Arbeitskosten Deutsche Löhne hinken hinterher

Deutschlands Wirtschaft hat einen kräftigen Boom hinter sich - doch die Arbeitskosten halten mit der Entwicklung nicht Schritt. Im Jahr 2010 sind sie in der Privatwirtschaft um gerade einmal 0,6 Prozent gewachsen. In der Euro-Zone ging es nur in Irland und Griechenland noch langsamer nach oben.
Maschinenbau: In der Industrie sind die Arbeitskosten höher als im Service-Sektor

Maschinenbau: In der Industrie sind die Arbeitskosten höher als im Service-Sektor

Foto: dapd

Berlin/Düsseldorf - Die Arbeitskosten in der deutschen Wirtschaft sind im vergangenen Jahr kaum gestiegen. Während sich die Arbeitskraft EU-weit um 1,7 Prozent und im Schnitt aller Euro-Länder um 1,6 Prozent verteuert habe, seien die Kosten in der Bundesrepublik nur um 0,6 Prozent nach oben gegangen, berichtet das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).

Unter den Euro-Staaten seien lediglich die Krisenstaaten Irland und Griechenland hinter Deutschland zurückgeblieben. Infolge eines massiven wirtschaftlichen Einbruchs seien dort die Arbeitskosten gesunken.

Zu den Arbeitskosten zählen der Bruttolohn, der Arbeitgeberanteil an den Sozialbeiträgen und bestimmte Steuern. Der Untersuchung der Stiftung zufolge mussten deutsche Arbeitgeber aus Industrie und privaten Dienstleistungsunternehmen 2010 durchschnittlich 29,10 Euro pro geleisteter Arbeitsstunde zahlen. Höher hätten die Arbeitskosten in sechs EU-Ländern gelegen - und zwar in Belgien, Dänemark, Schweden, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden. Spitzenreiter Belgien sei dabei auf einen Stundensatz von durchschnittlich 38,20 Euro gekommen.

Die Arbeitgeber kritisieren die Studie

Am günstigsten fiel die Arbeitsstunde in Polen aus, wo laut der Studie im Schnitt sieben Euro fällig wurden. Die Niedriglohn-Staaten Rumänien und Bulgarien waren in der Aufstellung allerdings nicht enthalten. EU-weit lagen die Arbeitskosten den Zahlen zufolge bei durchschnittlich 22,50 Euro.

Damit setzt sich trotz des starken Wirtschaftswachstums von fast vier Prozent in diesem Jahr ein langjähriger Trend weiter: Die Arbeitskosten in der heimischen Wirtschaft wachsen deutlich langsamer als in den anderen Ländern der Europäischen Union. Zwischen 2000 und 2010 sind sie Deutschland nominal um durchschnittlich 1,7 Prozent pro Jahr gestiegen, im EU-Schnitt um 3,3 Prozent.

IMK-Direktor Gustav Horn bezeichnete die heimische Servicebranche im Vergleich zu wichtigen deutschen Handelspartnern als "Billiglohnland". Die Arbeitgeber kritisierten, die IMK-Studie erwecke den falschen Eindruck, dass die Arbeitskosten im europäischen Mittelfeld lägen. "Deutschland bleibt weiter ein teurer Arbeitsplatzstandort", erklärte der Dachverband BDA.

Deutschland habe durch die vergleichsweise geringen Kosten über Jahre hinweg seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert und vom gutem Exportgeschäft profitiert, sagte Horn. Allerdings habe dies zu Leistungsbilanzdefiziten anderer Euro-Länder und damit zu den Ungleichgewichten geführt, die die Schuldenkrise mitausgelöst hätten.

Der Wohlstand, den sich Deutschland durch seine Überschüsse erworben habe, "basiert auf den Schulden der anderen". Mittel- bis langfristig müsse es hier eine Trendwende geben, sonst sei die Währungsunion in ihrer Stabilität gefährdet, mahnte der Experte. Die angeschlagenen Euro-Länder müssten ihrerseits wettbewerbsfähiger werden, für Deutschland gebe es hingeben keinen Grund zur Lohnzurückhaltung. "Gesamtwirtschaftlich wären Lohnabschlüsse von nominal 3 bis 3,5 Prozent angemessen", sagte Horn.

stk/Reuters/AFP

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