Umweltökonom Edenhofer »Der CO₂-Preis muss im Zentrum stehen«

Der Umweltökonom Ottmar Edenhofer plädiert für höhere Klimaabgaben im Kampf gegen den Treibhauseffekt – und für eine Rückerstattung des Geldes an die Bürger.
Ein Interview von Michael Sauga und Gerald Traufetter
Branunkohlekraftwerk Jänschwalde im brandenburgischen Peitz

Branunkohlekraftwerk Jänschwalde im brandenburgischen Peitz

Foto: Patrick Pleul/ DPA

SPIEGEL: Herr Edenhofer, die Bundesregierung will ihre CO2-Ziele drastisch verschärfen, damit Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Ist das zu schaffen?

Edenhofer: Der Beschluss überträgt den europäischen Green Deal auf Deutschland. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der Plan ist ambitioniert, aber machbar. Vorausgesetzt, die Politik hört auf, immer neue Ziele festzulegen. Jetzt muss endlich über die Maßnahmen geredet werden, mit denen man sie erreichen kann. Das ist wichtiger.

SPIEGEL: Die Politik tut nur das, wozu sie das Bundesverfassungsgericht aufgefordert hat, nämlich einen Fahrplan für die nächsten Jahrzehnte vorzulegen.

Edenhofer

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Foto: Mauersberger / IMAGO

Ottmar Edenhofer (Jahrgang 1961) ist Professor an der Technischen Universität Berlin und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Der Ökonom war viele Jahre Mitglied des Weltklimarates der Vereinten Nationen. Er beriet die Bundesregierung bei ihren verschiedenen Klimapaketen.

Edenhofer: Richtig, das ist auch notwendig, um Planungssicherheit für die langfristigen Investitionen zu gewährleisten. Aber es ist kontraproduktiv, wenn einige jetzt fordern, die Klimaneutralität bereits bis 2040 zu erreichen. Es gibt jetzt den Green Deal und das Urteil des Verfassungsgerichts. Das sind die richtigen Vorgaben, jetzt muss es um die Umsetzung gehen. Ein Überbietungswettbewerb bei den Zielen bringt uns nicht weiter.

SPIEGEL: Was bringt uns dann weiter?

Edenhofer: Wir brauchen einen Anstieg des CO2-Preises, und der muss zugleich sozial gerecht sein. Eine gerechte Klimapolitik ist essenziell für ihren Erfolg.

»Auf die Bürger kommen erhebliche Belastungen zu.«

SPIEGEL: Die SPD hält den CO2-Preis per se für unsozial und lehnt weitere Erhöhungen ab.

Edenhofer: Ein CO2-Preis kann sozial gerecht gestaltet werden. Wenn wir die Ziele erreichen wollen, muss er deutlich steigen. Statt wie im Moment bei 25 Euro pro Tonne könnten wir bei 50 Euro einsteigen. Wenn die Ziele verfehlt werden, sollte er automatisch steigen. Am Ende des Jahrzehnts könnte er schon deutlich über 130 Euro liegen. Zugleich müssen wir im Blick behalten, dass ein solcher Preispfad für die Bürger mit erheblichen Belastungen verbunden wäre.

SPIEGEL: Der Sprit an der Tankstelle würde dann 36 Cent mehr pro Liter kosten.

Edenhofer: In der Tat, und deshalb habe ich für die Position der Sozialdemokraten ein gewisses Verständnis.

SPIEGEL: Warum?

Edenhofer: Höhere CO2-Preise belasten die kleinen Einkommen stärker als die großen. Wer wenig verdient, wohnt meist zur Miete in einem unsanierten Altbau. Er fährt mit einem kleinen Benzinauto zur Arbeit und gibt einen größeren Teil seines Einkommens für energieintensive Produkte aus. Deshalb sollte die Politik die CO2-Einnahmen den Bürgern zurückerstatten, und zwar nach sozialen Gesichtspunkten.

SPIEGEL: Was empfehlen Sie?

Edenhofer: Die Regierung könnte zunächst die EEG-Umlage nicht mehr über den Strompreis finanzieren, sondern aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung. Das senkt den Strompreis und entlastet die kleineren Einkommen stärker als die großen. Im Verlauf der nächsten Jahre sollten die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zudem als Pauschalbetrag zurückerstattet werden; das würde ebenfalls den Beziehern geringer Einkommen zugutekommen, wie unsere Berechnungen zeigen. Wenn wir es richtig machen, kann Klimaschutz sozial gerecht sein und eine weitere Spaltung der Gesellschaft verhindert werden.

SPIEGEL: Viele Sozialdemokraten glauben das nicht. Sie halten ihr Rezept für »neoliberale Verbotspolitik«, weil Geringverdiener den höheren Preisen ausgeliefert sind.

»Der CO₂-Preis setzt für Wirtschaft und Verbraucher das entscheidende Signal.«

Edenhofer: Erstens ist der CO2-Preis nicht neoliberal, wenn man ihn mit einem sozialen Ausgleich verbindet. Und zweitens können auch weniger gut gestellte Schichten auf höhere CO2-Preise reagieren. Vor allem, wenn man einbezieht, dass es dabei weniger auf die kurze als auf die lange Frist ankommt. Wenn die Bürger wissen, dass sich der CO2-Preis mit der Zeit verdoppelt, werden sie sich vielleicht nicht morgen ein Elektroauto kaufen. Aber möglicherweise in fünf Jahren, wenn es mehr und billigere Modelle gibt. Der CO2-Preis setzt für Wirtschaft und Verbraucher das entscheidende Signal, dass wir nicht mehr so viel Kohlendioxid ausstoßen dürfen wie bisher.

SPIEGEL: In der SPD sind viele der Auffassung, dass man mit staatlichen Vorgaben mehr erreichen kann.

Edenhofer: Und welche Vorgaben sollten das sein?

SPIEGEL: Der Staat könnte zum Beispiel die CO2-Grenzwerte für die Fahrzeugflotten der Hersteller verschärfen.

Edenhofer: Das stimmt, aber das verteuert die Autos ebenfalls und würde vor allem Bezieher geringerer Einkommen belasten. Außerdem erzielt der Staat dann keine Einnahmen, die er den Bürgern zurückgeben kann. Auch der Effekt fürs Klima ist begrenzt, wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat. Da sind die Emissionen im Straßenverkehr nämlich trotz schärferer Grenzwerte gestiegen. Die Autos sind schwerer geworden, und es wurde mehr gefahren. Die Emissionen werden nur sinken, wenn Grenzwerte durch CO2-Preise ergänzt werden.

SPIEGEL: Der Staat könnte Verbrennerautos verbieten.

Edenhofer: Das birgt ebenfalls Gefahren, weil sich wahrscheinlich vor dem Stichtag Millionen Bürger einen Diesel kaufen, der noch zehn Jahre lang herumfahren und das Klima schädigen würde. Ein steigender CO2-Preis dämpft diesen Effekt ab.

SPIEGEL: Wenn es nach Ihnen geht, sollten die Klimapolitiker also einen CO2-Preis beschließen und können danach die Hände in den Schoß legen?

Edenhofer: Nein. Wir werden in der Klimapolitik auch künftig Grenzwerte, Vorgaben und befristete Förderprogramme benötigen. Aber der CO2-Preis muss im Zentrum stehen, weil er die langfristigen Erwartungen und Einstellungen von Verbrauchern und Unternehmern prägt. Manche empfehlen, mit staatlichen Vorgaben zu beginnen und nur dann auf CO2-Preise zurückzugreifen, wenn das nicht reicht. Ich bin für die umgekehrte Rangfolge.

SPIEGEL: Warum sind Sie so sicher, dass das funktioniert?

Edenhofer: Nehmen Sie den Kohlestrom. Die Tatsache, dass wir die fossilen Kraftwerke früher abschalten können als bislang geplant, ist nicht dem Kohleausstiegsgesetz der Bundesregierung zu verdanken. Sondern den steigenden CO2-Preisen im europäischen Emissionshandel. Nichts zeigt deutlicher, welches Potenzial in höheren CO2-Preisen und in einer klugen Ordnungspolitik liegt.

SPIEGEL: Jetzt müssen Sie das nur noch der SPD erklären.

Edenhofer: Ich bin zuversichtlich, dass die Sozialdemokraten kein grundsätzliches Problem mit dem Konzept haben. Ihnen geht es um den sozialen Ausgleich: Das ist ein wichtiges, aber lösbares Problem.

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