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UNTERNEHMER Ungeliebte Kunden

Nach dem Konkurs ihres Elektrokonzerns im vergangenen Herbst sind die Brüder Bauknecht schon wieder unternehmerisch engagiert.
aus DER SPIEGEL 16/1983

Der schwäbische Familienunternehmer war zu weit gegangen: Seine Leute arbeiteten erst weiter, nachdem er sich bei ihnen entschuldigt hatte.

Günter Bauknecht nämlich hatte sich eine richtige Rezession gewünscht. »Mir geht's dann besser«, bekannte er vor Belegschaftsvertretern.

Das war in den frühen siebziger Jahren. Inzwischen hat Bauknecht bewiesen, daß ein gestandener Kapitalist Krisen tatsächlich besser als seine Arbeiter übersteht.

Als die Firma Bauknecht, Produzent von Haushaltsgeräten, im vergangenen Jahr unter der Last von einigen hundert Millionen Mark Schulden zusammenbrach, verloren ein paar tausend Menschen ihren Arbeitsplatz. Günter Bauknecht jedoch und sein Bruder Gert überstanden den Bankrott als mehrfache Millionäre und mit dem Willen, weiterhin unternehmerisch aktiv zu sein.

Vater Gottlob Bauknecht hatte einen beträchtlichen Teil des Familien-Vermögens rechtzeitig gegen so häßliche Betriebsunfälle wie einen Konkurs abgesichert.

Seit 1973 sorgen eine liechtensteinische und drei deutsche Stiftungen dafür, daß sich die finanziellen Folgen unternehmerischer S.64 Fehler für die Bauknechts selbst in Grenzen halten.

So büßten die Brüder durch den Zusammenbruch ihrer Unternehmens-Gruppe, die einst mit 13 000 Beschäftigten 1,7 Milliarden Mark Umsatz gemacht hatte, zwar alle ihre Produktionsstätten für Kühlschränke, Waschmaschinen, Geschirrspüler, Küchenmöbel und Elektromotoren ein. Aber das vom Konkurs verschont gebliebene Stiftungsvermögen - um die 200 Millionen Mark - reicht für einen sorgenfreien Lebensabend.

Doch den wollen Günter, 48, und Gert, 44, noch gar nicht. Aus den Trümmern ihres ehemaligen Elektro-Imperiums sicherten sie sich zwei Unternehmen, in denen weiter produziert und verkauft wird: die Stuttgarter Thermotechnik G. Bauknecht GmbH und die Gevelsberger Krefft Gewerbeanlagen GmbH. Rund 200 Beschäftigte stellen bei Krefft elektrische Zentralspeicher-Heizgeräte her. Die Thermotechnik hingegen ist eine reine Vertriebsgesellschaft, die neben den Krefft-Geräten auch Einzelspeicher-Heizgeräte aus einem ehemaligen Bauknecht-Werk in Rottenmann (Steiermark) verkauft, das heute dem österreichischen Staat gehört.

Die Gefahr, daß die Bauknechts auch dieses Comeback mit einer Pleite beenden, ist relativ gering. Denn zum einen sind Elektrospeicher-Heizungen derzeit weit gefragter als Haushaltsgeräte und Küchenmöbel. Zum anderen dürfen Gert und Günter Bauknecht nicht selbst die Geschäftsführung ihrer Unternehmen übernehmen - eine Bedingung der Banken, die den Neuanfang mit Krediten S.65 erleichterten. Die beiden Bauknecht sitzen lediglich im fünfköpfigen Aufsichtsrat einer Holding, der Krefft GmbH. Diese Gesellschaft stimmt die Interessen der Thermotechnik mit denen der Produktionsunternehmen ab.

Die Banken sperrten die Brüder nicht nur von der direkten Unternehmensführung aus, weil die sich einst zu oft verrechnet hatten. Zu schäbig auch waren die beiden Schwaben früher mit ihren Kreditgebern umgesprungen.

Nach dem Tod des Firmengründers Gottlob Bauknecht im Jahre 1976 lenkten die Söhne Günter und Gert einen Konzern, dessen wichtigste Gesellschaft, die G. Bauknecht GmbH, zunächst noch »ein in sich gefestigtes, weiter aufstrebendes Unternehmen« (Bauknecht-Werbeschrift) zu sein schien.

Doch die Bauknechts hatten Mitte der siebziger Jahre zu klotzig investiert. In nur drei Jahren hatten sie 250 Millionen Mark in drei neue ausländische Werke gesteckt.

Das Geld stammte allerdings nicht aus den eigenen Reserven, sondern wurde ausschließlich durch Bankkredite und Staatszuschüsse aufgebracht. Eine so windige Finanzierung hätte die Familienfirma nur dann überstehen können, wenn die neuen Betriebe hochrentabel gewesen wären.

Aber die Märkte für Haushaltsgeräte waren weitgehend gesättigt. Die neuen Fabriken konnten nie ausgelastet werden.

Hinzu kam, daß Günter und Gert Bauknecht, die schon der Vater für »nicht satisfaktionsfähig« gehalten hatte, als Manager kraß versagten. Mit Geheimniskrämerei, chaotischer Organisation und patriarchalischen Führungsmethoden sorgten die Gründersöhne dafür, daß sie allein in dem verschachtelten Konzern das Sagen hatten - auch wenn es um Kleinkram ging.

So kümmerte sich Gert zwar um Hotelbuchungen, um den Verkauf von Altmetall oder um unwichtige Personaldetails. Aber eine konsolidierte Konzern-Bilanz, die ihnen einen Überblick über alle in- und ausländischen Aktivitäten verschafft hätte, hielten die Brüder für überflüssig.

Die zwei Buchhalter, die zur Aufstellung dieser Gesamt-Bilanz nötig gewesen wären, »schienen den Bauknechts zu teuer«. Das nimmt jedenfalls Konkursverwalter Volker Grub an, der sich nach dem Zusammenbruch durch das wirre Zahlenwerk zu kämpfen hatte.

Den Geiz haben die Bauknechts wohl vom Vater geerbt - wenn auch nicht dessen Raffinesse. Der hatte einst geschickter gespart.

Als Gottlob Bauknecht einmal mehrere seiner Auslandsfirmen besuchen mußte, heuchelte er bei einem Flugzeughersteller Kauf-Interesse für eine Maschine und bat um einen Probeflug. Gratis flog S.67 er so zu den Reisezielen - eine Maschine hat er nie gekauft.

Knauserig wie ihr Vater waren Gert und Günter vor allem, wenn sie sich Kredite zu beschaffen hatten. Statt wie andere Unternehmen dieser Größe die Dienste einer Hausbank in Anspruch zu nehmen, versuchten die Bauknechts stets, die Banken bei Kreditverhandlungen gegeneinander auszuspielen. Selbst um Sechzehntel-Prozente bei den Zinssätzen feilschten die Brüder noch.

Dies rächte sich. Als die Bauknechts schließlich mit Bankschulden von rund 500 Millionen Mark in Schwierigkeiten kamen, waren die Gläubigerbanken nicht bereit, ihre ungeliebten Kunden noch zu stützen. An den zunächst beantragten Vergleich schloß sich Ende Oktober 1982 der Konkurs an.

Daß der Konzern keineswegs völlig ausgeblutet war, als er insolvent wurde, zeigt die relativ hohe Konkursquote, die Insolvenz-Experte Grub den Gläubigern nach monatelanger Prüfung der Bücher in Aussicht stellte. Auf einer Versammlung Anfang Februar räumte Grub den über 3000 Gläubigern gute Chancen ein, von je 1000 Mark ihrer Bauknecht-Gelder nach Abschluß des Konkursverfahrens 425 Mark wiederzusehen.

Der Verlust der Gläubiger wäre noch niedriger ausgefallen - wenn die Bauknechts nicht Millionen schon Jahre zuvor in Sicherheit gebracht hätten: Der damals 81 jährige Firmengründer und seine Söhne hatten 1973 drei Stiftungen auf die Namen Gottlob, Gert und Günter Bauknecht sowie eine Stiftung im Steuerparadies Liechtenstein gegründet.

Um rund 30 Millionen Mark Erbschaftsteuern zu vermeiden, brachten die Bauknechts 96,2 Prozent ihrer Konzern-Dachgesellschaft Gottlob Bauknecht Elektromotorenbau KG in die drei deutschen Stiftungen ein. Mit je 1,9 Prozent erhielten Gert und Günter als persönlich haftende Gesellschafter den Rest der Holding-Anteile.

Die vierte Stiftung, die Bauknecht Stiftung Vaduz, bekam 50,4 Prozent der Anteile an den Auslandsgesellschaften. Die übrigen Anteile lagen bei der deutschen Konzern-Holding.

Die Stiftungen sind nicht gemeinnützig, sondern sollen allein dem Wohl der Familienmitglieder dienen. Begünstigte der Stiftungen sind Gert und Günter Bauknecht sowie deren Kinder.

Erst nach dem Bauknecht-Kollaps wurden diese Eigentumsverhältnisse bekannt: In ihren Geschäftsberichten hatten die Bauknechts die Gesellschafteranteile stets verschwiegen. »Bemerkenswert« fand das der Konkursverwalter.

Die Stiftungen erhielten allerdings nicht nur das Gros der Konzernanteile, sondern wurden auch Direkt-Eigentümer etlicher Bauknecht-Vermögensteile. Das Verwaltungshochhaus der Bauknechts in Stuttgart gehörte ebenso dazu wie die Waggonfabrik Rastatt, der Möbelvertrieb Dassbach Küchen in Berlin, ein Verkaufshaus in Düsseldorf sowie weitere Immobilien von Freiburg bis Hamburg.

An dieses nicht konzerngebundene Millionenvermögen der Stiftungen kam Konkursverwalter Grub nicht heran. Die Brüder nutzten daher einen Teil dieses Kapitals, um eine ehemalige Konzerntochter aus der Konkursmasse herauszuziehen, mit der sie jetzt ihr unternehmerisches Wirken fortsetzen wollen.

Mit Billigung des unabhängigen Stiftungskuratoriums schossen sie 30 Millionen Mark Stiftungsvermögen - den Erlös aus dem Verkauf der Stuttgarter Verwaltungszentrale nämlich - in die Konkursmasse ein. Im Gegenzug ging die Krefft Gewerbeanlagen GmbH in das Eigentum der Stiftungen über.

Die Gewerkschaften, mit denen die Bauknechts schon immer auf Kriegsfuß standen, sind von derlei Tauschgeschäften wenig angetan. Der Stuttgarter IG-Metall-Bezirksleiter Franz Steinkühler kann dem Jonglieren der Bauknechts mit Betrieben und deren Arbeitern nur eine positive Seite abgewinnen - es sei »ein Lehrstück für inhumane Geschäfte«.

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