Hauptversammlung in der Krise Die trotzige Liebe der Air-Berlin-Anleger

Air Berlin wird weiter bestehen, daran will trotz existenzieller Probleme keiner zweifeln: Auf der kaum 45 Minuten dauernden Hauptversammlung der Airline in London feiern die Aktionäre schon kleinste Schritte wie den großen Sprung.
Air-Berlin-Maschine in Tegel

Air-Berlin-Maschine in Tegel

Foto: HANNIBAL HANSCHKE/ REUTERS

Es klingt ein bisschen großspurig, von einer Hauptversammlung zu sprechen. Jede Fußballmannschaft eines Kleinstadtvereins hätte einen größeren Saal benötigt als die knapp 20 Aktionäre von Air Berlin, die sich am Mittwoch in einem Hotel einen Steinwurf entfernt vom Londoner Flughafen Heathrow trafen.

Ein Orthopäde aus Quedlinburg zum Beispiel, der in seiner Praxis Air-Berlin-Herzen verteilt. Oder Gabelstaplerfahrer Michael Hablasch, der den Air-Berlin-Anstecker auch auf Firmen-Events am Revers trägt. Wenn sie von Air Berlin sprechen, sagen sie "wir". "Im dritten Quartal muss das Geschäft so brummen, dass wir uns übers Jahr retten können", meint Rechtsanwalt Martin Stutzbach. Das dritte Quartal mit den Sommerferien sei für Airlines das wichtigste.

Besagte Fußball-Equipe hätte sich wohl auch mehr Zeit füreinander genommen als dies die Geschäftsleute taten: Kaum eine Dreiviertelstunde dauerten die Beratungen, dann eilten die Anteilseigner wieder auseinander. Ein kurzer Hinweis für die Öffentlichkeit noch ("Air Berlin ist zurück") - dann war der Spuk vorbei.

Dabei hätte es durchaus Gründe gegeben, noch eine Weile länger gemeinsam nachzudenken. Darüber nämlich, was zu tun ist, um die angeschlagene Fluglinie vor dem Untergang zu bewahren. Doch den Beteiligten genügte offensichtlich die Versicherung von Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann, die Flieger würden von nun an wieder zuverlässig und pünktlich fliegen.

Wie er das schaffen will, bleibt zunächst sein Geheimnis. Denn das dafür notwendige Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Seit 2008 schreibt Air Berlin - mit einer Ausnahme durch den Verkauf des Vielfliegerprogramms an den Mehrheitseigner Etihad - beständig rote Zahlen. Allein im vergangenen Jahr legten die Berliner überschlägig gerechnet Tag für Tag gut zwei Millionen Euro drauf. 748 Millionen waren es insgesamt. Zusammen mit den Verlustvorträgen der vergangenen Jahre hat sich auf diese Weise ein Schuldenberg von rund 1,2 Milliarden Euro angehäuft - mehr als an Eigenkapital vorhanden ist. Air Berlin ist in einer Situation, in der andere Schuldner längst über jeden Cent Rechenschaft ablegen müssen, den sie noch ausgeben.

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Krisenfluglinie: Air Berlins langer Sinkflug

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Etihad vertreibt Zweifel an Zahlungfähigkeit

Der Grund für die demonstrierte Gelassenheit dürfte bei Etihad liegen. Der arabische Großaktionär, der 29,2 Prozent der Anteile besitzt, hält das Unternehmen seit Jahren immer wieder mit Finanzspritzen über Wasser. An der Zahlungsfähigkeit bestehe deshalb kein Zweifel, sagte Winkelmann. Und er verweist auf das Versprechen Etihads, für mindestens 18 weitere Monate zu zahlen.

Dass Air Berlin bei den Landesregierungen in Berlin und Nordrhein-Westfalen schon mal für eine Bürgschaft vorfühlt, sieht Winkelmann lediglich als Zeichen vorausschauender Unternehmensführung. "Wir loten alle Möglichkeiten aus - für alle Fälle." Berichten zufolge soll es bei der Bürgschaft um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag gehen. "Wir wollen keine Steuergelder, wir wollen auch nicht verstaatlicht werden".

Nun ist ein zahlungskräftiger Großaktionär noch kein Geschäftsmodell, doch das schien in der kleinen Runde niemanden ernsthaft zu stören. Auch die alarmierenden Analystenkommentare nicht, nachdem in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass der Plan eines neuen Ferienfliegers gemeinsam mit Tui gescheitert ist.

Winkelmann verliert dazu nicht viele Worte. Für die Ferienflieger-Tochter Niki werde sich schon eine neue Partnerschaft finden. Stattdessen erzählt der Vorstandschef von den Möglichkeiten des Langstrecken-Geschäfts und von Städtetrips. Eine Perspektive, die aus Sicht von Luftfahrtexperten geradezu naiv anmutet, zählt doch zum Beispiel die Transatlantik-Route zu den Verbindungen, wo der Wettbewerb fast ruinös ist.

Partner gesucht

Wie es gelingen könnte, auf der einen Seite Ferienflieger möglichst kostengünstig abzufertigen und gleichzeitig die anspruchsvolleren Geschäftsreisenden zufriedenzustellen, darüber zerbrach sich die Runde nicht den Kopf. Dabei liegen hier nach Überzeugung von Experten die Ursachen für die Probleme, mit denen Air Berlin   zu kämpfen hat.

Womöglich, sagte ein Ex-Manager der Airline dem SPIEGEL, bereitet das Management längst alles für den Verkauf von Air Berlin vor. Doch solche Absichten weist man offiziell vehement zurück - und spricht lieber von der Suche nach einem weiteren großen Partner.

In London will Winkelmann keine Namen nennen: "Air Berlin bedient hochinteressante Märkte", sagt er. "Die sind für eine ganze Reihe von Interessenten hochinteressant." Die nächstliegende Lösung scheint eine Beteiligung der Lufthansa  , wobei allerdings zunächst einige kartellrechtliche Probleme aus dem Weg geräumt werden müssten. Die deutsche Nummer eins hat Interesse, die Schulden der Berliner will sie allerdings nicht.

Dass es irgendwie weitergehen wird, daran lässt die Air-Berlin-Chefriege am Mittwoch keine Zweifel. "Wir werden es mit ihrer Unterstützung schaffen." Kleinaktionär Marco Ebert machte klar, wie weit die Liebe geht: "Die Air Berlin hat uns die Welt gezeigt", sagte er. "Sollte sie doch pleitegehen, haben wir das Herz der Air Berlin immer noch in uns."

Mit Material von dpa
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