Abschalten der Altmeiler Atomkonzerne drohen Regierung mit Klage

E.on-Kernkraftwerke Isar I und II nahe Landshut: Konzerne prüfen rechtliche Schritte
Foto: Armin Weigel/ dpaMünchen - Die Bundesregierung muss sich auf heftigen Widerstand gegen ihren neuen Atomkurs einstellen: Nach dem Beschluss, die sieben ältesten Meiler zumindest vorübergehend vom Netz zu nehmen, prüfen AKW-Betreiber laut "Süddeutscher Zeitung" rechtliche Schritte.
E.on erwäge eine Klage gegen die entsprechende Verfügung des Umweltministeriums, berichtete die Zeitung. Auch andere Konzerne zögen rechtliche Schritte in Betracht, hieß es unter Berufung auf Branchenkreise.
Während des dreimonatigen Moratoriums soll geprüft werden, ob die Vorkehrungen in Deutschland ausreichen, um eine Katastrophe wie in Japan zu verhindern. Bund und Länder berufen sich bei der vorübergehenden Abschaltung der alten Meiler auf einen Paragrafen des Atomgesetzes, der der Gefahrenabwehr dient.
RWE hatte bereits angekündigt, das Vorgehen der Regierung prüfen zu lassen. E.on hält dem Bericht zufolge die rechtliche Grundlage für wackelig. Die Prüfung rechtlicher Schritte sei das Management seinen Aktionären schuldig, hieß es demnach. Schließlich handle es sich um einen Eingriff in das Eigentum des Konzerns.
E.on-Chef hält sich öffentlich zurück
Offiziell hielt sich E.on-Chef Johannes Teyssen mit Äußerungen über eine mögliche Klage zurück. "Alles andere, was ich dazu denke, dafür habe ich alle Zeit der Welt", sagte er am Mittwochabend vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf auf die Frage, ob E.on den Beschluss der Regierung anfechten werde. Sein Konzern werde der Anweisung zur Abschaltung nach dem Erhalt des Schreibens umgehend folgen. "Diese Entscheidung wird per aufsichtsrechtlicher Verfügung umgesetzt. Sie ist sofort vollziehbar", sagte Teyssen.
Es sei sicherheitstechnisch aber nicht begründbar, solche Anlagen vom Netz zu nehmen. "Ich werte das als politische Aktivität in Richtung Mitbürger", sagte der Konzernchef. Die Bundesregierung müsse sich überlegen, ob sie Sonderwege gehe.
In den Konzernen bereitet man sich laut "SZ" auf Rechtsstreitigkeiten vor. "Das wird unsere Juristen beschäftigen", zitierte die Zeitung aus der Spitze eines Energiekonzerns. Blieben die sieben Kernkraftwerke dauerhaft vom Netz, könnte das Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe nach sich ziehen, hieß es bei den Unternehmen.
RWE hatte die Weisung bekommen, sein Kraftwerk Biblis A herunterzufahren. E.on soll sein Kraftwerk Isar 1 vom Netz nehmen. Ursprünglich hatte der Konzern angekündigt, das Werk freiwillig vom Netz zu nehmen. Dies habe E.on gestoppt, nachdem die Bundesregierung angekündigt hatte, alle sieben Altkraftwerke vom Netz zu nehmen, berichtete die "SZ". Das Kraftwerk laufe nun in reduziertem Betrieb weiter, bis eine behördliche Verfügung vorliege, wurde ein Sprecher zitiert.
Dagegen hat der Betreiber EnBW die Meiler Neckarwestheim I und Philippsburg I wenige Stunden nach der Anordnung des baden-württembergischen Umweltministeriums zur Abschaltung der Reaktoren in der Nacht zum Donnerstag vom Netz genommen.
"Das Moratorium ist ein flotter Spruch der Regierung"
Neben den Konzernen haben auch viele Rechtswissenschaftler Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Moratoriums. Eine zwangsweise Abschaltung alter Atomkraftwerke ist nach Auffassung führender Juristen nur mit einer Gesetzesänderung möglich.
Damit die von der Regierung genannte Rechtsgrundlage aus dem Atomgesetz genüge, müssten dringende Gefahren direkt von den Kraftwerken ausgehen, sagte der Würzburger Rechtsprofessors Kyrill-Alexander Schwarz. "Für eine Stilllegung wäre eine Gesetzesänderung nötig", sagte er. "Das gilt auch für eine befristete Stilllegung für drei Monate."
Auch der Umweltrechtler Michael Kloepfer hält ein Moratorium ohne gesetzliche Grundlage für "evident verfassungswidrig". "Der Vorrang des Gesetzes kann nicht durch Willensäußerungen der Exekutive über ein Moratorium unterlaufen werden", sagte Kloepfer. "Rechtsstaatliche Grundsätze und der Respekt vor dem Parlament verlangen daher einen entsprechenden Beschluss des Bundestags in Gesetzesform."
Atomkraft in Deutschland
Der Düsseldorfer Staatsrechtler Martin Morlok warf der Bundesregierung ebenfalls rechtswidriges Handeln vor. "Das Moratorium ist ein flotter Spruch der Regierung ohne rechtliche Grundlage", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung".