Möglicher Verkauf Immobilienkonzern Akelius verschiebt Hunderte Wohnungen

Blick auf Berlin
Foto: A.Friedrichs / imago imagesDie Häuser stehen im Partykiez um die Kreuzberger Wrangelstraße oder nahe der riesigen Freizeitfläche des Tempelhofer Felds. Sie stehen in den früheren Arbeitervierteln Wedding und Schöneberger Insel oder entlang von Charlottenburgs einstigem Prachtboulevard Kaiserdamm. Auch Hochhäuser in Ost-Berlin sind dabei, mit Hunderten von Wohnungen.
Eines haben alle Gebäude gemeinsam: Ihre Bewohner sind Mieter des schwedischen Immobilienkonzerns Akelius und bekamen um die Jahreswende Post. Die Miete soll demnach künftig auf ein neues Konto überwiesen werden, zudem würden eingezahlte Kautionen an eine andere Firma übertragen. Auch wurden Reparaturservices mit einem Dienstleister sowie der Conciergeservice für Hochhäuser gekündigt.
Die Briefe könnten Vorboten einer großen Transaktion sein – dem Verkauf zahlreicher Akelius-Immobilien in Berlin und Hamburg. Dafür sprechen Unterlagen und Berichte von Mietern, die dem SPIEGEL und der »taz« vorliegen. Demnach hat Akelius allein in Berlin mehr als 30 Grundstücke in neue Tochterfirmen verschoben, die Namen wie A.B.R. 3 GmbH & Co. KG tragen. In Berlin wurden 59 durchnummerierte Gesellschaften dieser Art gegründet, in Hamburg waren es 34 mit dem Kürzel A.H.R.
Die Transaktionen fielen dem Bündnis »Vernetzung der Akelius-Mieter*innen« auf, das Misstrauen sitzt hier tief. Akelius ist bekannt für aufwendige Sanierungen, nach denen die Mietpreise stark ansteigen. Zudem ist der Konzern bekannt für Steueroptimierung. Firmengründer Roger Akelius wurde einst mit Büchern und Software zu diesem Thema bekannt und verwaltet sein Vermögen über Stiftungen auf den Bahamas. Im Gespräch mit dem SPIEGEL wehrte er sich gegen die Kritik und griff scharf den Mietendeckel der deutschen Hauptstadt an. »Das ist eine klare Botschaft an Investoren: Gründet keine Firma in Berlin!«
Diesen Rat hat Akelius nun ignoriert. Häuser wurden von alten in neue Subfirmen verschoben, die jeweils aus Kürzeln und laufenden Zahlen bestehen. So gehörte beispielsweise ein Haus in Berlin-Neukölln bisher der A.R.O. 17 GmbH und gehört jetzt zur A.B.R. 5 GmbH & Co. KG, die im Oktober 2020 in Berlin angemeldet wurde. Pro neuer Gesellschaft wurden offenbar maximal zwei Häuser zugeordnet. Doch warum?
Mieter vermuten, dass Akelius einen steuersparenden Paketverkauf in Deutschland plant. Bislang machen allein Häuser in Berlin nach Unternehmensangaben ein Viertel des Marktwerts der Akelius-Immobilien aus. Doch der Konzern klagt, dass sein bisher wichtigster Standort vor allem durch den Mietendeckel nicht mehr so attraktiv sei. Dieser bedeute allein 2021 voraussichtlich Mindereinnahmen von 23 Millionen Euro.
Lange lief das Geschäft in Berlin allerdings glänzend. Seitdem Akelius hier 2006 die ersten Häuser kaufte, sind neben den Mieten auch die Kaufpreise massiv gestiegen. Diese Wertsteigerungen, sogenannte stille Reserven, sind in der Bilanz bislang nicht verbucht. Falls Akelius aber nun Immobilien weiterverkaufen sollte, drohen hohe Steuerzahlungen auf den Gewinn.
Weniger Steuern durch neue Firmen?
Diesen steuerpflichtigen Gewinn möchte Akelius durch die Verschiebungen möglicherweise reduzieren. »Die Umstrukturierung und die neuen Firmen könnten ein Versuch sein, Verluste der Vorjahre aus Abschreibungen und Zinszahlungen mit Wertsteigerungen zu verrechnen, bevor sie beim Verkauf verloren gehen«, sagt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. »Dabei bietet die GmbH & Co. KG zusätzliche Flexibilität.«
Verluste hat auch die A.R.O. 17 gemacht, der das Haus in Neukölln gehörte. Ihr Jahresfehlbetrag für 2018 lag bei rund 1,3 Millionen Euro. An der neuen Eignerin A.B.R. 5 bleibt sie nun als beschränkt haftender Gesellschafter (Kommanditist) beteiligt. An der A.R.O. 17 wiederum ist neben Akelius mit gut fünf Prozent eine zyprische Gesellschaft beteiligt. Konstruktionen mit Co-Investoren sind typisch für sogenannte Share-Deals, mit denen die Zahlung von Grunderwerbsteuer vermieden wird.
Auf Anfrage bestätigte Akelius einen »firmeninternen Umstrukturierungsprozess«. Durch den ändere sich aber für Mieterinnen und Mieter »bis auf den Namen des Vermieters nichts«, der Eigentümerwechsel habe »keinerlei Auswirkungen auf das bestehende Mietverhältnis unserer Mieterinnen und Mieter«. Zur Kündigung von Reparatur- und Conciergeservices erklärte Akelius, man überprüfe »regelmäßig unsere Dienstleister« und passe »unsere Dienstleistungen und Services an aktuelle Entwicklungen an«. Auf die Frage nach einem möglichen Verkauf hieß es, grundsätzlich sei »Akelius ein langfristiger Bestandshalter von Wohnimmobilien. Vereinzelt können leer stehende Wohnungen auch zum Verkauf angeboten werden.«
Die betroffenen Mieter vermuten, dass ihre Häuser gezielt für den Verkauf ausgesucht wurden – weil sie für Akelius nicht mehr besonders attraktiv sind. Die meisten liegen in sogenannten Milieuschutzgebieten, in denen die Bezirke aufwendigere Modernisierungen untersagen können. Die waren bislang ein Kernbestandteil von Akelius' Geschäftsmodell. In vielen Fällen liegen nach Mieterangaben zudem keine sogenannten Abgeschlossenheitsbescheinigungen vor, zum Teil bestehen sogenannte Abwendungsvereinbarungen. Das bedeutet, dass Bezirke für die Häuser ihr Vorkaufsrecht nutzen können – ein Instrument, das sich wachsender Beliebtheit erfreut.
Akelius sei »einer der aggressivsten Vermieter Berlins«, sagt Cansel Kiziltepe. Die SPD-Bundestagsabgeordnete erstattete im Zusammenhang mit einem Share-Deal sogar Anzeige gegen das Unternehmen. »Wenn sich jetzt abzeichnet, dass Akelius Berlin verlassen will, dann ist das auch ein Erfolg der Mieter*innen-Initiativen«, so Kiziltepe. Die Bewohner hätten »einen besseren Vermieter verdient«.
Doch Betroffene bezweifeln, dass sie den bekommen. Bislang habe Akelius über Share-Deals die Vorkaufsrechte umgangen und mit Luxussanierungen die Preise in die Höhe getrieben, heißt es in einer Stellungnahme der Vernetzung der Akelius-Mieter*innen. »Nun wandelt Akelius entweder Mietwohnungen in Eigentumswohnungen um und verkauft sie zu Höchstpreisen oder verkauft sie in einem Megadeal an einen anderen Spekulanten weiter.«
»Jedes Mal wurde es schlimmer«
Die Interessengemeinschaft zitiert einzelne Mieter (alle Namen geändert), die durch die Umstrukturierungen tief verunsichert sind. »Ich habe es kaum abwarten können, endlich meine erste eigene Wohnung zu haben«, sagt etwa Simon Müller. »Doch inzwischen merke ich, dass mein Zuhause nur ein Gegenstand ist, der von Immobilienkonzernen hin- und hergeschoben wird.« Maria Lehmann sagt, sie stelle wegen der Wohnsituation sogar ihren Wunsch nach einer Familiengründung infrage. Wie sollten ihre »Kinder mal Fuß fassen in einer Gesellschaft, in der nicht einmal das eigene Dach über dem Kopf sicher ist?« Und der Mieter Moritz Bauer beklagt: »Unser Haus wurde in den letzten Jahren oft verkauft und jedes Mal wurde es schlimmer.«
Glaubt man Akelius, sind die Sorgen unberechtigt. »Grundsätzlich können Mieterinnen und Mieter bei Akelius ruhig schlafen«, teilte der Konzern mit. »Wir vertreiben nachweislich keine Mieterinnen und Mieter durch Luxussanierungen oder Modernisierungen. Akelius fingiert keine Share-Deals mit Subunternehmen. Dies weisen wir mit aller Deutlichkeit zurück.« Man plane »langfristig in Berlin und Deutschland zu bleiben«.
Doch die Goldgräberzeiten für Unternehmen wie Akelius scheinen in Berlin vorbei zu sein – auch weil die Mieten nicht mehr mit den Kaufpreisen mithalten. Zurzeit schaute sich Akelius verstärkt in Nordamerika um, kaufte unter anderem in Washington, D.C., zu. »Akelius hat beschlossen, Ottawa zu betreten, die Hauptstadt von Kanada«, heißt es fast pathetisch in einer Pressemitteilung von Dezember.
In der deutschen Hauptstadt stellt man sich hingegen zumindest auf einen Teilrückzug von Akelius via Paketverkauf ein. »Die Mittel aufseiten des Senats sind vorhanden«, sagt Florian Schmidt (Grüne). Der Kreuzberger Baustadtrat sorgte durch eine besonders beherzte Vorkaufspolitik für Schlagzeilen, einige seiner Entscheidungen beschäftigen jetzt einen Untersuchungsausschuss. Mit Blick auf Akelius zeigt sich Schmidt dennoch angriffslustig. »Ich bin mir sicher, dass je größer das Paket, umso größer die Motivation, bei Bezirk, Senat, Drittkäufern und Mieter*innen das Vorkaufsrecht zu prüfen und auszuüben.«