Energiepolitik Frankreich will Laufzeit für älteste AKW auf 50 Jahre verlängern

Deutschland steigt aus der Atomenergie aus, in Frankreich will die Atomaufsicht die Laufzeit der ältesten AKW von 40 auf 50 Jahre verlängern. Zur Bedingung machte die Behörde Reparaturen an 32 Meilern.
EDF-Atomkraftwerk Dampierre: Soll 50 Jahre laufen dürfen

EDF-Atomkraftwerk Dampierre: Soll 50 Jahre laufen dürfen

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CHRISTIAN HARTMANN/ REUTERS

Frankreich ist von der Atomkraft so abhängig wie kein anderes Land weltweit: Rund 75 Prozent des produzierten Stroms kommen aus Atomkraftwerken. Nun will das Land die Laufzeit der ältesten französischen Atomreaktoren von 40 auf 50 Jahre verlängern. Das geht aus einer Stellungnahme der französischen Atomaufsicht Autorité de sûreté nucléaire (ASN) hervor, die in Paris veröffentlicht wurde. Zur Bedingung machte die Behörde eine Reihe von Reparaturen, um Nuklearunfälle bei den 32 ältesten Reaktoren zu verhindern.

Von diesen Altreaktoren haben nach Angaben von Greenpeace bereits 13 das Höchstalter von 40 Jahren überschritten, das die mehrheitlich staatliche Betreibergesellschaft Electricité de France (EDF) ursprünglich vorgesehen hatte. Die französische Regierung hatte sich bereits im April 2020 für die Laufzeitverlängerung ausgesprochen.

Die Entscheidung sei nach einer langen Untersuchung gefallen, sagte der ASN-Vorsitzende Bernard Doroszczuk der französischen Zeitung »Ouest-France« . Sie beruhe nicht auf einem gestiegenen Strombedarf, sondern auf der Bewertung der Reaktorsicherheit, so Doroszczuk.

Umweltministerin Schulze kritisiert Laufzeitverlängerung

Alle zehn Jahre werden in Frankreich alle Atomreaktoren untersucht und hinsichtlich ihres Sicherheitsniveaus verglichen. Mit einigen Sicherheitsverbesserungen könnten auch die 32 ältesten Reaktoren dem Niveau der Meiler der jüngsten Generation, den neuen »EPR«-Atomkraftwerken, sehr nahekommen. Innerhalb von fünf Jahren, sagte Doroszczuk »Ouest France«, solle außerdem eine Entscheidung gefällt werden, wie der Atommüll entsorgt werden könne: »Bis die Lösungen in die Tat umgesetzt werden können, wird noch einiges an Zeit vergehen.«

Die Verlängerung betrifft unter anderen das Atomkraftwerk Bugey östlich von Lyon, das seit Ende der Siebzigerjahre in Betrieb ist. Betroffen sind auch die Reaktoren in Dampierre südlich von Paris und Tricastin nördlich von Avignon, die seit Anfang der Achtzigerjahre Strom produzieren.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze kritisiert die geplante Laufzeitverlängerung. »Laufzeitverlängerungen sind aus meiner Sicht der falsche Weg«, teilte die SPD-Politikerin mit. »Ich respektiere den Grundsatz nationaler Energiesouveränität, doch bereitet mir die zunehmende Überalterung der europäischen Atomkraftwerke große Sorge. Dazu zählen auch die französischen Alt-Reaktoren.« Gegen Akw-Alterung lasse sich nur punktuell etwas machen: »Es gibt technische und wirtschaftliche Grenzen der Nachrüstbarkeit – so lässt sich etwa ein versprödeter Reaktordruckbehälter nicht austauschen.« Laufzeitverlängerungen über die »ursprüngliche Konzeptionsdauer hinaus«, lehne sie daher ab.

Fessenheim 2020 endgültig abgeschaltet

Schulze sagte, sie erwarte von Frankreich, »betroffenen Nachbarstaaten und der interessierten Öffentlichkeit – auch jenseits der französischen Grenzen – bei den geplanten Laufzeitverlängerungen jeweils eine umfassende grenzüberschreitende Beteiligung zu ermöglichen.« Frankreich hatte im Juni des vergangenen Jahres zumindest sein ältestes Atomkraftwerk in Fessenheim am Oberrhein unweit von Freiburg im Breisgau endgültig abgeschaltet. Deutschland und die Schweiz hatten wegen zahlreicher Pannen jahrelang darauf gedrungen.

In Deutschland hatte die Bundesregierung 2011 nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima eine nur wenige Monate zuvor beschlossene Laufzeitverlängerung zurückgenommen. Bis spätestens Ende 2022 müssen alle Meiler zu festen Terminen vom Netz gegangen sein, dann soll der Atomausstieg in Deutschland vollzogen sein, die Regierung muss die Entschädigung der Kraftwerksbetreiber aber noch neu regeln.

apr/jkl/AFP
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