Monte dei Paschi Affäre um älteste Bank der Welt erreicht Draghi

Im Skandal um die italienische Traditionsbank Monte dei Paschi gerät auch EZB-Chef Mario Draghi unter Druck. Dubiose Geschäfte haben dem Geldhaus Hunderte Millionen Euro Verlust eingebrockt - ausgerechnet in der Zeit war Draghi oberster Bankenaufseher Italiens.
Eingang zur Bank Monte dei Paschi di Siena: Vier Milliarden Euro Staatshilfe

Eingang zur Bank Monte dei Paschi di Siena: Vier Milliarden Euro Staatshilfe

Foto: DPA

Rom - Die Affäre um die älteste Bank der Welt befeuert nicht nur den italienischen Wahlkampf, sie könnte jetzt auch dem derzeit mächtigsten Mann im europäischen Finanzsystem schaden: dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi. Es geht um das italienische Geldhaus Monte dei Paschi di Siena (MPS), um geheime Dokumente, Schmiergeld, gefälschte Bilanzen und um komplizierte Derivate. Auch die Deutsche Bank spielt in dem Fall eine Rolle.

Fast vier Milliarden Euro dringend benötigte Staatshilfe hat die italienische Notenbank am Wochenende für die Monte dei Paschi bewilligt. Das Traditionshaus war durch mehrere zweifelhafte Geschäfte in Schieflage geraten, für die sich jetzt auch die italienische Staatsanwaltschaft interessiert.

Mit der Übernahme der Regionalbank Antonveneta 2007 begann die Affäre: Die MPS hatte die Bank für mehr als neun Milliarden Euro von der spanischen Santander Bank gekauft - die wiederum wenige Monate zuvor nur etwa sechs Milliarden Euro für die Übernahme gezahlt hatte. Wegen des großen Preisunterschieds und des Verdacht auf Bestechung ermittelt jetzt die italienische Justiz. Jüngst kam heraus, dass in dem Deal offenbar ein bis zwei Milliarden Euro auf ein Konto in London geflossen sind, möglicherweise als Schmiergeld.

Genau in dieser Zeit, nämlich von 2006 bis 2011, war der heutige EZB-Präsident Mario Draghi Chef der italienischen Notenbank und damit oberster Bankenaufseher des Landes. Er hätte von den dubiosen Geschäften der Monte dei Paschi wissen müssen, sagen Kritiker. Die Notenbank verlangte von der MPS für die teure Übernahme damals lediglich eine Kapitalerhöhung.

Riskante Geschäfte mit der Deutschen Bank

Kurz nach der Antonveneta-Übernahme, die die Bilanz des italienischen Geldhauses schon stark belastete, gingen auch andere Geschäfte schief: Die Deutsche Bank und die japanische Bank Nomura hatten der MPS komplexe Derivate mit klangvollen Namen wie "Santorini" und "Alexandria" verkauft, die 2008 und 2009 massiv an Wert verloren. Am Ende standen Verluste von insgesamt rund 720 Millionen Euro. Die Transaktionen kamen erst jetzt ans Licht, als der neue Vorstand der Bank die Dokumente in einem versteckten Tresor fand.

Die italienische Notenbank hatte bereits 2010 von den riskanten Geschäften erfahren und von der Bank binnen 30 Tagen eine Stellungnahme gefordert. Aber kam überhaupt eine Antwort? Versprach die Führung von Monte dei Paschi den Aufsehern womöglich, etwas zu unternehmen? Oder ist vielleicht gar nichts passiert? All diese Fragen sind bis heute ungeklärt.

Als damaliger Chef der Zentralbank trägt Draghi die politische Verantwortung, auch wenn nur seine Untergebenen bei Monte dei Paschi nicht genau hingesehen haben sollten. Der Italiener stand schon mehrfach in der Kritik - wegen seiner Zeit bei der US-Investmentbank Goldman Sachs und seiner Nähe zur Hochfinanz. Der wachsende Druck auf Draghi dürfte zum Teil aber auch dem Wahlkampf geschuldet sein: In knapp vier Wochen wählen die Italiener ein neues Parlament. Das Lager von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi lässt keine Gelegenheit aus, Draghi zu attackieren, der seinerseits als Notenbankchef nicht mit Kritik an der Regierung Berlusconi gespart hatte.

Draghi tritt Flucht nach vorne an

Während der Chef des italienischen Bankenverbands - der frühere MPS-Präsident Giuseppe Mussari - bereits seinen Posten räumen musste, nahm Italiens Ministerpräsident Mario Monti die Bankenaufsicht in Schutz. Allerdings hat sich auch die EU-Kommission eingeschaltet und deutlich gemacht, dass die italienische Zentralbank handeln müsse: "Es ist Aufgabe der italienischen Behörden, die Situation zu bewerten und zu verstehen, was passiert ist", sagte ein Sprecher von Binnenmarktkommissar Michel Barnier.

Draghi trat unterdessen die Flucht nach vorne an und traf sich mit dem italienischen Wirtschaftsminister Vittorio Grilli. Der muss am Dienstag nämlich in einer Anhörung dem Parlament in Rom erklären, wie es dazu kommen konnte, dass die traditionsreichste Bank Europas äußerst riskante Geschäfte tätigte - und keiner von Draghis Aufsehern etwas davon mitbekam.

nck
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