Air Berlin Scheichs helfen Mehdorn aus höchster Not

Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn kann aufatmen. Der Einstieg von Abu Dhabis Staatsfluglinie Etihad soll Deutschlands zweitgrößte Airline vor dem Absturz bewahren. Das könnte gelingen - doch strategisch bringt das Bündnis mit den schwerreichen Arabern eher Nachteile.
Air Berlin: Scheichs helfen Mehdorn aus höchster Not

Air Berlin: Scheichs helfen Mehdorn aus höchster Not

Foto: Andreas Rentz/ Getty Images

Hamburg - Die Partnerschaft beginnt mit einer Panne. Bunte Schaubilder hatten die Kommunikationsspezialisten von Air Berlin anfertigen lassen, um den Analysten der Banken den Einstieg der arabischen Fluggesellschaft Etihad schmackhaft zu machen. Doch leider sind sie dabei auf der Weltkarte ein bisschen verrutscht. Statt in den Persischen Golf haben sie den neuen Großaktionär aus Abu Dhabi rund 1500 Kilometer weiter südwestlich in den Golf von Aden gelegt - in jene Meerenge zwischen Somalia und dem Jemen, die bei Seefahrern als eine der gefährlichsten Regionen der Welt gilt. Kein guter Platz für ein neues Luftfahrtdrehkreuz.

Man könnte diese kleine Anekdote schnell vergessen. Doch sie zeigt sinnbildlich, wie hektisch und nervös es bei Air Berlin derzeit zugeht. Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft kämpft ums Überleben - und hat mit der Kapitalspritze aus Abu Dhabi nur ein bisschen Zeit gewonnen.

Rund 73 Millionen Euro will Etihad zahlen, um seine Anteile an Air Berlin   von knapp drei auf 29 Prozent aufzustocken. Zusätzlich stellt die Fluglinie aus dem schwerreichen Emirat Abu Dhabi Kreditlinien von 255 Millionen Dollar zur Verfügung, die Air Berlin im Notfall nutzen kann.

"Das ist erst mal eine große Erleichterung", sagt Jürgen Pieper, Luftfahrtexperte beim Bankhaus Metzler. Das frische Kapital und die Kredite könnten das Unternehmen über das "sehr problematische Jahr 2012" retten. "Die Wahrscheinlichkeit, dass Air Berlin überlebt, hat sich damit erhöht."

Deutschlands zweitgrößte Fluglinie steckt tief in der Krise. Nach drei Verlustjahren in Folge dürfte auch 2011 wieder mit roten Zahlen enden: Bereits in den ersten neun Monaten des Jahres hatte die Airline ein Minus von mehr als 130 Millionen Euro eingeflogen. Zudem lasten Schulden von zuletzt 644 Millionen Euro auf dem Unternehmen.

"Nur ein bisschen Luft zum Atmen"

Angesichts der misslichen Lage hatte der langjährige Firmenchef Joachim Hunold im September aufgegeben und Hartmut Mehdorn auf den Chefposten gehievt. Der Ex-Bahn-Chef soll ein noch von Hunold eingeleitetes Sanierungsprogramm durchziehen. Dabei sollen zahlreiche Strecken gestrichen und die Flotte von 170 auf 152 Maschinen verkleinert werden.

Das alles hätte laut Experten möglicherweise nicht gereicht, um sicher durch das nächste Jahr zu kommen. Die Konjunktur flaut ab und die Banken knausern bereits mit Krediten - in einem solchen Umfeld haben es angeschlagene Unternehmen traditionell besonders schwer. Air Berlin leidet zudem unter der zu Jahresbeginn 2011 in Deutschland eingeführten Luftverkehrsteuer, die besonders die preisbewusste Stammkundschaft des Unternehmens abschreckt.

In einer solchen Lage feiert Mehdorn das Bündnis mit Etihad wie einen unverhofften Lottogewinn: "Das ist ein Leuchtturmprojekt in der Luftfahrtgeschichte", jubelte der Unternehmensboss am Montag.

Experten sind da schon etwas verhaltener. Nach ihrer Ansicht kann die neue Partnerschaft mit Etihad die akuten Leiden von Air Berlin zwar lindern. Für eine langfristige Genesung der angeschlagenen Fluggesellschaft dürfte der Deal aber nicht reichen. "Air Berlin bekommt ein bisschen Luft zum Atmen", sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. "Doch ohne weitere Kostensenkungen hat das Unternehmen keine Überlebenschance."

Der Standort Dubai geht verloren

Strategisch gesehen bringt der Deal zwischen Etihad und Air Berlin vor allem Vorteile für die Araber. Sie können künftig auf Air Berlins dichtes Streckennetz in Deutschlands zurückgreifen. Bisher ist Etihad hierzulande nur an den Flughäfen München, Frankfurt und Düsseldorf vertreten. "Wenn Air Berlin die Zubringerflüge übernimmt, kann Etihad künftig zum Beispiel auch Flüge mit Start und Ziel Hamburg oder Berlin anbieten", sagt Experte Großbongardt. Insgesamt steuert Air Berlin in Deutschland mehr als 20 verschiedene Ziele an.

Diese Vorteile sieht auch Etihad-Chef James Hogan. "Deutschland ist ein wichtiger Markt, und Air Berlin ist auch in Österreich, der Schweiz und Spanien gut vertreten", sagte er der Nachrichtenagentur dpa-AFX. "Solch eine Präsenz könnten wir alleine nie so schnell erreichen."

Für Air Berlin ist das langfristige Potential des neuen Bündnisses deutlich kleiner. Das Unternehmen kann in Deutschland vor allem auf Umsätze durch die Zubringerflüge für Etihad rechnen. Zudem sollen Air-Berlin-Kunden künftig in Abu Dhabi in Flüge der neuen Partner-Airline nach Asien und Australien umsteigen können.

Dafür muss das Unternehmen allerdings seinen zentralen Standort in der Region von Dubai nach Abu Dhabi verlegen - für Experten ein klarer Nachteil. "Dubai ist für europäische Fluggäste deutlich attraktiver als Abu Dhabi" meint Jürgen Pieper. "Dieses Angebot geht nun verloren."

Neue Bündnisse sind nun gefährdet

Pieper sieht noch weitere Probleme bei der neuen Partnerschaft: So verfolgten die Araber teilweise andere Ziele als Air Berlin. "Etihad muss nicht profitabel sein", sagt Pieper, "da gelten andere Prioritäten." In der Tat schreibt auch die Airline aus Abu Dhabi rote Zahlen - wie hoch genau das Minus ist, verschweigt das Unternehmen. Im Zweifel steht ohnehin das schwerreiche Emirat Abu Dhabi parat, das fast jeden Verlust ausgleichen kann.

In der deutschen Wirtschaft ist Abu Dhabi nicht ganz fremd: Seit 2009 ist der arabische Staatsfonds IPIC mit rund neun Prozent am Autobauer Daimler beteiligt. Bisher lief das Bündnis problemlos - anders als bei Air Berlin ist es allerdings ein reines Finanzinvestment ohne strategische Partnerschaft.

Schwerer als die unterschiedlichen Kulturen dürfte ein anderer Nachteil wiegen: Die neue Partnerschaft versperrt Air Berlin möglicherweise den Weg zu wichtigen internationalen Bündnissen. Offiziell hält das Unternehmen zwar an seinem Ziel fest, bis zum Frühjahr Teil der Luftfahrtallianz Oneworld zu werden, der unter anderem British Airways  , die spanische Iberia  , die australische Qantas   und American Airlines angehören. Doch Branchenkenner zweifeln, ob es dazu nun noch kommt.

"Vor allem für die größeren Partner in der Oneworld-Allianz ist Etihad ein Reizthema", sagt Analyst Großbongardt. Die arabische Staatsairline konkurriere gerade auf Langstrecken mit Linien wie British Airways oder Qantas. Auch Bankenanalyst Pieper ist skeptisch: "Die Gefahr ist, dass man Oneworld nun als Partner verlieren könnte."

Langfristig wäre das ein großer Nachteil. Selbst mit Etihad zusammen kommt Air Berlin gerade mal auf 233 Flugzeuge und 40 Millionen Passagiere pro Jahr. Im weltweiten Maßstab ist das viel zu wenig. Ohne größere Partner bleibt man da schnell auf der Strecke. Insofern dürfte Air-Berlin-Chef Mehdorn mit einer Einschätzung Recht behalten: "Etihad ist kein bequemes Sofa für uns."

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