Privatisierung der A1 Autobahnbetreiber rechneten mit Ackermann-Renditen

Der private Autobahnbetreiber A1 Mobil verklagt den Bund auf Millionen. Die Klagebegründung zeigt, dass das Unternehmen offenbar ähnlich hohe Renditen erwartete wie einst Deutsche-Bank-Chef Ackermann.
Verkehr auf der A1 in Hamburg

Verkehr auf der A1 in Hamburg

Foto: Markus Scholz/ picture alliance / dpa

Eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent: Dieses Ziel brachte dem früheren Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann viel Kritik ein und ist längst kassiert. Der private Autobahnbetreiber A1 Mobil kalkulierte offenbar mit noch höheren Renditen. Das geht aus seiner Klageschrift gegen den Bund hervor, die dem SPIEGEL vorliegt.

In einer sogenannten öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) hatte A1 Mobil ab 2008 den Autobahnabschnitt zwischen Hamburg und Bremen erneuert und sich für 30 Jahre zum Betrieb der Strecke verpflichtet. Bezahlt werden sollte das Konsortium über Einnahmen aus der Lkw-Maut. Weil diese angeblich zu gering ausfielen, droht jetzt die Pleite. A1 Mobil verklagt gegen den Bund auf hohe Nachzahlungen, der Streitwert beträgt 777 Millionen Euro. Seitdem steht die Frage im Raum, wie solide die Kalkulationen des Konsortiums waren.

Antworten liefert die Klageschrift, die eine Grafik über die geplante Mittelverwendung bis zum Projektende im Jahr 2038 enthält. Diese Grafik war den Anwälten zufolge Teil des Finanzierungskonzepts, mit dem sich A1 Mobil um den Auftrag bewarb. Hinter dem Konsortium stehen die Baufirmen Johann Bunte und John Laing; der zunächst ebenfalls beteiligte Konzern Bilfinger Berger ist inzwischen ausgestiegen.

In den ersten Jahren dominierten laut Grafik die Baukosten, welche zeitweise mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr betragen. Auch erhebliche Steuerzahlungen und Aufwendungen für Betrieb und Erhalt sind bis 2013 eingeplant. Schon ab dem Folgejahr jedoch rechnete A1 Mobil mit Ausschüttungen.

Wie hoch diese exakt waren, lässt sich der Grafik nicht entnehmen. Näherungswerte sind aber leicht zu ermitteln, wenn man das Diagramm digitalisiert. Das haben der Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler (Grüne) und der Verein Gemeingut in BürgerInnenhand getan. Anschließend verglichen sie die erwarteten Gewinne mit dem Eigenkapital von A1 Mobil. Laut öffentlich zugänglichen Informationen  des Bundes betrug es rund 50 Millionen Euro.

Die jährlichen Ausschüttungen lagen demnach zunächst im einstelligen Millionenbereich. Zum Ende der Projektlaufzeit hin aber sollten sie stark ansteigen - auf maximal rund 66 Millionen Euro. Über den gesamten Zeitraum erwartete A1 Mobil damit eine durchschnittliche Rendite von stolzen 30 Prozent pro Jahr.

Teurere Kredite als der Staat

Mit geringem Einsatz wollten die privaten Betreiber also satte Gewinne machen. Dabei setzten sie auf die Hilfe von zunächst neun und mittlerweile acht internationalen Banken, die A1 Mobil finanzieren. Wie teuer ihre Kredite waren, lässt sich ebenfalls anhand der Grafik schätzen - mithilfe von Angaben zu Zinskosten und Tilgung. Demnach kalkulierten die Betreiber zwischen 2015 und 2035 mit einem Zinssatz von durchschnittlich etwa 6,8 Prozent.

ÖPP-Projekte wurden in der Vergangenheit gerne als besonders kostengünstig beworben. Doch zumindest Kredite waren für den Staat schon zum Projektstart 2008 deutlich günstiger als für private Unternehmen. Im Schnitt kostete die Refinanzierung den Bund im Jahr 2008 rund 4,1 Prozent. Wäre das A1-Projekt zu diesem Satz finanziert worden, so hätte das den Berechnungen zufolge Zinskosten von gut 140 Millionen Euro gespart.

"ÖPP-Projekte im Straßenbau sind die moderne Form des Raubrittertums", kommentiert Grünen-Politiker Kindler die Zahlen. "Der Staat wird von den Privaten nach Strich und Faden über den Tisch gezogen und das sogar mit Zustimmung der Bundesregierung." Von 30-prozentigen Renditen könnten "kleine Unternehmen nur träumen".

Das Bundesverkehrsministerium von Alexander Dobrindt (CSU) musste mittlerweile einräumen, dass der private Autobahnbetreiber Pansuevia an der A8 eine weitere Millionenklage eingereicht hat. Dennoch verteidigt Dobrindt die ÖPP-Modelle als sinnvoll. Dass sie rentabler seien, hat jedoch auch der Bundesrechnungshof schon mehrfach bezweifelt.

Die Rechnungsprüfer haben ein seltenes Privileg: Sie erhalten Einblick in die ÖPP-Verträge, die der Öffentlichkeit bis heute verschlossen sind. Auch dieser Informationsmangel macht die Zahlen in der Klageschrift so interessant.

Eine zentrale Frage aber bleibt weiter offen: Welche Vereinbarungen zur Vergütung aus der Lkw-Maut hat der Bund mit den Privaten im Detail geschlossen und wie realistisch waren sie? Die Grafik in der Klageschrift beruht auf einem Basisszenario. Die darin angenommene Verkehrsentwicklung hätte den Angaben zufolge genügend Mauteinnahmen generiert, um den nötigen Schuldendienst um 20 Prozent zu übertreffen. Selbst in einem ebenfalls berechneten "Low-Case-Szenario" mit deutlich weniger Verkehr hätten die Einnahmen noch reichen sollen.

Doch es kam anders. A1 Mobil nimmt laut Klageschrift "nun schon seit Jahren wesentlich weniger ein, als dies zulässigerweise bei Vertragsschluss von beiden Parteien erwartet werden durfte". Absehbar war das angeblich nicht. Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 und die folgende Weltwirtschaftskrise hätten zu einem Rückgang des Lkw-Verkehrs geführt, der "bis dato unvorstellbar" gewesen sei.

Auf schriftliche und telefonische Anfragen reagierte A1 Mobil am Freitag nicht.

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