KFZ-VERSICHERUNG Unschöne Wirkung
Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff sitzt in der Klemme. Bis Ende des Monats muß er entscheiden, ob er den deutschen Autoversicherern erlaubt, die Versicherungsprämien für Türken, Griechen und Jugoslawen drastisch anzuheben.
Rechtlich, das schrieben ihm jetzt die Juristen aus dem Justiz-Ressort auf, läßt sich das Verlangen der Kfz-Versicherer nach einem »Balkan-Aufschlag« (Branchenjargon) nicht abwenden.
Politisch aber, das machten die Juristen in ihrer Stellungnahme deutlich, wäre eine solche Entscheidung höchst unwillkommen. Und auch Hans-Dietrich Genschers Auswärtiges Amt ließ wissen, daß in einer Zeit, da jenseits der Grenzen ohnehin zunehmend über die Ausländerfeindlichkeit der Deutschen geredet würde, Strafzuschläge für Türken, Griechen und Jugoslawen unschöne Wirkungen haben müßten.
Bis zu 50 Prozent, das haben 54 deutsche Versicherer beim Berliner Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen beantragt, sollen türkische Autobesitzer in Zukunft mehr bezahlen als deutsche. Türken, so argumentiert die Assekuranz-Branche, seien besonders häufig in Unfälle verwickelt.
Jugoslawen und Griechen, so der Antrag, sollen bis zu 25 Prozent mehr zahlen. Andere Ausländer, etwa die Italiener und Spanier, deren Unfallstatistiken im Durchschnitt bleiben, werden nicht belastet.
Die feinen Unterscheidungen, so die Versicherer, zeigten an, daß es nicht um die Diskriminierung von Ausländern gehe, sondern lediglich um die rechtlich zulässige unterschiedliche Behandlung von verschiedenen Schadensgruppen.
Tatsächlich fanden die Bonner Juristen trotz penibler Suche keinen Dreh, das Ansinnen der Versicherer abzulehnen. Die Versicherer sind gehalten, ihre Tarife möglichst gerecht zu gliedern. Das Versicherungsrisiko soll zwar auf alle Autofahrer gleichmäßig verteilt werden. Aber gleichzeitig ist darauf zu achten, daß eine Gefahrengemeinschaft nicht die überdurchschnittlichen Schäden einer anderen mitträgt.
So gibt es Ermäßigungen für Landwirte, weil sie 15 Prozent weniger Schäden als der Durchschnitt der Autofahrer verursachen. Das gleiche gilt für Beamte. Die Türken aber liegen 50 Prozent über dem Schnitt, die Jugoslawen 25 Prozent - genau wie die Griechen. 20 Millionen Mark, klagt die Allianz, könnte der größte Versicherer jährlich mehr an Rückvergütungen ausschütten, wenn das Ausländerrisiko ausgeschaltet würde.
Vielen Versicherern wäre es am liebsten, wenn sie die schadensträchtigen Ausländer überhaupt ablehnen könnten.
Nur: Kfz-Versicherungen können sich, weil sie dem sogenannten Kontrahierungszwang unterliegen, ihre Kunden nicht aussuchen. Die Anzahl der »schlechten Risiken«, wie die Branche es nennt, entscheidet aber über die Höhe der Prämien und über das Ausmaß von Rückvergütungen. An diesen beiden Zahlen orientieren sich die Kunden, wenn sie ihre Versicherung auswählen.
Einen Vorschlag Lambsdorffs, die Versicherungswirtschaft möge doch die Wettbewerbsunterschiede intern über einen Ausgleichsfonds regeln, lehnten die Versicherer ab. Kühl verwiesen sie den Minister auf Paragraph acht des Pflichtversicherungsgesetzes. Danach müssen unterschiedliche Tarife genehmigt werden, wenn die Gruppe der Versicherten groß genug ist und die Unterscheidung aus Gründen vorgenommen wird, die in der Person des Versicherten liegen. Das aber trifft zu, Lambsdorff hat keinen Ermessensspielraum.
Wenn Lambsdorff dennoch ablehne, so ließ die Branche wissen, werde sie ihr Recht vor Gericht durchsetzen.
In seiner Not will Lambsdorff sich jetzt im Kabinett absichern. Auch die Kohl-Runde, so meinen die Bonner Juristen, kann gar nicht umhin, dem Antrag nach höheren Prämien für Ausländer zu entsprechen. Bonn würde die Pflicht nur dann los, wenn der Gesetzgeber die Bestimmungen des Pflichtversicherungsgesetzes ändern würde. Daran denkt aber zur Zeit niemand.
Auf eines haben sich die Ressorts schon vorab geeinigt. Ganz so, wie es sich die Versicherer vorstellen, sollen die Strafzuschläge für die ausländischen Autofahrer nicht durchlaufen: Die Bonner möchten die Griechen besser behandeln. Obwohl diese eine ähnlich schlechte Schadensbilanz aufweisen wie die Jugoslawen, sollen sie, als Bürger eines EG-Landes, von höheren Tarifen verschont bleiben. Schon im Frühjahr hatte die EG-Kommission in Brüssel an die Bonner Regierung geschrieben, sie halte höhere Ausländertarife für EG-Angehörige - etwa die Griechen - »wegen Diskriminierung schlichthin für unzulässig«.
Einer peinlichen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof aber will sich Bonn auf keinen Fall aussetzen.