Angst-Indikator Banken bunkern Hunderte Milliarden Euro bei der EZB

Kurz vor Weihnachten hatte die EZB den Geldmarkt mit 500 Milliarden Euro regelrecht geflutet - genützt hat es nichts. Statt das Geld an Unternehmen weiterzugeben, legen die Banken es lieber für niedrige Zinsen bei der EZB an - die "Vorsichtskasse" schwillt auf einen Rekordwert an.
Die EZB-Zentrale in Frankfurt am Main: 500-Milliarden-Kredit verpuffte ohne große Wirkung

Die EZB-Zentrale in Frankfurt am Main: 500-Milliarden-Kredit verpuffte ohne große Wirkung

Foto: dapd

Frankfurt am Main - Die Summe der eintägigen Einlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) ist eine Art Angst-Indikator der Finanzbranche. Je stärker sich die Banken gegenseitig misstrauen, desto mehr Geld legen sie tageweise bei der EZB an - dort sind die Zinsen zwar niedrig, die Sicherheit aber ist hoch. Jetzt sind die Einlagen dort auf einen Wert von fast 412 Milliarden Euro gestiegen - so hoch wie noch nie seit Einführung des Euro.

Der Rekordwert vom Sommer 2010, als die Banken 385 Milliarden Euro bei der EZB geparkt hatten, ist damit weit überschritten. Und diese Entwicklung beschleunigt sich noch: Noch am vergangenen Freitag hatten die Banken 65 Milliarden Euro weniger bei der EZB geparkt.

Zwar versorgen sich die Banken normalerweise lieber untereinander mit Geld, weil sie daran mehr verdienen können - aktuell liegen die Zinsen doppelt so hoch wie bei der EZB. Dieser Handel am sogenannten Interbankenmarkt ist aber seit Wochen gestört. Die Banken trauen sich gegenseitig nicht mehr, weil unklar ist, wie stark einzelne Institute gefährdet sind, weil sie in Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder investiert haben.

500-Milliarden-Kredit verpufft

In der vergangenen Woche hatte die EZB versucht, den Interbankenmarkt wieder in Gang zu bringen, indem sie fast 500 Milliarden Euro an Banken der Euro-Zone ausschüttete. Die Währungshüter wollten damit die finanzielle Lage der Banken stärken. Außerdem hofften sie, dass die Institute mehr Kredite an Unternehmen weitergeben und damit die Wirtschaft ankurbeln. Ein großer Teil des Geldes wird jetzt stattdessen offenbar über Nacht bei der EZB geparkt.

Kurz vor Weihnachten hatten positive Konjunkturdaten aus der Euro-Zone und den USA eigentlich die Hoffnung geweckt, dass eine Rezession im kommenden Jahr nur schwach ausfällt. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, hatte in einem Interview das Schicksal des Euro an die Entwicklung Italiens geknüpft.

Auktion italienischer Staatsanleihen im Fokus der Märkte

Das Überleben der Währung werde von der wirtschaftlichen Entwicklung Italiens abhängen, sagte Mayer der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Zu Beginn nächsten Jahres werde Italien in eine tiefe Rezession stürzen. "Wenn es dem Land gelingt, da vor den Wahlen im Mai 2013 wieder herauszukommen - was ich erwarte -, dann kann Italien ein Vorbild für alle südeuropäischen Staaten werden. Ansonsten wird die Euro-Zone auseinanderbrechen."

Weil Mayer mit dieser Einschätzung nicht allein steht, beobachten viele Börsenhändler in dieser Woche aufmerksam die Auktion italienischer Staatsanleihen mit einem Volumen von gut 20 Milliarden Euro. Bei den vorangegangenen Auktionen hatte Italien hohe Zinsen für seine Kredite zahlen müssen. Einige Marktteilnehmer spekulieren nun, dass Banken einen Teil des billigen EZB-Geldes dazu nutzen könnten, italienische und spanische Staatsanleihen zu kaufen - die Zinsen könnten dann sinken.

nck/dpa
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