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Aldi: Die Brüder, die Erben, das Imperium

Foto: Roland_Scheidemann/ picture-alliance/ dpa

Aldi-Schwäche All die Probleme

Hohe Qualität, niedrige Preise - mit diesem simplen Prinzip dominierte Aldi den Markt für Discounter. Doch Lidl und Co. greifen inzwischen frontal an, und viele Kunden wandern zu klassischen Supermärkten ab. Hat der Marktführer seinen Zenit überschritten?
Von Arvid Kaiser

Hamburg - "Radikal einfach" - mit diesen beiden Worten ist der Kern des Aldi-Prinzips beschrieben. Im Einzelnen heißt das: Die Produkte sind qualitativ hochwertig, die Preise aber niedrig. Und Hauptsache, im Laden und Drumherum gibt es keinen Schnickschnack. Über diese Grundsätze hat Theo Albrecht stets gewacht. Und die Aldi-Manager werden sie auch nach seinem Tod befolgen.

Wenn, ja wenn sich nicht bereits zu Theos Lebzeiten ein zweites Prinzip in den Handelsriesen eingeschlichen hätte. Es widerspricht der radikalen Sparsamkeit, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt. Denn Aldi kämpft um seine Preisführerschaft, "koste es, was es wolle". So beschreibt es eine neue Studie der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und von SAP über den Einzelhandel für Lebensmittel.

Die Autoren schreiben, dass die Billigheimer aus dem Ruhrgebiet hinter dem im vergangenen Jahr erstmals festgestellten Preisverfall für Lebensmittel stünden. Denn mit der Wirtschaftskrise lasse sich dieses Minus nicht erklären. "Aldi gibt die Preise vor, und die anderen folgen", sagt GfK-Forscher Wolfgang Adlwarth. So einfach sind die Machtverhältnisse unter den Discountern.

Aldi könne es sich dank seiner Position und der deutlich höheren Margen auch leisten, die Preise zu senken, sagt Adlwarth. Schließlich habe das Unternehmen "am meisten Puffer" dafür. Dass die Firma ihre Marktmacht nutzt und die Konkurrenten unter Druck setzt, folgt einem einfachen Kalkül: Aldi ist mit seinem dichten Filialnetz an der Sättigungsgrenze. Der Discounter kann in Deutschland nicht mehr wachsen, sondern nur noch die margenschwächeren Wettbewerber mit Dumping in den Ruin treiben.

Die Talfahrt der Preise ist gestoppt

14 Preisrunden gab es allein im vergangenen Jahr in der Branche. Bis ins Frühjahr 2010 setzte sich der Kampf um die billigsten Produkte fort. Ausgezahlt hat es sich nicht, darin sind sich die Handelsexperten einig. Der als Krisenfolge erwartete Run auf die Billigläden blieb aus. "Mit dem Preiskampf haben die Discounter eine sehr unliebsame Erfahrung gemacht", sagt Susanne Eichholz von IBH Retail Experts Köln. Die Umsätze mit Molkereiprodukten beispielsweise seien zweistellig eingebrochen. Trotz der drastisch sinkenden Preise blieb der Absatz konstant.

Inzwischen ist die Talfahrt gestoppt. "Es ist ein bisschen Ruhe in die Discount-Landschaft gekommen", sagt Eichholz. Sie sieht "keine neuen Aktionsideen, keine neuen Produkte". Aufregung gebe es allenfalls noch um die Brotbackautomaten von Aldi Süd und Lidl. Eine alte Idee. Die Flächenexpansion werde ins Ausland verlagert, "in Deutschland sind die Pfründe verteilt".

Auch die GfK beobachtet seit Mai wieder steigende Preise bei den Discountern. Auch dieses Mal gab Aldi die Richtung vor - und verteuerte die Butter. Das zeige vielleicht ein Umdenken, womöglich aber auch nur äußere Umstände wie teurere Rohstoffe, sagt Adlwarth. Jedenfalls verliere der Marktführer weiterhin Umsatz und Marktanteile. Laut GfK büßte Aldi im Juni knapp zwei Prozent seines Umsatzes ein. Und das in einer Zeit, in der die Branche insgesamt ein Plus verbuchte.

Die Deutschen achten selten auf den Preis

Die Kunden wandern offenbar verstärkt von den Discountern zurück zu Vollsortiment-Supermärkten wie Edeka oder Rewe. Diese machten zuletzt sogar mit einem direkten Preisvergleich zu Aldi Werbung für ihre Handelsmarken. Eine Aktion, die sich der Groß-Discounter verbat. Doch auch die direkten Konkurrenten jagten Aldi Marktanteile ab. Lidl baut weiter seine Ladenfläche aus und verkauft mehr Markenprodukte. Die Edeka-Tochter Netto ist nach der Übernahme von Plus ebenfalls zum ernsthaften Wettbewerber um die Spitze aufgestiegen. Und auch der Rewe-Ableger Penny greift immer stärker an.

Die härtere Konkurrenz ist das eine. Gfk-Mann Adlwarth hat aber auch einen Trend zu den sogenannten Mittemarken ausgemacht - also Markenprodukten, die teurer als Handelsware sind, aber billiger als das Premiumsortiment. Aldi hat aber zu 95 Prozent Handelsmarkenanteil, ist deshalb von dieser Entwicklung besonders hart getroffen.

Die GfK-Forscher haben in ihrer Studie auch noch etwas Überraschendes herausgefunden: Die Deutschen achten nur bei wenigen Produkten wirklich auf den Preis. In Zukunft müssten die Händler um des eigenen Überlebens willen "ausloten, welche Preise maximal verlangt werden können, ohne Kunden zu verlieren", sagt Adlwarth. Ob Aldi sein Prinzip, immer günstiger als die Konkurrenz zu sein, da noch durchhalten kann, ist fraglich.

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