Fotostrecke

Motivationstrainings bei Airbus: Verordnete Freude

Foto: Maurizio Gambarini/ dpa

Motivationstraining bei Airbus Freu dich gefälligst und geh arbeiten!

Beim Flugzeughersteller Airbus gilt das Betriebsklima als katastrophal. Das Unternehmen versucht seit einiger Zeit mit Motivationstrainings gegenzusteuern - offiziell mit Erfolg. Doch so einfach lässt sich die Belegschaft offenbar nicht aufheitern.

Hamburg - Airbus gilt unter angehenden Ingenieuren als Traumarbeitgeber: gutes Gehalt, exzellente Bedingungen in einem internationalen Konzern, der auch noch große Flugzeuge herstellt. Hinter den Kulissen sieht es aber ganz anders aus: Die Stimmung ist mies, und das schon seit Jahren - so mies, dass eigens ein Manager damit betraut wurde, das Arbeitsklima zu verbessern.

Thorsten Brinkop ist dieser Manager. Er sitzt in seinem Büro mit Elbblick am Airbus-Standort in Hamburg-Finkenwerder. Der 48-jährige Schnurrbartträger beschreibt, wie sogenannte "Culture Change Agents" - die man wohl mit "Agenten des Kulturwandels" übersetzen kann - die Mitarbeiter animieren sollen, wieder gern zur Arbeit zu kommen. Das wirkt wie eine Mischung aus altbekannten Rezepten und vielen neuen Anglizismen.

Drei Dutzend dieser Agenten sind bei Airbus im Einsatz: Ihr Auftrag ist es, nach und nach jeden der mehr als 50.000 Mitarbeiter des Flugzeugherstellers aufzusuchen und mit ihnen über die Knackpunkte im Unternehmen zu sprechen. Bei Airbus wird in Teams gearbeitet, die in der Regel aus 12 bis 15 Mitarbeitern bestehen. Mit jedem führen die Agenten laut Brinkop ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch und stellen dem Team danach eine Zusammenfassung der Ergebnisse vor. In sogenannten Teamboostern beschäftigen sich die Gruppen dann mit sich selbst, meist in einem Tagungshotel. 1200 Gespräche hätten seine Agenten bisher geführt und den Ingenieuren danach das Miteinander-Reden beigebracht, denn "offenes Feedback lernt man nicht an der Uni", sagt Brinkop.

Kommunikationsschwierigkeiten haben bei EADS Tradition

Seit langem haben der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS und seine Tochter Airbus ein Problem mit der Stimmung der Belegschaft. Jahrelang tat sich das Management des Vier-Nationen-Konzerns schwer mit den unterschiedlichen Unternehmenskulturen. Der Konflikt eskalierte im Jahr 2006, als bei Airbus die Probleme bei der Produktion des weltgrößten Passagierflugzeugs A380 bekannt wurden. Die Standorte in Frankreich und Deutschland beschuldigten sich gegenseitig, für die Pannen verantwortlich zu sein.

Als das Management auch noch das Sparprogramm "Power8" durchboxte, war die Motivation der Mitarbeiter auf dem Tiefpunkt. EADS beauftragte die US-Beraterfirma Gallup damit, regelmäßig die Stimmung im Unternehmen zu messen. Als EADS sich 2009 zum ersten Mal bei seinen damals fast 120.000 Mitarbeitern nach dem Befinden erkundigte, war das Ergebnis katastrophal: 90 Prozent der Airbus-Beschäftigten bezeichneten sich als demotiviert. Sie fühlten sich von ihren Vorgesetzten alleingelassen und nicht ernst genommen. Ihre Leistungen würden nicht gewürdigt, ihre Vorschläge und Ideen nicht aufgegriffen; und mit einer Beförderung rechnete kaum noch ein Mitarbeiter. Airbus-Chef Tom Enders gab damals vor, die Botschaft verstanden zu haben: "Das muss ein Auslöser sein für eine neue Kommunikationskultur", sagte er.

Freie Rede unerwünscht

Doch nach einer offenen Kommunikationskultur muss man auch heute lange suchen. Das Airbus-Management jedenfalls lässt seine Angestellten ungern mit Journalisten sprechen - so kommen auch bei dem Besuch von SPIEGEL ONLINE am Standort Hamburg keine einfachen Mitarbeiter oder die Moderatoren der Motivationstrainings zu Wort. Nur Brinkop und der Sprecher für das Deutschland-Geschäft, Florian Seidel, sind bereit, von ihren Erfahrungen zu erzählen.

Seidel, "selbstverständlich" selbst Teilnehmer eines Teamboosters, berichtet, dass sich die Kollegen bei einem Gospel-Workshop oder bei der gemeinsamen Bewältigung von Aufgaben am Strand einmal "von der persönlicheren Seite" hätten sehen können. In den Arbeitsgruppen würden dann Probleme benannt, Lösungen vereinbart und nach drei bis sechs Monaten werde überprüft, ob die Ziele erreicht worden seien. Es scheint sich um ein breites Angebot von klassischen Maßnahmen zu handeln, wie sie jeder größere Konzern zur Stimmungsaufhellung anwendet. Doch reicht das?

Die Ergebnisse der zweiten Umfrage im Herbst 2010 zumindest sind bis heute unter Verschluss. Brinkop hebt hervor, dass die Beteiligung gestiegen sei, von 70 Prozent in der ersten Umfrage auf 80 Prozent - das zeige doch die hohe Identifikation mit dem Unternehmen und den Willen zur Veränderung. Bei den Ergebnissen weicht er aus: Die Werte unterschieden sich von Team zu Team, eine Verallgemeinerung sei unzulässig. Johann Dahnken, Airbus-Gesamtbetriebsratschef, ist offener: Die zweite Umfrage habe die Ergebnisse der ersten im wesentlichen bestätigt, sagt er. Eine Verbesserung sei kaum messbar gewesen.

Betriebsrat setzt auf Zukunftstarifvertrag statt Culture Change Agents

Die Wertschätzung der geleisteten Arbeit, eines der für die deutschen Ingenieure wichtigsten Kriterien, habe bis heute kaum zugenommen. Das erzählen auch Airbus-Beschäftigte unter der Bedingung, dass ihre Namen nicht genannt werden. Dazu kommt in vielen Abteilungen der Frust darüber, dass immer mehr Entwicklungsaufgaben aus Deutschland abgezogen werden. "Forschung und Entwicklung werden in der Zentrale gemacht, und die liegt nun einmal in Toulouse", sagt Brinkop dazu.

Im Frühsommer sollen die Ergebnisse der neuesten Gallup-Umfrage vorliegen. Auch hier hält Airbus-Sprecher Seidel eine Veröffentlichung für "nicht hilfreich" - schließlich gehe es vor allem darum, zu bewerten, ob die eigenen Bemühungen gefruchtet hätten. Nur die Teamleiter würden über die Ergebnisse der Umfrage in ihrem eigenen Team informiert.

Der Betriebsrat ist ohnehin skeptisch: Eine wirkliche Verbesserung bringe allein der jüngst mit den Arbeitgebern vereinbarte Zukunftstarifvertrag (ZTV). Darin ist unter anderem festgelegt, dass mindestens 80 Prozent der Arbeiten in den bestehenden Flugzeugprogrammen von festangestellten Airbus-Beschäftigten geleistet werden müssen. Vor allem aber soll die Belegschaft stärker in die Arbeitsorganisation eingebunden werden - damit, hofft Betriebsrats-Chef Dahnken, werde den Mitarbeitern jene Wertschätzung gegeben, die sie seit Jahren einfordern. Gut möglich also, dass auch die Gallup-Umfrage allein deshalb deutlich besser ausfällt.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten