instabil. Ein Recht auf ungestörtes Funkvergnügen aber gibt es im lizenzfreien Raum nicht. Die Auswirkungen können heute schon auf jeder beliebigen Technologiemesse beobachtet werden, wo jeder Aussteller seinen eigenen Access Point mitbringt.
"Die Firmen, die einen schnellen Profit erhoffen, werden wahrscheinlich eingehen"
So haben sich manche Mobilfunker wie etwa die österreichische tele.ring bewusst gegen das Geschäft mit öffentlichem kostenpflichtigen WLAN entschlossen. Sie erwarten, dass immer mehr Hotels und Restaurants kostenlose Hotspots als neue Attraktion für ihr Publikum anbieten. Das würde den Markt für kostenpflichtiges WLAN ruinieren. Diejenigen Anbieter, die sich ausschließlich auf den Markt für WLAN-Zugangspunkte spezialisiert haben, müssen sich auf eine lange Durststrecke einstellen.
"Die Firmen, die einen schnellen Profit erhoffen, werden wahrscheinlich eingehen", glaubt Amrish Kacker vom Telekommunikations-Consultant Analysys. Nur wer einen langen Zeithorizont hat, werde wohl "etwas Profit" erwirtschaften. Eine dritte Gruppe von Unternehmen wie O2 oder mobilcom geht vorsichtshalber einen Mittelweg: Sie schließt Großhandelsverträge mit Hotspot-Betreibern ab und verkauft deren Dienstleistungen weiter - ohne eigenes Investitionsrisiko.
Teil zwei: "GSM stößt an die Grenzen, vor allem in Ballungsräumen"
Gleichzeitig orientieren sich die Telekom-Konzerne in Sachen UMTS nach einer Phase der Ernüchterung wieder nach vorne. Sie wissen: Die Zahl der Mobilfunkkunden ist endlich, schon jetzt kommen auf 100 Deutsche etwa 80 Handys. Wesentliches Wachstum lässt sich nur erreichen, wenn jeder Kunde mehr umsetzt als bisher. Deswegen versuchen die Mobilfunkunternehmen, an eigentlich branchenfremden Dienstleistungen zu verdienen, bieten alles Mögliche vom Bahnticket über die Skibruchversicherung bis zum Horoskop an. Zugleich möchten sie E-Mails, Spiele oder Klingeltöne aufs Handy liefern. Das größte Potenzial für Volumenwachstum aber gibt es in der Sprachtelefonie - und hier kommt 3G wieder ins Spiel.
Nach dem Geschmack der Mobilfunker wird noch zu viel über Festnetzapparate telefoniert. Diese Kundengruppe wollen die Mobilfunker zum Umsteigen verlocken - Festnetzsubstitution nennen Fachleute den Trend. Tatsächlich sinkt die Zahl der Festnetzanschlüsse in vielen Ländern bereits. Damit diese Verlagerung aber technisch reibungslos läuft, müssen die Kapazitäten der Mobilfunknetze erheblich ausgebaut werden. Die GSM-Technologie stößt dabei an ihre Grenzen - ab einem gewissen Kapazitätsbedarf wird der Ausbau der etablierten Netze so teuer, dass sich UMTS als Alternative entpuppt.
Vor allem in Ballungszentren ist UMTS für die Netzbetreiber also notwendiger Teil ihrer langfristigen Strategie. Da sie - ironischerweise nicht zuletzt aufgrund der hohen UMTS-Lizenzgebühren - Kredite bedienen und weiter wachsen müssen, werden sie vor allem zu Spitzenzeiten auf deutlich höhere Übertragungskapazitäten angewiesen sein als bisher.
Aus technischer Sicht also macht die Koexistenz von WLAN und UMTS Sinn - an der Wirtschaftlichkeit von UMTS aber gibt es weiterhin Zweifel. Die im 3G-Geschäft einst angepeilten Traummargen werden sich wohl kaum je erzielen lassen. Zumindest die in Deutschland und Großbritannien bezahlten Lizenzgebühren scheinen immer noch exorbitant hoch.
Viele Chancen - und ein Negativszenario
Ökonomisch sinnvoll wäre eine Arbeitsteilung zwischen WLAN und UMTS. Die Hotspots bieten den wirklich Datenhungrigen in Hotels und an Flughäfen einen mobilen Breitbandzugang, die 3G-Anbieter spezialisieren sich auf Sprachtelefonie, Mitteilungen wie MMS, Chat und E-Mail oder Videos.
Riskant wird es aus Sicht mancher Analysten, wenn die Anbieter UMTS zu forciert als Breitbandzugang zum Internet vermarkten - dann drohe ein Preiskrieg zwischen den verschiedenen Technologien. "Obwohl 3G substanzielle Vorteile in punkto Datendurchsatz, Kapazität und Kosten gegenüber GSM-Netzen mit GPRS bietet, müssen die Netzbetreiber es vermeiden, mit 3G über seine Grenzen zu gehen", sagt etwa Analysys-Experte Alastair Brydon.
"Der direkte Wettbewerb mit Breitbandzugängen im Festnetz oder öffentlichen WLANs", lautet seine Warnung, "könnte den Profit vernichten."