Debatte über Abbruch-Fonds Was E.on und Co. mit ihren Atommeilern verdient haben

Geht es nach den großen Energiekonzernen, soll der Staat die Abwicklung ihrer Atommeiler übernehmen. Der Plan erntet harsche Kritik. Tatsächlich haben die Kraftwerke den Unternehmen im Laufe der Jahre viel Geld eingebracht.
Atomkraftwerk Krümmel: Üppige Gewinne in den vergangenen Jahrzehnten

Atomkraftwerk Krümmel: Üppige Gewinne in den vergangenen Jahrzehnten

Foto: Axel Heimken/ AP

Berlin - Es war schon lange klar, dass da einiges auf E.on und Co. zukommen würde. Die Rückstellungen, die die Kraftwerksbetreiber für den Abriss ihrer 17 Atommeiler gebildet haben, haben nach Angaben der Bundesregierung inzwischen insgesamt 35,8 Milliarden Euro erreicht (Stand Ende 2013). Doch selbst diese enorme Summe gilt als knapp bemessen, wenn es darum geht, alle Spuren der Kernkraft in Deutschland zu beseitigen.

"Im Großen und Ganzen müsste das für die Bauarbeiten ausreichen", sagt Wolfgang Irrek, der an der Hochschule Ruhr West den Markt für Energiedienstleistungen erforscht. Die Kosten für die Zwischen- und Endlagerung der verstrahlten Abfälle und das Risiko eines Unfalls während der Arbeiten sei damit allerdings in keiner Weise abgedeckt.

Dass die Kosten im Einzelfall erheblich höher liegen können, wissen die Experten der Bundesregierung nur zu gut. Allein für Abbruch und Entsorgung zweier Atomanlagen aus der ehemaligen DDR in Greifswald und Rheinsberg kalkuliert das Bundesforschungsministerium inzwischen mehr als 3,2 Milliarden Euro. Keine Frage: Das Risiko, dass die knapp 36 Milliarden Euro an Rückstellungen nicht ausreichen, ist hoch.

Doch so verständlich der Reflex der Stromriesen aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist, der Allgemeinheit das Risiko der Mehrkosten aufzubürden: Es wäre ihnen durchaus zuzumuten, selbst in die Bresche zu springen. Schließlich haben die Meiler in den vergangenen Jahrzehnten für üppige Gewinne gesorgt, darüber sind sich alle Experten einig. Auch Gelder vom Staat flossen reichlich - als Beihilfen für Forschung und Entwicklung, Subventionen und gesetzlich verordnete Strompfennige.

Weites Spektrum an Schätzungen

Die Schätzungen über die Höhe dieser Gewinne gehen weit auseinander. Das Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft beziffert in einer Studie für die Umweltorganisation Greenpeace die Summe "realer Fördermittel" für E.on, EnBW, Vattenfall und RWE auf 204 Milliarden Euro, das Umweltbundesamt kalkuliert in einer 2010 verfassten Studie über umweltschädliche Subventionen viel vorsichtiger: "Insgesamt flossen seit dem Beginn der Förderung bis heute gut 40 bis 60 Milliarden Euro an öffentlichen Ausgaben von Bund und Ländern in den Bereich der Kernenergie", heißt es dort. Die Energiekonzerne selbst rechnen wiederum mit ganz anderen Zahlen: Sie lassen nur die Kosten für die Erforschung der von ihnen betriebenen Leichtwasserreaktoren gelten und kommen so auf lediglich 7,83 Milliarden seit 1954.

Auch die Höhe der Gewinne, die die Reaktoren während ihrer Laufzeit abwarfen, kann nur näherungsweise bestimmt werden. Und je nachdem, welche Faktoren man mit einbezieht, fällt die Schätzung sehr unterschiedlich aus. Die Industrie hält sich zu diesem Kapitel bedeckt, doch die Experten von Greenpeace rechnen mit einer Million Euro pro Meiler - pro Tag. Bei einer durchschnittlichen Betriebsdauer von 320 Tagen im Jahr würden alle aktiven Kernkraftwerke zusammen jedes Jahr 5,5 Milliarden Euro einbringen. Wobei in dieser Rechnung die sinkenden Preise an der Energiebörse in Leipzig nicht berücksichtigt sind.

Charlotte Loreck vom Freiburger Ökoinstitut hat den Rückgang der Preise in ihrer Rechnung berücksichtigt und kommt auf einen Gesamtgewinn von 6,8 Milliarden Euro für die letzten vier Jahre. "Wir haben sehr konservativ gerechnet", betont die Energieexpertin.

Nicht beziffert ist in allen überschlägigen Rechnungen der Profit, den die Atomkraftwerke auch in den Jahren abgeworfen haben, in denen sie abgeschrieben wurden. "Die Zahlen hierzu hat noch niemand zusammengetragen", sagt der Essener Gelehrte Irrek. Über den Daumen lasse sich das nicht schätzen, fügt er hinzu. Zumal man fairerweise berücksichtigen müsse, dass sich einige Meiler als Verlustgeschäft erwiesen hätten. Dennoch ist der Experte überzeugt: "In der Summe haben die Energiekonzerne mit den Kernkraftwerken sehr gut verdient."

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