Unruhen in Tibet
China erschwert Visa-Vergabe an Geschäftsleute
Bürokratische Hürden: Deutsche Geschäftsreisende müssen wegen der Olympischen Spiele in Peking mit einer strengeren Prüfung ihrer Visa-Anträge für China rechnen. Aus Sicherheitsgründen verlangen die chinesischen Behörden mehr Dokumente als bisher - das kostet Zeit, Nerven und Geld.
Hamburg - Dick und fett und in leuchtendem Signalrot weist der Visabeschaffer CIBT Visum Centrale auf seiner Homepage auf die veränderten Einreisebestimmungen für China hin. Doch nur unter Vorbehalt: Denn selbst der Visa-Spezialist kann derzeit "durch die ständigen Veränderungen" keine verlässliche Auskunft geben. "Mit teilweise erheblichen Verzögerungen bei der Bearbeitung muss gerechnet werden", heißt es auf der Seite.
Deutscher Reisepass und Visum für China: Ständige wechselnde Einreisebestimmungen verärgern die Geschäftsleute
Foto: DPA
Den Frust der Kunden bekommt das Personal zu spüren. "Viele sind verärgert", sagt eine Servicemitarbeiterin. Vor allem auf die neueste Bestimmung reagierten die Geschäftsleute mit Unverständnis: Sie müssen ihrem Antrag eine offizielle Einladung vom Ministerium für Arbeit oder einer regionalen Arbeitsbehörde beifügen - im Original. Mit einem Fax oder einer Kopie kommt keiner nach China.
Allein diese Bestimmung ist mit einem erheblichen logistischen Aufwand verbunden, der die Beschaffung des Visums um mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen verzögern kann. "Früher genügte ein Schreiben des Betriebes vor Ort", sagt die CIBT-Mitarbeiterin - auch als Kopie. Und selbst wenn Einladung, Gesundheitszeugnis und Buchungsbestätigung des Hotels, ebenfalls im Original, eingereicht seien, könne keine Zusage für die Visaerteilung gemacht werden.
Das chinesische Außenministerium verteidigte unterdessen die strengeren Einreisebedingungen, die für alle Ausländer gelten. Es begründete sie mit der "internationalen terroristischen Bedrohung" für die Olympischen Spiele sowie andere Sicherheitserwägungen. Peking verwies dabei auf die Aushebung einer mutmaßlichen Terrorgruppe von muslimischen Uiguren im Januar in Nordwestchina und einem geplanten Brandanschlag auf ein chinesisches Flugzeug im März. Die Maßnahmen seien lediglich "vorübergehend". Im Vergleich zu anderen Ländern sei die Visavergabe zudem noch "ziemlich bequem".
Jeden Tag ein neues Visum
Doch die Entrüstung auf Seiten der Wirtschaftsvertreter ist groß. Besonders ärgerlich für sie: Ein sogenanntes Mehrfach-Visum, das eine unbegrenzte Einreise über einen Zeitraum von sechs oder zwölf Monaten erlaubt, wird nicht mehr ausgestellt. Das treffe vor allem Geschäftsleute in den chinesischen Grenzregionen wie Hongkong oder Singapur, sagt Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Sie müssten nahezu täglich hin- und herreisen und davor jedes Mal aufs Neue ein Formular ausfüllen. Das kostet Nerven, Zeit und auch Geld.
Wenigstens scheint in Asien die Bearbeitung schneller zu gehen: Der Geschäftsmann Robert Rother stellt in Shenzhen im Süden Chinas Gold- und Diamantenschmuck her. Seine Partner kommen aus Thailand oder der Sonderwirtschaftszone Hongkong. Ihm zufolge verläuft die Vergabe von Kurzvisa, die einen Aufenthalt von fünf Tagen erlauben, relativ reibungslos. "Innerhalb von fünf Minuten" habe bei seinem deutschen Geschäftsfreund die Einreiseerlaubnis vorgelegen.
Doch die Furcht, die deutsche Wirtschaft könne zunehmend unter der gespannten Lage leiden, ist groß. Industrie und Handel bangen um ihre Geschäfte. Stabile und langfristige Beziehungen zu dem wichtigsten Wirtschaftspartner in Asien sind laut Wansleben vom DIHK zwingend notwendig, zumal rund 200.000 Arbeitsplätze in Deutschland direkt vom Export nach China abhängen.
Die brutale Niederschlagung von Protesten in Tibet und die Isolation des Gebietes von der Außenwelt scheinen dabei keine Rolle zu spielen. China ist schließlich einer von Deutschlands wichtigsten Handelspartnern. 2007 betrug das Exportvolumen deutscher Waren in die Volksrepublik rund 30 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr rechnet der DIHK mit einer weiteren Zunahme - trotz des verschärften Tons zwischen den Handelspartnern, trotz Boykottaufrufen und verschärften Einreisebedingungen.
Außenhandel mit China 2007
Ware
Import in 1000 Euro
Export in 1000 Euro
Erze
44.501
1307
Lebensmittel
981.793
108.029
Kleidung
5.277.651
32.532
Papier
140.325
258.253
Eisen- und Stahlerzeugnisse
1.504.402
2.375.000
Metallerzeugnisse
2.300.370
839.866
Kraftwagen- und Kraftwagenteile
455.481
4.898.831
Leder und Lederwaren
1.975.949
26.588
Quelle: Statistisches Bundesamt
Asien-Experte Wansleben mahnt dringend zur Besonnenheit: "Wir brauchen Deeskalation auf beiden Seiten. Boykottaufrufe bringen gar nichts." Die verschärften Auflagen für ein Visum trügen definitiv nicht zur Entspannung bei. Auf Verständnis könne Peking in diesem Fall nicht hoffen. Zudem schneide sich die Volksrepublik ins eigene Fleisch: "Als großer Exporteur von Konsumwaren und Importeur von Maschinen und Anlagen muss China an reibungslosen Einreisemöglichkeiten von Kunden und Lieferenten interessiert sein."
Die europäische Handelskammer in Peking warnte unterdessen den Westen und China vor einem gegenseitigen Warenboykott. "Wir sind ganz entschieden gegen jeden Boykott", sagte der EU-Kammerpräsident Jörg Wuttke. Die wirtschaftlichen und politischen Spannungen zwischen China und der EU sind Thema bei einem EU-China-Treffen in der kommenden Woche in der chinesischen Metropole.