Staat als Hauptaktionär Französischer Patriotismus siegt im Bieterstreit um Alstom

Staat als Hauptaktionär: Französischer Patriotismus siegt im Bieterstreit um Alstom
Foto: FREDERICK FLORIN/ AFPDie Medien hatten den Bieterwettstreit als "Mutter aller Übernahmeschlachten" beschrieben, der Wirtschaftsminister "ökonomischen Patriotismus" empfohlen, und schließlich schaltete sich der Präsident persönlich in die Verhandlungen ein: François Hollande machte das Dossier "Alstom" zur Chefsache. Die Kontrahenten - Siemens-Chef Joe Kaeser und General Electric Boss Jeffrey Immelt - empfing er persönlich im Élysée.
Nun steigt der Staat selbst als Aktionär bei dem Traditionsunternehmen ein, das immer noch als "Aushängeschild der französischen Industrie" gepriesen wird. Das Eingreifen von Regierungsseite passt nicht nur zum historischen Erbe von Jean-Baptiste Colbert, Finanzchef unter Ludwig XIV, sondern auch zum Selbstverständnis der regierenden Linken. "Ein Sieg für Alstom" freute sich Premier Manuel Valls und lobte den Einsatz von Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg: "Ohne unsere Intervention wäre Alstom schon seit Monaten bedingungslos in den Händen von General Electric."
Denn bei der Rettung von Alstom geht es nicht einfach um den nötigen Kapitalzuschuss für die Export-Ambitionen eines finanziell schwach aufgestellten Unternehmens. Das Engagement des Staats, so titelt "Le Monde" in ihrer Internetausgabe, ist somit ein "nationales Anliegen".
Zwei Drittel der Aktien will Paris kaufen
Alstom, in Frankreich bekannt vor allem als Konstrukteur des TGV-Schnellzugs, zählt zu den letzten verbleibenden Vorzeigefirmen der bröckelnden industriellen Basis. Der ökonomische Patriotismus ist jedoch parteiübergreifend: Schon 2004 hatte sich Ex-Präsident Nicolas Sarkozy mit Erfolg gegen eine Alstom-Übernahme durch Siemens gewehrt. Jetzt gab sich Sozialist Montebourg selbstbewusst: "Alstom verdiente eine Allianz und keine Übernahme per Kauf."
Zwei Drittel der Aktien will Paris daher vom Hauptaktionär Bouygues kaufen, der vor zehn Jahren anstelle der Regierung als Retter eingesprungen war. Der Staat wäre mit etwa 20 Prozent dann der stärkste Anteilseigner - mit erheblicher Mitsprache. Zugleich behält sich die Regierung aber ein Vetorecht vor, falls das Angebot nicht mit den Vorstellungen der sozialistischen Entscheidungsträger übereinstimmt.
Unter den ausländischen Bewerbern erhält ausgerechnet das US-Unternehmen General Electric den Zuschlag, obwohl gerade der Elysée vor den Folgen des Engagements gewarnt hatte: etwa ein Umzug des Hauptquartiers nach Amerika oder der mögliche Verlust von Arbeitsplätzen.
Pech für Siemens-Mitsubishi Heavy Industries. Die Konkurrenten, die ihr ursprüngliches Angebot von 8,2 Milliarden gerade um 1,2 Milliarden nachgebessert hatten, gehen offenbar leer aus. Das ist umso erstaunlicher, als die Deutschen erst auf ausdrücklichen Wunsch des Elysée auf das Übernahmeansinnen des US-Multis reagiert hatten. "Ein europäischer Schwerpunkt" sollte rund um das Unternehmen in Belfort entstehen, mehr noch, eine Vorzeigefirma nach dem Muster von Airbus.
Siemens' japanischer Partner passte nicht ins Konzept
Da passte es Paris offenbar nicht ins Konzept, dass Siemens überraschend den japanischen Partner mit ins Spiel brachte: Zum einen, um Brüsseler Auflagen zu umgehen und zum anderen, weil die Deutschen angesichts einer anstehenden Umstrukturierung dringend noch einen finanziell potenten Teilhaber mit ins Boot holen wollten.
Siemens äußerte in einer ersten Reaktion Verständnis für die nationalen Interessen der französischen Regierung zur Neuordnung von Alstom. "Wir respektieren und verstehen die politischen Interessen der Regierung auf dem Gebiet der Energietechnik", sagte Vorstandschef Joe Kaeser und lobte noch einmal die eigene Taktik: "Wir hatten zusammen mit unserem Partner MHI sowohl in Bezug auf industrielle und strategische Nachhaltigkeit, als auch in finanzieller Hinsicht sowie bei sozialen Aspekten nachweislich das bessere Angebot."
Aber die Amerikaner kamen Frankreich offenbar weit entgegen. Kern des überarbeiteten GE-Vorschlags, der allerdings noch vom Alstom-Verwaltungsrat abgesegnet werden muss, ist laut "Le Monde" die Aufteilung des Unternehmens in drei Joint-Venture Firmen - Turbinen, Infrastruktur und erneuerbare Energien. Im Gegenzug soll Alstom die GE-Aktivitäten im Bereich Eisenbahn-Signaltechnik übernehmen, und die Verwaltungen der Teilbereiche behalten ihren Sitz in Frankreich.
Experten unterstreichen zudem, dass die Neukonstruktion zwei Firmen zusammenbringt, deren Bereiche sich gut ergänzen. Und selbst die Gewerkschaften begrüßten die Hilfestellung der Regierung, weil mit General Electric ein Partner gefunden wurde, der in Belfort gleich neben dem Stammwerk von Alstom seine Werkhallen stehen hat. "Das ist beruhigend", so die CGT in einer Stellungnahme, "und es gibt keinen Zweifel, dass der Verwaltungsrat für General Electric stimmen wird."
Kritik gab es aus den Reihen der Opposition. Dort warnte man nicht nur vor den hohen Kosten der Beteiligung, weil die Aktien, laut Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg "zu Marktpreisen" erworben werden. Zudem braucht auch die neue Konstruktion den Segen der Brüsseler Wettbewerbswächter. Eine Hürde, an der die Allianz tatsächlich noch scheitern könnte: Ein GE-Alstom Verbund in der Turbinen-Sparte würde 62 Prozent der weltweiten Produktion kontrollieren.