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AIRBUS Unser Baby

Mit ihrem Großraum-Jet Airbus machen die Europäer der amerikanischen Konkurrenz wichtige Märkte streitig.
aus DER SPIEGEL 15/1979

Herbert Culmann machte in der vergangenen Woche Luftfahrt-Geschichte. Für mehr als 1,5 Milliarden Mark orderte der Vorstandschef der Deutschen Lufthansa AG 25 Jets des neuen Airbus-Typs A 310 und brach damit alle Rekorde: So viel Geld hatte zuvor noch kein Europäer für einen neuen Jet riskiert.

Mehr noch als für Culmanns Lufthansa, die sich Optionen auf 25 weitere A 310 sicherte, bedeutet der Superauftrag für Europas Flugzeugbauer. Monatelang hatten die bisher nur mäßig erfolgreichen Verkäufer der multinationalen Airbus Industrie vergebens um einen Großkunden für den Start ihrer zweiten Jet-Generation geworben. Jetzt, nach dem Zuschlag der Lufthansa, ist das Eis gebrochen, scheint der Erfolg des Airbus-Programms bis zum Ende der achtziger Jahre garantiert.

Außer der Lufthansa hatten bis zum Ende vergangener Woche auch noch die Swissair und die niederländische KLM zugegriffen. Innerhalb weniger Tage hatte damit das Airbus-Konsortium -- neben den Hauptaktionären Bundesrepublik und Frankreich sind England und Spanien beteiligt -- 90 Flugzeuge, einschließlich Optionen, zum Stückpreis von jeweils rund 60 Millionen Mark verkauft.

»Damit haben wir«, so ein Lufthansa-Manager, »die Regierungen in Zugzwang gebracht.« Denn Bonn und Pa

* Mit Airbus-Industrie-Präsident Lathiere (M.) und Lufthansa-vorstand Abraham.

ris hatten zwar rund zwei Milliarden Mark Entwicklungskosten für die neue Airbus-Variante spendiert. Bislang aber konnten sich die Regierungen nicht entschließen, auch den anlaufenden Verkauf der Maschinen zu subventionieren.

Die Airbus-Verkäufer, meinten Paris und Bonn, sollten doch erst einmal nachweisen, daß es auch Kunden für ihr neuestes Produkt gebe. Ohne einen staatlichen Zuschuß zu jeder abgesetzten Maschine aber ist an einen Massenverkauf kaum zu denken.

Bei den im internationalen Flugzeug-Geschäft durchaus üblichen Subventionen geht es um stattliche Millionenbeträge. So bietet Boeing für sein vergleichbares Konkurrenzmodell zur A 310, der Boeing 767, langfristige Kredite zu einem Zinssatz an, der von der staatlichen Exim-Bank auf 8,25 Prozent heruntersubventioniert wird.

Nach ihren Großaufträgen erwarten Lufthansa, Swissair und KLM jetzt auch eine großzügige Finanzregelung. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, verweisen sie darauf, daß Boeing in den vergangenen Monaten bereits verlorenes Terrain wieder aufgeholt hat.

Noch vor einem Jahr schien Airbus Industrie mit ihrem neuen Modell der mächtigen amerikanischen Konkurrenz um einiges voraus. Auf Drängen der Lufthansa-Techniker, die den kleineren Airbus gern »unser Baby« nennen, waren die Konstruktionspläne für das neue Mittelstrecken-Flugzeug so frühzeitig fertig, daß ein Vorsprung von zumindest einem Jahr vor den Amerikanern sicher schien.

Der neue Europa-Jet (200 Sitzplätze) ist kürzer als der A 300, die Flügel sind verbessert und helfen Treibstoff sparen, die Triebwerke Wurden verstärkt (Reichweite: 3000 Kilometer). Damit galt die A 310 als der ideale und einzig rechtzeitig verfügbare Nachfolger für das erfolgreichste Flugzeug der modernen Luftfahrt, Boeings 727, die auch von der Lufthansa geflogen wird.

In den achtziger Jahren, wenn die gegenwärtigen Mittelstrecken-Jets zu alt und zu klein geworden sind, werden die Marktchancen des 727-Nachfolgers rapide steigen. Rund 1000 Exemplare könnten für den Ersatzbedarf geordert werden; hinzu kämen Maschinen für den ständig wachsenden Neubedarf.

Diesen attraktiven Markt wollte der größte Flugzeughersteller der Welt, Boeing, nicht kampflos den Europäern überlassen. Am 14. Juli vergangenen Jahres trumpfte Boeing-Präsident Ernest Bouillon mit »dem größten Auftrag in der zivilen Luftfahrtgeschichte« auf: 60 Flugzeuge hatte sein Konzern auf einen Schlag an die US-Luftlinie United Airlines verkauft, darunter 30 Exemplare eines ganz neuen Modells, der 767.

Airbus Industrie hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht eine A 310 untergebracht. Zusätzlich schockierte Boeing die Europa-Konkurrenz durch das vorgelegte Tempo: Die erste 767 soll schon im Herbst 1982 auf die Reise gehen, die A 310 startet erst im Frühjahr danach.

Nach dem United-Auftrag, der die Initialzündung für den Produktionsanlauf der 767 bedeutete, kauften auch andere US-Linien. Von dem Boeing-Mittelstrecken-Jet der achtziger Jahre sind mittlerweile knapp 100 Exemplare geordert.

Damit hatte Boeing die Nase weit vorn: Verkaufserfolge in der Heimat gelten im internationalen Luftfahrtgeschäft als die Voraussetzung für Erfolge auf den internationalen Märkten. Auch in Europa waren einige Airlines, insbesondere Alitalia und British Airways, den Boeing-Offerten bereits mehr zugetan als dem europäischen Angebot. Auch die Lufthansa schien sich lieber in Übersee umzusehen; sie kaufte kürzlich bei Boeing 32 Kurzstrecken-Jets vom Typ 737.

Erst Culmanns Superauftrag verschaffte dem Airbus wieder Aufwind. Die Lufthansa hatte die erste Airbus-Version (A 300) nur sehr zögernd und in geringen Stückzahlen geordert. Von insgesamt 180 bestellten und verkauften Airbussen A 300 orderte die Lufthansa in den vergangenen Jahren nur 17 Exemplare. Jetzt setzt sie voll auf die A 310 und zieht andere Fluggesellschaften nach. Auf KLM und Swissair werden auch noch Belgiens Sabena, Air France und die spanische Iberia folgen.

Airbus-Präsident Bernard Lathière weiß die Entscheidung der Deutschen zu würdigen. Er lobte den »bemerkenswerten Vertrauensbeweis für die europäische Luftfahrtindustrie«. Allerdings hatte Lufthansa-Chef Culmann, der bis zum letzten Augenblick von Boeing mit äußerst preisgünstigen 767-Angeboten umworben wurde, nicht nur an Europa und an deutsche Arbeitsplätze gedacht -- ein Teil der Airbus-Ausstattung wird in Hamburg-Finkenwerder montiert. Vielmehr scheinen die Lufthansa-Experten auch von den wirtschaftlichen Vorzügen ihrer Neuerwerbung beeindruckt.

Der Airbus A 310 sei auf Grund seiner fortschrittlichen Flügelkonstruktion und wegen seines großen Frachtraumes, in dem die üblichen standardisierten Luftfracht-Container hineinpassen, rentabler als das amerikanische Konkurrenzmodell.

In der Tat verpaßten die Boeing-Techniker ihrer 767 einen reichlich dimensionierten Flügel. der um 2,7 Tonnen schwerer ist als der des Airbus, was einen höheren Kerosinverbrauch nach sich zieht. Im Frachtraum sind Standard-Container nicht unterzubringen.

Das schwerwiegende Handikap des Airbus aber bleibt der Preis von rund 60 Millionen Mark, den Boeing mit der 767 deutlich unterbietet. Für Auslandskunden wurde der Europa-Flieger in den vergangenen Monaten wegen der Dollar-Schwäche noch einmal teurer. So können die Airbus-Manager, während sie die Produktion von jetzt zwei bis 1983 auf acht Maschinen pro Monat erhöhen, nur auf harte Rationalisierung setzen, die das Produkt billiger macht.

Erste Erfolge hat zumindest der Hamburger Betrieb, in dem unter anderem auch das Rumpfheck des Airbus gefertigt wird, bereits angekündigt. Auf einer neuen Fertigungsstraße soll die Zahl der Arbeitsstunden, die in Hamburg für einen Airbus erforderlich ist, von ursprünglich 340 000 auf 85 000 sinken.

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