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Solarenergie: Chinas grüne Revolution

Foto: China Photos/ Getty Images

Alternative Energieprojekte China plant die grüne Revolution

Rauchende Schlote, verdreckte Flüsse, Energiehunger ohne Ende: Chinas Industrie boomt auf Kosten der Natur. Doch jetzt steuert die kommunistische Führung um und plant gigantische Ökostrom-Projekte. Schon bald könnte Peking den Westen bei grüner Technologie überholen.
Von Daniela Schröder

Hamburg - Solarzellen bedecken die Dächer, Sonnenkollektoren heizen das Wasser, Straßenlampen leuchten mit Sonnenenergie. Ihre letzte Stromrechnung haben die Einwohner der Stadt vor Jahren erhalten. Jeder Dritte arbeitet in der Solarindustrie. Ohne Solartechnik gibt es keine Baugenehmigung, egal ob Fabrik oder Wohnhaus.

Eine Modellsiedlung in Skandinavien?

Keinesfalls: Es handelt sich um Dezhou, eine Stadt südlich von Peking. Sie wirkt wie ein Vorgriff auf die Zukunft, sie lebt ganz im Zeichen der Sonne - und gilt damit als Prototyp für Chinas grüne Revolution.

Ausgerechnet der größte Luftverschmutzer der Welt hat einen aggressiven Öko-Kurs eingeschlagen. Die kommunistische Führung in Peking hat die grüne Wirtschaftswende vorgegeben und legt den Fokus auf erneuerbare Energien: Mit einer Subventionsoffensive soll das Land in nur wenigen Jahren zur führenden Kraft bei der Ökoenergie aufsteigen.

Bisher deckt China, nach den USA der zweitgrößte Energieverbraucher der Welt, rund 70 Prozent seines Bedarfs mit Kohle. Doch der Brennstoff wird nicht reichen, um den wachsenden Energiehunger des riesigen Landes zu stillen. Bei Strom aus Wasserkraft liegen die Chinesen bereits vorn. Weltspitze wollen sie nun auch bei der Energie aus Sonne und Wind werden.

Riskante Zögerlichkeit

Das Denken Pekings hat sich radikal gewandelt, heißt es bei Greenpeace China. Erst als Öko-Schmuddel leben und später den Preis dafür zahlen, dieser Weg der westlichen Industriestaaten sei für die chinesische Regierung kein Vorbild mehr.

Daher pumpt Peking fast 40 Prozent seines Finanzkrisen-Konjunkturprogramms in eine umweltfreundlichere Wirtschaft. Rund 152 Milliarden Euro sind es insgesamt. Auch andere asiatische Nationen machen Tempo. Südkorea etwa investiert 80 Prozent der staatlichen Wirtschaftsförderung in grüne Industrien.

Gegen solche Summen sieht die größte Volkswirtschaft der Welt alt aus: Knapp zwölf Prozent ihrer Anti-Krisen-Gelder geben die USA für Öko-Technologien aus. In vielen Ländern der Europäischen Union sind es sogar weniger als zehn Prozent, etwa in Spanien, Italien oder Großbritannien. Insgesamt verwenden die 27 EU-Staaten gut 16 Prozent der Konjunkturgelder für eine nachhaltigere Wirtschaft. Deutschland liegt mit 13 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt.

Noch ist Europa beim Klimaschutz führend. So haben es die asiatischen Mächte gerade erst abgelehnt, sich verbindlich auf ein CO2-Reduktionsziel festzulegen. Doch Klimapolitik und Technologieförderung sind für die Regierungen in Peking und Co. zwei verschiedene Dinge: Wo es Geld zu verdienen gibt, wollen sie vorne mit dabei sein.

Aus Sicht des Westens ist das ein Problem: So fürchtet die EU-Kommission, dass die Europäer bei den grünen Zukunftstechnologien von der asiatischen Konkurrenz überholt werden. Im Vergleich mit den USA stehe die EU zwar "einigermaßen gut da, aber Korea und China haben deutlich höhere Beträge für eine umweltfreundlichere Wirtschaft vorgesehen", formulierte jüngst ein leitender Umweltbeamter in Brüssel.

Noch gilt Europa als führend

"Europas Investitionen in klimafreundliche Autos, energiesparende Gebäude und flexibel reagierende Stromnetze sind viel zu gering", kritisiert auch Wirtschaftsforscher Fabian Zuleeg vom European Policy Centre in Brüssel. Der britische Wirtschaftsminister Peter Mandelson dagegen wurde deutlicher. China und die USA drängen uns zur Seite, wenn wir uns nicht radikal auf Umweltschutz ausrichten, warnte der frühere EU-Kommissar vor wenigen Tagen.

Noch gilt Europa als führend auf dem Gebiet der grünen Industrien. Vor allem Deutschland ist bei erneuerbaren Energien gut aufgestellt, die deutsche Umwelttechnik zählt zu den innovativsten Branchen der Welt. Dass nun bisherige Umweltbanausen wie Amerika und Asien ein neues ökologisches Zeitalter ausgerufen haben, bietet auf den ersten Blick große Chancen für Deutschlands Wirtschaft. Schließlich sind Windräder, Biogas- und Photovoltaikanlagen made in Germany weltweit gefragte Exportgüter.

Allerdings wird die Konkurrenz beim Aufbau eigener Umweltindustrien immer aktiver. Während die USA für das Umkrempeln ihrer Wirtschaft noch eifrig um deutsche Ingenieure werben, will sich China beim Entwickeln neuer grüner Technologien endlich von den Europäern abnabeln und eigene Patente auf den Markt bringen. Dafür hat Peking in den vergangenen fünf Jahren die Forschungsarbeit im Land auf das Doppelte hochgefahren. EU-Experten schätzen, dass China und Indien bis zum Jahr 2025 Weltspitze in der Forschung sein werden. Auf ihre Technologieführerschaft kann sich Deutschlands Umweltindustrie daher nicht mehr verlassen. "Der Wettbewerb auf den grünen Zukunftsmärkten beginnt erst", sagt Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Arbeitsplätze könnten abwandern

Angesichts der Prognosen für die Umweltbranche ist das kein Wunder: Bis 2020 wird der weltweite Umsatz mit grünen Technologien um mehr als das Doppelte auf 3,1 Billionen Euro steigen, heißt es in einer Studie der deutschen Bundesregierung. Ländern wie China passt es da gut, dass die europäische Öko-Konkurrenz unter der Wirtschaftskrise leidet. Bei den Produktionskosten kann Europas Solarindustrie schon jetzt kaum mithalten. Außerdem klagen europäische Hersteller über ein zunehmendes Abschotten des chinesischen Marktes. Einige unken bereits, dass Arbeitsplätze in der Umweltindustrie aus der EU abwandern werden. Beispiel Q-Cells: Der deutsche Solarzellenhersteller will hierzulande 500 Arbeitsplätze abbauen - und in Asien eine neue Fabrik eröffnen.

Panikmache, sagt dagegen Wirtschaftsexperte Zuleeg: "Wirklich große Summen für den Umweltschutz fließen in den USA und in China erst jetzt, daher werden dort grüne Jobs auch nicht über Nacht entstehen." Der Aufbau einer umweltfreundlichen Wirtschaft dürfe nicht nur als Weg aus der Konjunkturkrise gesehen werden. "Es geht ums Grundsätzliche, es geht um ein fundamentales Umstellen der Wirtschaft", sagt der Brüsseler Ökonom.

Bis 2020 wollen die EU-Länder ihren Treibhausgasausstoß um 20 Prozent drosseln und mindestens 20 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen beziehen. "Das ist ein ehrgeiziges Ziel", sagt Zuleeg. Gerade beim Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Infrastruktur seien zehn Jahre nur eine kurze Zeit. "Wenn wir jetzt nicht anfangen, einen politischen Rahmen zu stecken und entsprechend zu investieren, dann schaffen wir es nicht."

Energietechnologien begründen neue Schlüsselindustrie

China hat sich für das Jahr 2020 einen Anteil von acht Prozent grüner Energie als Ziel gesetzt. Das hört sich nicht nach großen Ambitionen an, doch die Folgen für die Wirtschaft könnten enorm sein. Schon im Jahr 2013 dürfte der Markt für Umwelttechnologien inklusive der erneuerbaren Energien in der Volksrepublik bei einer Billion Dollar liegen, schätzen Experten.

Zum Vergleich: Die in Deutschland wirksame Nachfrage nach Umwelt- und Klimaschutzprodukten liegt laut DIW gegenwärtig bei rund 75 Milliarden Dollar. Sofern sich "die generellen Rahmenbedingungen günstig entwickeln", könnte der Markt bis 2020 auf 171 Milliarden Dollar wachsen. Doch günstig entwickeln sich die Bedingungen sicher nicht, wenn Großkunden wie China und die USA sich gerade mit Volldampf daran machen, grüne Technologien künftig selbst zu bauen.

Mit anderen Worten: China dürfte die Greentech-Nation Deutschland schon bald abhängen.

Entsprechend groß ist die Sorge der heimischen Industrie. "Energietechnologien sind die nächste wirtschaftliche Welle", sagte der Energieexperte des Branchenriesen Philips neulich in Brüssel. Und Jürgen Thumann, Präsident des europäischen Arbeitgeberverbandes, mahnte: "Europa kann es sich nicht leisten, die Chance für einen grünen Aufschwung in den Sand zu setzen."

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